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Die Geister, die mich riefen - Deutschlands bekanntester Spukforscher erzählt

Peter Wagner, Walter von Lucadou

 

Verlag Verlagsgruppe Lübbe GmbH & Co. KG, 2012

ISBN 9783838715247 , 208 Seiten

Format ePUB

Kopierschutz Wasserzeichen

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7,99 EUR

Für Firmen: Nutzung über Internet und Intranet (ab 2 Exemplaren) freigegeben

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1. Kapitel:

Beratungsalltag, und gleich spukt’s

Der Sommer neigt sich dem Ende zu, als ich an diesem Montagmorgen mein Büro in der Parapsychologischen Beratungsstelle in der Hildastraße in Freiburg betrete. Die ersten Laubbäume verlieren ihre Blätter. Es ist halb neun, ich bin der Erste im Haus. Meine Mitarbeiterin Franziska Wald – sie ist Psychologin2 und meine Stellvertreterin – hat die Post aus den vergangenen zwei Wochen gesammelt; die Briefe stapeln sich auf meinem Schreibtisch. Daneben blinkt der Anrufbeantworter fast schon vorwurfsvoll.

Ich atme tief durch. Immer wenn ich im Urlaub war, plagt mich ein schlechtes Gewissen. Ich bin einer der wenigen aktiven professionellen Parapsychologen in Deutschland. Für viele bin ich so etwas wie ein Not-Anker. Wer nicht mehr weiß, wem er von seinen unglaublichen Erlebnissen berichten soll, der wendet sich an mich. An wen soll man sich wenden, wenn hier niemand ans Telefon geht? Wer nimmt die Menschen ernst, die von Unglaublichem berichten? Und was heißt eigentlich »ernst nehmen«?

Aber davon später.

Ich gehe in die Küche und setze Wasser auf, gehe zurück ins Büro, öffne ein Fenster, fahre den PC hoch und öffne unterdessen den ersten Brief. In der Küche kocht bald das Wasser, aber schon die ersten Zeilen nehmen mich gefangen:

 

Sehr geehrter Herr von Lucadou,

wir leben seit zwei Jahren in einem alten Stallgebäude, welches in ein Wohnhaus umgebaut wurde. Unsere kleine Tochter ist jetzt drei Jahre alt.

Anfangs empfanden wir das Haus als gemütlich und sonnig. Wir haben uns einigermaßen wohlgefühlt, jedoch nahmen die nächtlichen Schreiattacken unserer Tochter zu. Sie hatte ein eigenes Zimmer, stand nachts auf ihren wackeligen Beinen und schlug um sich. Vier Monate nach unserem Einzug kam es für mich und meinen Mann zu einem furchterregenden Ereignis, welches ich bis heute nicht vergessen kann. Wir schliefen tief und fest. Es muss circa halb zwei Uhr nachts gewesen sein, als mir eine tiefe Männerstimme laut ins Ohr schrie. Es waren nur zwei Buchstaben: »HE!!!«

Ich bekam einen solchen Schrecken, dass ich auch heute noch nur mit der Decke über dem Kopf einschlafen kann. Seit diesem Ereignis häuften sich kuriose Dinge, die ich nun nur aufzähle, ohne sie weiter zu kommentieren:

Einmal, während wir zu dritt frühstückten, sah ich, wie ein alter Mann durch den Flur an unserem Tisch vorbeilief und in der Wand verschwand.

Eine Zeit lang ging das batteriebetriebene Spielzeug unserer Tochter nachts und auch bei Tag immer wieder an.

Drei Monate nachdem die fremde Stimme mir so laut ins Ohr geschrien hatte, passierte meinem Mann dasselbe. Allerdings war es da erst 22 Uhr. Er war vor mir schlafen gegangen und wartete bei eingeschaltetem Licht auf mich.

Im Herbst vergangenen Jahres lief schnellen Schrittes ein klar und deutlich zu sehender junger Mann vor mir durch die Räume und verschwand im Kinderzimmer. Er war von sehr kräftiger Gestalt und trug einen Blaumann, darunter einen Wollpullover, auf dem Kopf eine Mütze.

