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Die Schattenkämpferin - Das Erbe der Drachen

Licia Troisi

 

Verlag Heyne, 2009

ISBN 9783641033897 , 544 Seiten

Format ePUB

Kopierschutz Wasserzeichen

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7,99 EUR

  • Die Schattenkämpferin - Der Fluch der Assassinen - Roman
    Die Schattenkämpferin - Das Siegel des Todes - Roman
    Die Gefährtin - Die Tochter des Magiers
    Grenzlande 1 - Die Verpflichtung
    Die Diebin - Die Tochter des Magiers
    Der letzte Elf
    Die Gilde der Schwarzen Magier - Die Rebellin - Schicksalhalfte Fantasy mit starker Heldin
    Die Gilde der Schwarzen Magier - Die Novizin
 

 

1
Die Einbrecherin
Gähnend blickte Mel zum Sternenhimmel auf, und ein dichtes Atemwölkchen bildete sich vor seinem Mund. Obwohl erst Oktober, war es schon unangenehm kalt. Der Mann zog seinen Umhang enger über der Brust zusammen. Warum musste ausgerechnet er hier draußen diese verfluchte Nachtwache halten? Und das auch noch in den schlechten Zeiten, die sein Herr durchmachte. So ein Pech. Früher waren es immer mehrere gewesen, die im Garten patrouillierten. Mit den Männern im Haus waren es mindestens ein Dutzend Wächter gewesen. Nun jedoch waren sie nur noch zu dritt. Er selbst im Garten, Dan und Sarissa vor dem Schlafgemach. Die zweite Sparmaßnahme hatte darin bestanden, sie schlechter auszurüsten.
»Damit ich nicht gezwungen bin, euch den Lohn zu kürzen«, hatte ihr Herr, der Rat Amanta, erklärt.
Es dauerte nicht lange, und Mel fand sich nur noch mit einem kurzen Schwert bewaffnet wieder, dazu trug er einen zerschlissenen ledernen Brustharnisch und den leichten Umhang, in dem er jetzt so fror.
Mel seufzte. Da war es ihm früher als Söldner noch besser gegangen.
Die Friedenszeiten waren schon lange vorbei. Dohor, der König im Land der Sonne, hatte bereits das Land der Tage und das Land der Nacht unterworfen, und der Krieg im Land des Feuers gegen den Gnomen Ido schien wirklich nur ein Geplänkel zu werden. Diese wenigen Hungerleider gegen die stärkste Arme der Aufgetauchten Welt: Das sollte ein Kinderspiel werden.
Gewiss, vor seinem Verrat war Ido Oberster General gewesen und davor noch ein großer Held im Krieg gegen den Tyrannen, aber diese Zeiten waren längst vorbei. Er war ein Greis, und Dohor selbst Oberster General und nicht nur König.
Tatsächlich aber wurde es ein harter, erbitterter Kampf. Ein langer Krieg. Diesen verfluchten Gnomen war nicht beizukommen. Ihre Taktik bestand darin, Fallen zu stellen und aus dem Hinterhalt anzugreifen, und statt eines offenen Kampfes hieß es bald nur noch: herumschleichen, sich verstecken, sich bei jedem Schritt argwöhnisch umschauen. Ein Albtraum, der zwölf Jahre währte – und für Mel kein gutes Ende nahm: wieder mal ein Hinterhalt. Und dann ein entsetzlicher Schmerz in einem Bein.
Er hatte sich nie davon erholt und das Soldatenleben aufgeben müssen. Das war eine schlimme Zeit. Er verstand sich nur auf das Kämpfen. Was sollte er nun tun?
Als er dann diese Stelle als Wächter bei Amanta fand, schien ihm das zunächst eine ehrenvolle Lösung zu sein.
Da wusste er aber noch nicht, welche Langeweile ihn erwartete, eintönige Tage und eine Nacht wie die andere. In den acht Jahren, die er nun schon bei Amanta in Diensten stand, war nie etwas Besonderes vorgefallen. Und doch wurde Amanta immer noch von diesem Sicherheitswahn beherrscht. Sein Haus, voller vielleicht kostbarer, aber gänzlich nutzloser Dinge, ließ er strenger bewachen als ein Museum.
Mel ging an der Rückseite des Hauses entlang. Man brauchte eine Ewigkeit, um dieses Anwesen mit der viel zu großen Villa zu umrunden, die Amanta sich hatte bauen lassen. Und nun war er völlig verschuldet wegen dieses Gemäuers, das ihn bloß an die besseren Zeiten erinnerte, als er noch ein wohlhabender Edelmann war.
Mel blieb stehen und gähnte noch einmal laut vor sich hin. Da geschah es. Völlig überraschend. Ein gezielter Schlag auf den Kopf. Dann Finsternis.
Der Schatten hatte den Garten für sich, blickte sich um, huschte dann zu einem niedrigen Fenster. Seine leichten Schritte bewegten noch nicht einmal das Gras.
Er öffnete das Fenster und kletterte hurtig hinein.
 
