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Eine kurze Weltgeschichte für junge Leser

Ernst H. Gombrich

 

Verlag DUMONT Buchverlag, 2012

ISBN 9783832186395 , 352 Seiten

Format ePUB

Kopierschutz Wasserzeichen

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9,99 EUR


 

Die größten Erfinder, die es je gegeben hat

In Heidelberg hat man einmal einen tiefen Schacht ausgehoben. Dort fand man tief unter der Erde einen Knochen, einen Menschenknochen. Einen Unterkiefer. Aber solche Unterkiefer hat heute kein Mensch mehr. So fest und stark ist er. Und so kräftig sind die Zähne darauf. Der Mensch, dem der Kiefer gehört hat, konnte gewiss gründlich beißen. Und lang muss es her sein, sonst läge er doch nicht so tief unter der Erde!

Woanders in Deutschland, im Neandertal, hat man einmal einen Schädelknochen gefunden. Die Hirnschale eines Menschen. Du brauchst dich nicht zu gruseln, sie war schrecklich interessant. Denn auch solche Hirnschalen gibt es nicht mehr. Der Mensch hat keine richtige Stirn gehabt, aber große Wülste über den Augenbrauen. Hinter der Stirn denken wir aber, und wenn der Mensch keine Stirn gehabt hat, konnte er vielleicht auch weniger denken. Jedenfalls muss ihn das Denken mehr geplagt haben als uns. Es waren also einmal Leute, die haben weniger denken und besser beißen können als wir heute. So glaubte man damals jedenfalls, als man diesen Schädel fand, und hielt bis vor Kurzem daran fest.

»Halt!«, wirst du nun sagen. »Das ist gegen die Verabredung. Wann waren die Leute, was waren sie, und wie ist es eigentlich gewesen?«

Ich werde rot und muss dir antworten: Das wissen wir noch nicht genau, aber wir wollen es schon mit der Zeit herausbekommen. Wenn du groß bist, kannst du ja dabei mithelfen. Wir wissen es nicht, weil diese Menschen ja nichts aufschreiben konnten. Weil die Erinnerung nicht so weit zurückreicht. (Inzwischen brauch ich nicht mehr ganz so rot zu werden, denn obwohl einiges, was hier steht, nicht mehr ganz stimmt, so hab ich doch wenigstens richtig prophezeit: Wir wissen heute wirklich mehr darüber, wann die ersten Menschen gelebt haben. Das haben die Naturwissenschaftler herausbekommen, die entdeckt haben, dass manche Stoffe, zum Beispiel Holz und Pflanzenfasern und auch vulkanische Gesteine, sich langsam, aber regelmäßig verändern. Dadurch kann man ausrechnen, wann sie entstanden oder gewachsen sind. Gleichzeitig hat man natürlich auch eifrig weiter nach menschlichen Überresten gesucht und gegraben und vor allem in Afrika und auch in Asien weitere Knochen gefunden, die wenigstens so alt sind wie der Kiefer aus Heidelberg. Manche sind sogar noch älter. Das waren unsere Vorfahren, mit ihren wulstigen Stirnen und kleinen Gehirnen, die vielleicht schon vor zwei Millionen Jahren angefangen haben, mit Steinen als Werkzeugen zu hantieren. Einer der Schädel, die man vor Kurzem in Afrika gefunden hat, ist womöglich 7 Millionen Jahre alt. Die Neandertaler Menschen kamen vor ungefähr 100 000 Jahren auf und haben die Erde fast 70 000 Jahre lang bevölkert. Ihnen muss ich etwas abbitten, denn obwohl sie noch wulstige Stirnen hatten, war ihr Gehirn kaum kleiner als das der meisten heutigen Menschen. Unsere nächsten Verwandten tauchen wahrscheinlich erst vor ungefähr 30 000 Jahren auf.)