Den beschriebenen jungen Mann hat mein Mann schon häufiger als nicht klar zu erkennende Gestalt auf meiner Bettseite liegen sehen.

Als unsere Tochter zu reden anfing, sagte sie immer: »Da ist ein junger Mann.« Oder sie erzählte von ihrem längst verstorbenen Opa, ohne dass wir ihr überhaupt zuvor von ihm erzählt hätten.

Ich habe in unserem Haus mehrmals, auch bei Tag, um die Mittagszeit, Frauenstimmen wahrgenommen. Ich habe sie auch nachts deutlich gehört. Wenn ich von dem wirren, aber klaren Gerede aufwachte, sagten die Stimmen: »Pssst, sie wacht auf.«

Um die Weihnachtszeit habe ich des Öfteren in der großen Wohnstube neben dem Weihnachtsbaum auf der Couch geschlafen. Einmal wurde ich wach. Neben mir auf der anderen Couch saß ein Mann. Es war eine sympathische Erscheinung. Aber ich hatte das Gefühl, er belächelte mich, weil ich so Angst hatte. Ich schlief wieder ein.

Die Lichter werden bei uns mit Vorliebe manchmal ein- und ausgeschaltet, ohne dass wir etwas dazutun. Türen, die vorher geöffnet waren, sind plötzlich verschlossen.

Mein Mann sah eine große, stämmige Gestalt hinter unserer Tochter laufen. Mir wurde unbehaglich, als unsere Maus sich dann auch noch umdrehte und sagte: »Da ist einer bei mich, Mama.«

Ich erzählte unserer Vermieterin von den Vorfällen, weil ich mir erhoffte, zu erfahren, ob Vormieter auch solche Erlebnisse hatten. Sie war sichtlich schockiert und meinte, in dem Haus hätten jahrelang dieselben Leute gewohnt, und die seien auch nur ausgezogen, weil sie selbst bauen wollten.

Ich möchte nicht unerwähnt lassen, dass die älteste Tochter meines Mannes – sie ist schon 33 Jahre alt – zu Weihnachten bei uns schlief. Sie sagte danach, sie würde nie wieder bei uns schlafen, da sie, als sie nachts zur Toilette ging, neben dem Tannenbaum eine Gestalt sah. Es erging ihr dabei genau wie meiner Mutter, die mir versicherte, sie würde nie wieder nach Einbruch der Dunkelheit auf unsere kleine Tochter aufpassen, da sie trotz eines Tinnitus auf einem Ohr Geräusche und Schritte im Haus hörte.

Mein Mann und ich gehen mittlerweile routinierter mit der Angelegenheit um. Wir sind vor zwei Wochen in unsere Ferienwohnung gezogen. Unser Haus ist in der Zwischenzeit an von uns betreute Jugendliche vermietet – mein Mann ist Sozialpädagoge, und ich bin Erzieherin. Wir haben den Jugendlichen nichts von den Erlebnissen erzählt, und sie berichten auch nichts von sonderbaren Erlebnissen, die unseren ähneln würden.

In unserer jetzigen kleinen Ferienwohnung kann ich wieder ohne die schon erwähnte Decke über dem Kopf schlafen. Die Kleine schläft seit unserem Einzug wieder selig in ihrem Zimmer durch. Jedoch ist meinem Mann nun im Traum eine alte Frau erschienen, die ihn einlud, um Mitternacht, bei Vollmond an einer bestimmten Treppe bei uns im Dorf zu stehen. Sie sagte ihm, dort würden viele stehen und die Aussicht genießen.

Mir kommt das alles nicht sehr geheuer vor, aber mein Mann will beim nächsten Vollmond hingehen, um der alten Dame den Wunsch zu erfüllen.

Was sagen Sie dazu?

Halten Sie meine Erzählungen bitte nicht für Hirngespinste. Warum haben wir diese Erlebnisse und andere nicht? Ist der große Mann hinter meiner Tochter ein Schutzengel? Oder sollten wir irgendetwas unternehmen? Warum wird uns so ins Ohr geschrien? Und warum haben wir immer das Gefühl gehabt, wir sollten geärgert werden?