An diesem Abend war Lu besonders müde. Den ganzen Tag über hatte die Herrin sie schon auf Trab gehalten, und nun auch noch dieser absurde Auftrag. Das alte Tafelsilber auf Hochglanz zu bringen. Wozu sollte das gut sein …?
»Falls uns jemand besuchen kommt, dumme Gans!«
Aber wer denn? Der Hausherr war in Ungnade gefallen, und die feinen Damen aus den besseren Kreisen waren daraufhin dem Haus ferngeblieben. Allen stand noch klar vor Augen, was damals, vor fast zwanzig Jahren, mit den Adligen im Land der Sonne geschehen war, die versucht hatten, sich gegen Dohor zu erheben, und ein Komplott gegen ihn geschmiedet hatten. Obwohl rechtmäßig König – er hatte Königin Sulana geheiratet -, wollten sie ihn loswerden. Denn Dohor wurde immer mächtiger, und sein Ehrgeiz schien grenzenlos. Das Komplott war gescheitert, und Amanta war nur um Haaresbreite unversehrt aus der Sache herausgekommen. Er hatte sich seinem König unterworfen und war vor ihm zu Kreuze gekrochen.
Lu schüttelte den Kopf. Sinnlose, müßige Gedanken, die zu nichts führten.
Ein Rascheln.
Sanft.
Wie ein Hauch.
Das Mädchen drehte sich um. Das Haus war groß, viel zu groß, und voller unheimlicher Geräusche.
»Wer ist da?«, rief sie ängstlich.
Der Schatten verbarg sich im Dunkeln.
»Kommt raus«, rief Lu noch einmal.
Keine Antwort. Der Schatten atmete ruhig und leise.
Lu rannte zu Sarissa ins Obergeschoss hinauf, so wie häufig, wenn sie abends allein aufbleiben musste. Sie fürchtete sich vor der Dunkelheit, und außerdem gefiel ihr Sarissa. Er war nicht viel älter als sie und hatte ein schönes, tröstendes Lächeln.
Lautlos folgte ihr der Schatten.
Halb schlummernd auf seine Lanze gestützt, hielt Sarissa Wache vor dem Schlafgemach seines Herrn.
»Sarissa …«
Der Junge schrak auf.
»Lu?«
»Ja.«
»Ach, Lu … nicht schon wieder …«
»Diesmal bin ich mir aber ganz sicher … Da war jemand.«
Entnervt stieß Sarissa die Luft aus.
»Komm doch, nur ganz kurz … bitte …«, ließ Lu nicht locker.
Sarissa nickte, zögernd.
»Gut, aber beeilen wir uns.«
 
Der Schatten wartete, bis die junge Wache die Treppe hinunter verschwunden war, und schlich dann zur Tür. Das Zimmer war noch nicht einmal abgeschlossen. Er schlüpfte hinein. In der Mitte des Raums, vom Mondschein schwach erhellt, stand ein Bett, aus dem ein sanftes Schnarchen drang, nur hin und wieder unterbrochen von einem seltsamen Röcheln und Stöhnen. Vielleicht träumte Amanta von seinen Gläubigern oder von solch einem Schatten, der angeschlichen kam, um ihm die letzten Kostbarkeiten zu nehmen, die ihm verblieben waren. Alles war wie erwartet. Die Hausherrin schlief, von ihrem Gatten getrennt, in einem Nebenraum. Dort war die Tür.
Der Schatten schlüpfte hinein. Die Schlafgemächer waren identisch, doch hier drang vom Bett kein Atemzug zu ihm. Eine echte Dame, Amantas Gattin.
Mit lautlosen, sicheren Schritten bewegte er sich zu der Stelle, die er im Sinn hatte, und öffnete die Kassette: kleine Brokat- und Samthüllen. Er musste noch nicht einmal hineinsehen, denn er wusste genau, was sie enthielten. Er nahm sie an sich und steckte sie in den Brotbeutel, den er umhängen hatte. Der Schatten warf noch einen Blick auf die Frau im Bett, schlang dann seinen Umhang fester um den Körper, öffnete das Fenster und verschwand.
 
Makrat, die Hauptstadt des Landes der Sonne, breitete sich wuchernd aus, was vor allem nachts gut erkennbar war, wenn die Lichter der Schenken und Wohnhäuser ihre Silhouette in das Dunkel zeichneten. Im Zentrum standen die protzigen Adelspaläste, in den Außenbezirken die kleinen Wirtshäuser, schlichten Häuschen und Baracken.
Die Kapuze tief ins Gesicht gezogen, lief die Gestalt dicht an den Häuserwänden entlang, lautlos und unerkannt durch die menschenleeren Gassen. Noch nicht einmal zu dieser Stunde, da überall die Arbeit ruhte, hallten ihre Schritte vom Pflaster wider.
Sie lief bis zum Stadtrand, zu einem abseits gelegenen Gasthaus, wo sie in diesen Tagen untergekommen war. Ein letztes Mal würde sie dort schlafen. Sie durfte sich nicht ausruhen, musste ständig ihren Aufenthaltsort wechseln, ihre Spuren verwischen. Bis in alle Ewigkeit wie ein gehetztes Tier.
Langsam stieg sie zu ihrer Kammer hinauf, in der nur ein spartanisches Bett und eine Truhe aus dunklem Holz standen. Draußen vor dem Fenster leuchtete ein greller, klarer Mond am Himmel.
Sie warf ihre Tasche auf das Bett und legte den Umhang ab. Eine Kaskade glänzender, kastanienbrauner Haare, zu einem Pferdeschwanz zusammengefasst, ergoss sich über ihren Rücken. Sie zündete eine Kerze an, die auf der Truhe stand, und der matte Schein erhellte ein erschöpftes Gesicht mit kindlichen Zügen.
Ein junges Mädchen.
Nicht älter als siebzehn, mit ernstem, blassem Gesicht, dunklen Augen und olivenfarbenem Teint.
Ihr Name war Dubhe.
Sie begann ihre Waffen abzulegen. Dolch, Wurfmesser, ein Blasrohr, Köcher und Pfeile. Im Grunde konnte eine Einbrecherin nicht viel damit anfangen, aber sie hatte sie immer dabei.
Sie legte das Wams ab und warf sich in ihrer üblichen Kleidung, Oberteil und Hose, auf das Bett, lag dann reglos da und blickte hinauf zu den feuchten Flecken an der Decke, die im...