dummies
 

Suchen und Finden

Titel

Autor/Verlag

Inhaltsverzeichnis

Nur ebooks mit Firmenlizenz anzeigen:

 

Funktionsdiagnostik des Arbeitsgedächtnisses

Marcus Hasselhorn, Christof Zoelch

 

Verlag Hogrefe Verlag GmbH & Co. KG, 2012

ISBN 9783840924521 , 193 Seiten

Format PDF, OL

Kopierschutz Wasserzeichen

Geräte

28,99 EUR


 

Kapitel 2 Zur Invarianz der Struktur des Arbeitsgedächtnisses bei Kindern (S. 23-24)
Kurt Michalczyk, Christof Zoelch und Marcus Hasselhorn

Zusammenfassung

Dieses Kapitel befasst sich mit der Frage, inwiefern die von Baddeley (1986) beschriebene Struktur des Arbeitsgedächtnisses auch bei Kindern im Alter von 5 bis 12 Jahren gültig ist. Dazu wird ein Überblick über den aktuellen Forschungsstand gegeben. Eigene Analysen zur Varianz und Invarianz der Arbeitsgedächtnisstruktur nach Baddeley (1986) belegen, dass die dreigliedrige, hierarchische Struktur des Arbeitsgedächtnisses bereits bei Kindern im Alter von 5 bis 6 Jahren Gültigkeit hat und dass diese über unterschiedliche Altersgruppen (5- bis 6-Jährige, 7- bis 9-Jährige und 10- bis 12-Jährige) weitestgehend invariant ist. Lediglich der Zusammenhang der phonologischen Schleife und der zentralen Exekutive steigt im Übergang vom sechsten zum siebten Lebensjahr an. Diese Konstruktäquivalenz über unterschiedliche Altersgruppen ist Grundlage einer validen Diagnostik der differenziellen Funktionstüchtigkeit des Arbeitsgedächtnisses in der Altersspanne zwischen 5 und 12 Jahren mittels der AGTB 5-12 (Hasselhorn et al., 2012). Sie unterstützt damit die Annahme, dass die AGTB 5-12 auf allen Altersstufen das gleiche Funktionssystem erfasst und ermöglicht damit die Messung entwicklungsbedingter Veränderungen der verschiedenen Funktionsmechanismen des Arbeitsgedächtnisses. Auch ist sie geeignet zur Interpretation von Zusammenhängen des Arbeitsgedächtnisses mit anderen Merkmalen der kognitiven Entwicklung, insbesondere der frühen Identifikation von schulischen Leistungsstörungen anhand defizitärer Teilfunktionen des Arbeitsgedächtnisses.

2.1 Einleitung

Das Modell des Arbeitsgedächtnisses von Baddeley (1986) stellt einen der verbreitetsten Ansätze in der Arbeitsgedächtnisforschung dar (Conway, Jarrold, Kane, Miyake & Towse, 2007; Jarrold & Towse, 2006; Michalczyk & Hasselhorn, 2010). Nach diesem Modell setzt sich das Arbeitsgedächtnis aus der zentralen Exekutive und zwei Subsystemen zusammen: der phonologischen Schleife und dem visuell-räumlichen Notizblock. Die zentrale Exekutive arbeitet als flexible Kontrolleinheit, der unterschiedliche Aufgaben zukommen. So übernimmt sie wesentliche Steuerungs- und Überwachungsfunktionen kognitiver Prozesse, zu denen unter anderem die Koordination der Information bei multiplen Anforderungen, der flexible Abruf von Information aus dem Langzeitgedächtnis, der Wechsel zwischen Gedächtnisstrategien, aber auch die Steuerung aufmerksamkeitsbezogener Prozesse gehören (Baddeley, 1996). Die phonologische Schleife ist für die kurzfristige Speicherung klanglicher Information zuständig, der visuell- räumliche Notizblock für das Speichern visueller und räumlicher Information. Eine in jüngere Zeit von Baddeley (2000) postulierte vierte Instanz – der sogenannte episodische Puffer („Episodic Buffer“) – ist für die multimodale Integration von Information aus den Subsystemen und dem Langzeitgedächtnis zuständig. Da bisher weder der empirische Nachweis noch die Implementierung des episodischen Puffers in das theoretische Modell zufriedenstellend gelungen sind, wird in der weiteren Darstellung nicht weiter auf diese Komponente eingegangen.

In der einschlägigen Literatur werden immer wieder hohe Zusammenhänge zwischen der Funktionstüchtigkeit des Arbeitsgedächtnisses und schulischen Leistungen wie zum Beispiel Lesefertigkeit (z. B. De Jong, 1998; Swanson, 1994), Sprachverstehen (z. B. Nation, Adams, Bowyer-Crane & Snowling, 1999; Seigneuric, Ehrlich, Oakhill & Yuill, 2000) und der Mathematikleistung (z.B. Bayliss, Jarrold, Gunn & Baddeley, 2003; Bull & Scerif, 2001; Mayringer & Wimmer, 2000; Siegal & Ryan, 1989) berichtet. Zusätzlich konnte Alloway (2009) für den englischen Sprachraum zeigen, dass das Arbeitsgedächtnis insbesondere bei Kindern mit Lernschwierigkeiten sogar der Intelligenz als Prädiktor überlegen ist. Auch im deutschen Sprachraum belegen Untersuchungen an Kindern mit Lernschwierigkeiten vermehrt die Nützlichkeit der diagnostischen Information über die Funktionstüchtigkeit des Arbeitsgedächtnisses (vgl. Gaupp, 2003; Schuchhardt, Mähler & Hasselhorn, 2008). So weisen beispielsweise Kinder mit spezifischen Lernschwächen oder -störungen eingrenzbare Funktionsdefizite im Arbeitsgedächtnis auf: Kinder mit Dyslexie zeigen in der phonologischen Schleife schlechtere Leistungen als Kontrollkinder, nicht aber im visuellräumlichen Notizblock, während Kinder mit einer Rechenstörung eher eine geringe Ausprägung der Kapazität des visuell-räumlichen Notizblocks – nicht aber des phonologischen Speichers – aufweisen (vgl. auch Mähler & Schuchardt, in diesem Band). Kinder mit einer kombinierten Rechen- und Lese-Rechtschreibschwäche weisen für die beiden Subsysteme des Arbeitsgedächtnisses schlechtere Leistungen auf, als Kinder relevanter Vergleichsgruppen, wobei es jedoch keine Interaktionseffekte zwischen den Teilleistungsstörungen und den Arbeitsgedächtnisleistungen zu geben scheint (Schuchhardt, Mähler & Hasselhorn, 2008). Was Kinder mit einer durch Intelligenzminderung charakterisierten Lernbehinderung betrifft, scheinen diese Schwächen in allen drei Funktionsbereichen des Arbeitsgedächtnisses aufzuweisen (Mähler, 2007: Büttner, Poloczek, Schuchardt & Mähler, in diesem Band).

Eine angemessene entwicklungs- uns störungsbezogenen Diagnostik der Funktionsfähigkeit des Arbeitsgedächtnisses setzt voraus, dass das Kriterium der Konstruktäquivalenz bzw. Konstruktvalidität erfüllt ist. Hierbei geht es um die Frage, ob in sämtlichen voneinander zu differenzierenden Teilpopulationen (z.B. Altersgruppen, Störungstypen) mit dem entsprechenden diagnostischen Verfahren...