»Aber all das ›Ungefähr‹ ohne Namen und ohne genaue Jahreszahlen ist doch nicht Geschichte!«, wirst du sagen. Und da hast du recht. Es liegt vor der Geschichte. Darum nennt man es »Vorgeschichte«. Weil man nur sehr ungenau weiß, wann es gewesen ist. Und doch wissen wir noch einiges über diese Menschen, die man »Urmenschen« nennt. So wie nämlich die wirkliche Geschichte anfängt – und das wird sie im nächsten Kapitel tun –, haben die Menschen schon alles gehabt, was wir heute haben: Kleider und Häuser und Werkzeuge; Pflüge zum Pflügen, Getreide zum Brotbacken, Kühe zum Melken, Schafe zum Scheren, Hunde zur Jagd und als ihre Freunde. Pfeil und Bogen zum Schießen, Helm und Schild zum Schutz. Alles das muss aber doch einmal das erste Mal da gewesen sein. Das muss doch jemand erfunden haben! Denk doch, ist das nicht spannend? Einmal muss ein Urmensch darauf gekommen sein, dass man das Fleisch von wilden Tieren leichter beißen kann, wenn man es zuerst über das Feuer hält und brät. Vielleicht war das eine Frau? Und einmal ist einer drauf gekommen, wie man Feuer machen kann. Denk dir, was das bedeutet: Feuer machen! Kannst du das? Aber nicht mit Zündhölzchen, nein, die hat es doch nicht gegeben! Mit zwei Hölzchen, die man so lange aneinandergerieben hat, bis sie immer wärmer und wärmer geworden sind und schließlich geglüht haben. Versuch das einmal! Da wirst du sehen, wie schwer es ist!

Auch die Werkzeuge hat jemand erfunden. Kein Tier kennt Werkzeuge. Nur der Mensch. Die ältesten Werkzeuge werden einfach Äste gewesen sein oder Steine. Aber bald hat man diese Steine zurechtgeschlagen zu spitzen Hämmern. Von solchen zurechtgeschlagenen Steinen hat man viele in der Erde gefunden. Und weil damals alle Werkzeuge noch aus Stein waren, nennt man diese Zeit die »Steinzeit«. Aber Häuser konnte man damals noch nicht bauen. Das war unangenehm. Denn es war in dieser Zeit oft sehr kalt. Zeitweise sogar viel kälter als heute. Die Winter waren dann länger und die Sommer kürzer, als wir es gewohnt sind. Tief hinunter bis ins Tal ist der Schnee das ganze Jahr liegen geblieben, und die großen Gletscher aus Eis sind riesig weit vorgestoßen ins flache Land. Darum kann man sagen: Die ältere Steinzeit war noch während der Eiszeiten. Die Urmenschen müssen gefroren haben und froh gewesen sein, wenn sie Höhlen gefunden haben, die sie halbwegs vor Wind und Kälte schützen konnten. Darum nennt man sie auch »Höhlenmenschen«, obwohl sie kaum immer in Höhlen gehaust haben.

Weißt du, was die Höhlenmenschen noch erfunden haben? Ob du darauf kommst? Das Sprechen. Ich meine wirklich das richtige Sprechen. Die Tiere können ja auch schreien, wenn ihnen etwas wehtut, und Warnrufe ausstoßen, wenn Gefahr droht. Aber sie können nichts mit Worten benennen. Das können nur die Menschen. Die Urmenschen waren die ersten Wesen, die es konnten.