Ich würde mich freuen, wenn es Ihre Zeit erlaubte, sich vielleicht in schriftlicher Form oder auch telefonisch mit uns in Verbindung zu setzen. Können Sie uns weiterhelfen?

Gerade als ich den letzten Satz lese, klingelt es an der Tür. Frau Wald ist da.

»Sie sind wieder zurück!«, sagt sie.

Ich bin noch gefangen von der Lektüre des ersten Briefes und grüße mit Verzögerung.

»War der Urlaub schön? Soll ich Ihnen einen Tee machen?«, fragt sie.

»Ach ja, der Tee«, sage ich. »Ich habe schon Wasser aufgesetzt und dann gleich angefangen, die Post durchzugehen. Wären Sie so nett?«

Sie nickt und verschwindet in der Küche.

Ich gehe zurück ins Arbeitszimmer und mache mir eine Notiz zu dem Brief der Frau: »Hypnagoger Zustand« und »Gestaltwahrnehmung«.

Viele Besucher finden mein Büro wegen der altmodischen Möbel eine Spur zu dunkel. Der Baum vor dem Fenster tut ein Übriges, dem Raum das Licht zu nehmen. Er wirkt wie eine Wissenschaftlerklause, in der man in aller Ruhe nachdenken kann. Der Eindruck einer abgeschiedenen Welt mitten in Freiburg wird noch verstärkt durch den dicken Vorhang im Windfang, gleich am Eingang im Hochparterre. Ein Besucher hat von einer »Spukhöhle« gesprochen, was ich aber übertrieben finde. In meinem Büro geht es ganz alltäglich zu, und mit der Ruhe eines Wissenschaftlers ist es hier nicht weit her. Normalerweise klingelt andauernd das Telefon. Nur jetzt ist es noch still. Der Anrufbeantworter blinkt. Ich lasse ihn noch blinken. Erst will ich die Post durchsehen.

Einer der Briefe scheint die Reaktion auf ein Gespräch zu sein, das ich einige Wochen vor meinem Urlaub mit einem jungen Mann führte, der mich um Rat gefragt hatte. Er sprach davon, dass es in seinem Haus spuke. Ich bat ihn daraufhin, alle vergangenen und alle neu auftretenden Ereignisse aufzuschreiben. Nun hat er mir seine Aufzeichnungen geschickt:

 

Von meiner Fernsehcouch aus kann ich seitlich durch die Tür in einen offenen Flur sehen. Jeden Tag sehe ich dort einen schemenhaften Schatten, der sich plötzlich bildet und bei direktem Hinsehen weghuscht. Manchmal nach links, manchmal nach rechts. Das Phänomen tritt nie bei direkter Beobachtung des Ganges auf, sondern taucht sozusagen in den Augenwinkeln auf. Sämtliche äußeren Störungen wie Autoscheinwerfer, Lampen und so weiter habe ich gründlich ausgeschlossen beziehungsweise untersucht.

Ich notiere am Rande des Briefes wieder den Begriff »Gestaltwahrnehmung«. Dann lese ich weiter:

 

Eines Morgens ging mein Computer nicht mehr. Noch am Vorabend hatte ich ihn benutzt, aber jetzt ging nichts mehr. Ich rief einen Techniker, der zu unser beider Erstaunen gut einen Viertelliter Wasser in der Tastatur fand. Die Papierbögen neben der Tastatur waren aber seltsamerweise komplett trocken geblieben. Wie war die Flüssigkeit dort reingekommen? Im Wohnzimmer lag an jenem Morgen der Aschenbecher vom Fernsehtisch zerbrochen auf dem Boden. Es war seltsam – niemand war in der Nacht im Haus gewesen.

Gelegentlich hörte ich in der Küche schlurfende Schritte aus dem Schlafzimmer darüber – obwohl ich allein im Haus lebe. Seit einigen Monaten...