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Ritter und Rebellen - Karl May's Gesammelte Werke Band 69

Karl May

 

Verlag Karl-May-Verlag, 2012

ISBN 9783780215697 , 409 Seiten

Format PDF, ePUB, OL

Kopierschutz Wasserzeichen

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9,99 EUR


 

Lockere Gesellen


 

Am Zusammenfluss der Eide und des Meyn an der Mecklenburgisch-Prignitzischen Grenze, anderthalb Meilen nördlich von Lenzen an der Elbe, lag das feste Schloss Garlosen, später Gorlosen genannt. Es hatte von jeher unsteten Gemütern, die entweder dem Landesherrn oder den Landstraßen gefährlich wurden, zum Aufenthalt gedient und wurde jetzt von drei Männern bewohnt, die ihr Schwert gut zu führen verstanden und am liebsten den Wein tranken, den andere bezahlt hatten. Das waren der alte und der junge Boldewin vom Krug und ihr Vetter Thomas vom Krug. Zu ihnen gesellte sich täglich der tapfere Klaus von Quitzow, der in Stavenow zu Hause war.

Die vier wackeren Degen kamen des Morgens auf Garlosen zusammen, erzählten sich von ihren Fehden und Kriegstaten, sannen auf neuen Ruhm und tranken dazu mit einer Ausdauer, dass sich Kuno, der alte Kellermeister, gar oft auf eine der Treppenstufen setzte, um von dem ununterbrochenen Auf- und Absteigen ein wenig zu verschnaufen. Wenn dann der Abend hereingebrochen war und das edle Nass nicht mehr recht durch die rauen Kehlen wollte, ließ sich der von Quitzow von seinen Knappen aufs Pferd heben, um, hüben und drüben gehalten, heimwärts zu reiten, während die drei vom Krug in ihr gemeinschaftliches Schlafgemach taumelten und sich zu guter Nacht mit den unmöglichsten Aufschneidereien anlogen, bis einer nach dem anderen die Sprache verlor und ein dreifaches Schnarchen bewies, dass die Recken nun ernstlich begonnen hatten, von ihrem schweren Tagewerk auszuruhen.

Anders freilich verlief der Tag, wenn eine Fehde auszufechten war oder ein Zug mit Kaufmannsgütern nahte. Da erhob sich ein höchst kriegerisches, lebhaftes Treiben zwischen den Mauern des Schlosshofs. Und wenn das Tor sich öffnete, um die Schar der Gewappneten zu entlassen, so kehrten sie gewiss als Sieger wieder, denn die vier Herren zeigten sich zwar täglich vom Trinken ermüdet, waren aber noch niemals vom Dreinschlagen matt geworden. –

 

*

 

Es war an einem kalten Tag, Ende Februar, als auf der Straße von Lenzen nach Grabow ein Ritter dahintrabte. Der Gaul, auf dem er saß, hatte zwar wenig überflüssiges Fleisch, aber desto stärkere Knochen, und die Art und Weise, wie das Tier ausschritt, ließ nicht auf Schwäche schließen. Die lange, hagere Gestalt des Reiters saß so stramm im Sattel, als seien erst zwanzig Sommer über sie dahingegangen und doch deuteten das Grau von Bart und Haupthaar sowie der Faltenreichtum des wetterharten Gesichts auf Spuren jenes Alters hin, in dem man eigentlich den warmen Ofen allen Schönheiten eines winterstarren Waldes vorzieht.

„Ist das eine Dummheit“, brummte er vor sich hin, „ein Schloss so weit ins Land hinein zu bauen, während auf der Elbe so reicher Fang zu machen ist! Da reite ich nun – aber halt, wer ist der Mann, der da vorn so langsam dahinschlendert, als ginge er zur Sommerzeit spazieren? Muss ihn mal fragen, wo der Weg nach Garlosen ist!“

Er gab dem Pferd die Sporen und befand sich bald an der Seite des Fußwanderers, der, ohne den Ritter sonderlich zu beachten, gemächlich seines Weges dahinschritt. Er war von großer Gestalt mit mächtigen, sehnigen Gliedern. Aus dem verwitterten Gesicht ragte ein mit Pech zusammengedrehter Schnurrbart zu beiden Seiten der Nase um eine Handbreite in die Luft hinaus und gab dem Gesicht einen grimmigen Ausdruck. Die Tracht des Mannes war aus ungegerbtem Leder gefertigt und bestand aus hohen Stiefeln, unsauberen Elenhosen, einem abgenutzten Wams und einem schäbigen Hut, der so breite Ränder hatte, dass man aus der Ferne recht wohl annehmen konnte, der kräftige Bursche trage einen Mühlstein auf dem Kopf. Von dem Hut wallten mehrere rote Hahnenfedern zur Seite herab und an einem ebenso roten Gurt hing ein ungeheurer, langer Raufdegen.

„Heda, alter Gesell“, rief ihm der Ritter zu, „woher des Wegs und wohin willst du?“

„Alter Gesell?“, erwiderte der Gefragte. „Mordelement, Gott straf mich, wenn ich fluche, aber der Deiwel soll den anblasen, der da behauptet, dass ich alt bin! Woher ich komme und wohin ich gehe, das ist nur meiner eigenen Beine Sache; ich bin Wachtmeister und heiße Kaspar Liebenow, und wer mich noch einmal einen alten Gesellen nennt – Mordelement, den zerhacke ich, bis er in Fetzen davonreitet!“

Der Mann fühlte sich offenbar durch die Anrede in seiner persönlichen Ehre gekränkt. Seine Augen funkelten und seine Hand legte sich drohend um den Griff des Schwertes.