Noch etwas Schönes haben sie erfunden. Das Bildermalen und das Schnitzen. An den Wänden der Höhlen sehen wir heute noch viele Bilder, die sie hineingeritzt und daraufgemalt haben. Auch heute könnte es kein Maler schöner machen. Da sehen wir Tiere, die es längst nicht mehr gibt – so lange ist das her. Elefanten mit langen Haarpelzen und krummen Hauern: die Mammuts. Auch andere Tiere aus der Eiszeit. Warum, glaubst du, haben die Urmenschen an die Wände ihrer Höhlen solche Tiere gemalt? Nur zur Verzierung? Aber es war doch dort ganz dunkel! Sicher weiß man es nicht, aber man glaubt, dass sie versucht haben zu zaubern. Sie haben geglaubt, wenn man die Bilder der Tiere an die Wand malt, dann kommen die Tiere auch bald. So ähnlich, wie wir manchmal im Spaß sagen: »Wenn man den Esel nennt, dann kommt er gerennt.« Diese Tiere waren ja ihre Jagdbeute, ohne die sie verhungert wären. Also das Zaubern haben sie auch erfinden wollen, und schön wär es ja, wenn man das könnte. Aber bisher ist es noch nicht gelungen.

Die Eiszeiten haben unvorstellbar lang gedauert. Viele 10 000 Jahre, und das war gut, denn die Menschen, die sich beim Denken noch sehr plagen mussten, hätten sonst kaum Zeit gehabt, all das zu erfinden. Aber mit der Zeit ist es wärmer geworden auf der Erde, und das Eis hat sich im Sommer auf die höchsten Berge zurückgezogen, und die Menschen, die schon genauso waren wie wir, haben in der Wärme gelernt, Steppengräser anzupflanzen, ihre Körner zu reiben und daraus einen Brei zu machen, den man am Feuer backen kann. Das war das Brot.

Bald haben sie gelernt, sich Zelte zu bauen und die frei lebenden Tiere zu zähmen. So sind sie mit ihren Herden herumgewandert, so ähnlich wie heute zum Beispiel die Lappländer. Aber weil es damals in den Wäldern viele wilde Tiere gab, Wölfe und Bären, sind manche Menschen, wie es sich für solche Erfinder schickt, auf einen großartigen Gedanken gekommen: Sie haben sich Häuser mitten ins Wasser gebaut, auf Pfählen, die in den Grund hineingerammt waren. Man nennt sie »Pfahlbauten«. Ihre Steinwerkzeuge haben sie schon schön zurechtgeschlagen und geschliffen. Sie haben in ihre Steinäxte mit einem zweiten härteren Stein Löcher für den Stiel gebohrt. Was das für eine Arbeit war! Sicher einen ganzen Winter lang. Und oft ist zum Schluss die Axt mitten entzweigesprungen, dann musste man von vorne anfangen.

Dann haben sie erfunden, Lehm in Öfen zu Ton zu brennen, und bald haben sie schöne Gefäße gemacht, mit Mustern darauf. Aber Tierbilder hat man damals, in der jüngeren Steinzeit, nicht mehr gemacht. Und am Ende, vielleicht vor 6000 Jahren, 4000 Jahre vor Christi Geburt, ist man auf eine neue, bessere und bequemere Art gekommen, Werkzeuge zu machen: Man hat das Metall entdeckt. Natürlich nicht alle Metalle auf einmal. Zuerst die grünen Steine, die zu Kupfer werden, wenn man sie im Feuer schmilzt. Das Kupfer glänzt schön, und man kann daraus Pfeilspitzen oder Äxte schmieden, aber es ist sehr weich und stumpft schneller ab als ein harter Stein.

Die Menschen haben sich auch da zu helfen gewusst. Sie sind drauf gekommen, dass man nur ein zweites, sehr seltenes Metall dazumischen muss, um das Kupfer härter zu machen. Dieses Metall ist das Zinn, und das Gemenge aus Kupfer und Zinn heißt Bronze. Die Zeit, in der die Menschen ihre Helme und Schwerter, ihre Äxte und Kessel, aber auch ihre Armringe und Halsketten aus Bronze gemacht haben, nennt man natürlich »Bronzezeit«.

Jetzt schau dir die Leute noch an, wie sie in ihren Einbaumschiffen zu den Pfahldörfern rudern, in Felle gekleidet. Sie bringen Getreide...