Doch schien der Ritter diese Zornesäußerungen nicht zu bemerken. Er fuhr im vorigen Ton fort:

„Also Kaspar Liebenow heißt du? Und Wachtmeister bist du? Wohl bei den Rittern vom Krug?“

„Beim Weinkrug, ja, da bin ich stets wach und auch Meister, solange noch ein Tropfen drin ist, aber bei den Rittern vom Krug – nein, da will ich bloß mal nachfragen, ob Herr Dietrich von – na, das ist auch wieder Sache für meine eigenen Beine!“

„Bleibe mir mit deinen Beinen vom Hals“, lachte der Ritter, „und behalte deine Weisheit meinetwegen für dich! Aber sag mir, wie lange ich noch bis Burg Garlosen zu reiten habe.“

„Bis Burg Garlosen? So lange, bis Ihr dort seid. Mordelement, Gott straf mich, wenn’s nicht wahr ist! Den Weg kenne ich selber nicht, aber er wird zu finden sein, hol’s der Deiwel! – Ich will zu Herrn Klaus nach Stavenow und zuvor nachfragen, ob er vielleicht bei denen vom Krug zu treffen ist“, setzte er hinzu, offenbar vertraulicher gemacht durch die Mitteilung des Ritters, dass dieser nach Garlosen wolle.

„Meinst du den Klaus von Quitzow?“

„Denselben!“

„Du sprachst vorhin von einem Herrn Dietrich! Bist du vielleicht einer von den Quitzowschen auf Friesack?“

„Das ist schon wieder was für meine eigenen Beine. Aber Ihr sollt es wissen, wenn Ihr mir vorher sagt, wer Ihr seid. Ich habe Euch noch nie gesehen und kenne Eure Farben nicht.“

„Hast du vielleicht schon mal von Heyso von Steinfurth auf Alvensleben gehört?“

„Heyso von Steinfurth? Mordelement, Gott straf mich, wenn ich fluche, aber der Heyso ist ein Kerl, vor dem ich den Hut ziehe. Er ist reich wie ein Prinz, denn er hat mehr als zwanzig Burgen und Dörfer, und hat eine Klinge, besser als der Deiwel selber. Den – den kenne ich wohl, obgleich ich ihn noch nicht gesehen habe. Er ist mit Herrn Hans von Quitzow gegen den Brandenburger gezogen und sitzt dem Krämervolk immer tapfer im Nacken. Seid Ihr es am Ende selber?“

Der Ritter nickte und Liebenow fuhr fort:

„Nun, so brauche ich mich vor Euch nicht zu verstecken, denn, Mordelement, Gott straf mich, wenn ich fluche, Ihr werdet meinen Herrn, den Ritter Dietrich von Quitzow, nicht verraten, wenn Ihr ihn etwa auf Garlosen findet.“

„Dachte mir’s. – Ich habe von seinem Unglück vernommen und auch gehört, dass Herr Dietrich entkommen sei. Denkst du, dass man ihn auf Garlosen finden kann?“

„Nein, aber der Klaus sitzt den ganzen Tag bei den Boldewins vom Krug, und von ihm kann ich erfahren, ob sich Herr Dietrich vielleicht bei ihm verborgen hält. Mordelement, Gott straf mich, wenn ich fluche, ich will auf der ganzen Welt nichts haben als nur meinen Herrn, und nachher wollen wir den Nürnberger Burggrafen zusammenfuchteln, dass er all sein Lebtag daran denken soll!“

Während dieser geharnischten Rede waren auf einem Waldweg seitwärts aus den Büschen zwei Reiter hervorgekommen, die auf den ersten Blick die Aufmerksamkeit der beiden anderen in Anspruch nahmen. Der Voranreitende war von ungeheurem Leibesumfang und saß auf einem ebenso dicken Schimmel, sodass seine kurzen Beine kaum über den halben Leib des Tieres herabreichten. Aus dem vollen, runden Gesicht ragte eine Nase hervor, die, hochrot gefärbt, fast die knorrige Gestalt einer großen Kartoffel hatte und an ihrer Spitze in allen Schattierungen von Blau erglänzte. Die kleinen listigen Äuglein waren kaum im Stande, über die mit Fett gepolsterten Backen hinwegzusehen. Die Zügel hingen lose über dem Hals des Tieres und die beiden Hände des Reiters hatten sich in sorgloser Beschaulichkeit über dem Bauch gefaltet, als könne es dem Schimmel im ganzen Leben nicht einfallen, einen ordnungswidrigen Schritt zu tun. Und wirklich arbeitete der massige Gaul seine schwere Körperfülle mit einer Behaglichkeit voran, die auf eine wahre Lammfrömmigkeit schließen und höchstens befürchten ließ, er könne einmal in seinem eigenen Fett stecken bleiben.

Hinter diesem wohlgenährten Bild der Gemütlichkeit schaukelte mit steifen Beinen eine Rosinante vorwärts, deren mattgelb durchschimmernde Knochen nur durch eine Haut zusammengehalten wurden, auf der kaum noch hier und da ein vereinsamtes Haar zu entdecken war; auf dem steif emporstehenden kahlen Schwanzstummel wiegte sich ein Etwas, dessen Ähnlichkeit mit einem von den Motten zerfressenen Borstenwisch unverkennbar war. Die beiden Ohren gaben sich alle erdenkliche Mühe, eine aufwärts gerichtete Stellung einzunehmen, fielen aber immer wieder ermüdet auf den schwindsüchtigen Hals herab, und die Lippen des wackeren Vierfüßlers hatten jene in sich gekehrte und Mitleid erregende Haltung, die ein Zeichen der vollkommenen Unschädlichkeit des Gebisses ist. Auf dem scharfkantigen Rücken des Tieres aber thronte eine...