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In den Armen des Kriegers - Roman

Hannah Howell

 

Verlag Heyne, 2009

ISBN 9783641032760 , 400 Seiten

Format ePUB

Kopierschutz Wasserzeichen

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5,99 EUR


 

Erstes Kapitel
Schottland, 1455
 
»Gekommen, um Euch zu belustigen?«
»Wie bitte?« Tessa schrak zusammen. Es dauerte einen Moment, bis sich ihr rasendes Herz beruhigte. Die tiefe, volle Stimme des Mannes hatte sie fast zu Tode erschreckt. Als sie vor ein paar Stunden durch das Verlies ihres Onkels gekommen war, waren die Zellen noch leer gewesen. Sie hielt die Kerze etwas weiter von sich entfernt, um mehr Licht in die schattigen Nischen des Verlieses scheinen zu lassen, und tastete sich langsam an die Zelle heran, aus der die Stimme gekommen war.
Sie sperrte den Mund auf. Vor ihr hing der schönste Mann, den sie je gesehen hatte, angekettet an der Wand. Das konnten nicht einmal die Schürfwunden, das verkrustete Blut und der Dreck verbergen. Dann stutzte sie. Der blonde Hüne, der sie da herausfordernd anfunkelte, kam ihr irgendwie bekannt vor.
»Wann seid Ihr hierhergekommen?«, fragte sie.
Revan nahm sie in Augenschein. Das fein geschnittene kleine Gesicht, das sich da an die Gitterstäbe presste, war ein anderes als erwartet. Ebenso die großen dunklen Augen, die ihm überrascht entgegenblickten. Er fragte sich, welche Teufelei Fergus Thurkettle jetzt schon wieder ausgeheckt hatte. Doch fürs Erste würde er mitspielen. »Ich bin vor ungefähr zwei Stunden hier vorbeispaziert.«
»Und da habt Ihr Euch gedacht, Ihr könntet ein kleines Nickerchen zwischen den Eisenketten einlegen?«
»Sie sind sauberer als die Pritsche da drüben.«
Tessa warf einen Blick auf die von Ratten zerfressene Pritsche und musste ihm insgeheim zustimmen. Was führte ihr Onkel nun schon wieder im Schilde? Fergus Thurkettle sah sich als Gebieter über das gesamte Umland. Was Tessa betraf, war sein Machtgehabe reichlich übertrieben. Mittlerweile konnte man es nicht mehr als Spleen bezeichnen, es war zu einer beängstigenden Besessenheit geworden.
»Das würdet Ihr nicht sagen, wenn Ihr wüsstet, was letzte Woche noch dort gehangen hat«, bemerkte sie leichthin.
»Ach ja? Was denn?«
»Ach, so ein hageres Männlein, das anscheinend noch nie von Wasser und Seife gehört hatte.«
»Und was ist aus ihm geworden?«
»Ja, das ist merkwürdig. Ich weiß es nicht.« Tessa hegte ein paar dunkle Vermutungen bezüglich seines Verbleibs, doch die behielt sie lieber für sich. »Ich traf ihn hier, als er sich die Augen aus dem Kopf heulte. Soweit mir bekannt war, hatte er nichts verbrochen. Also wollte ich ihn freilassen, aber dazu musste ich mir erst die Schlüssel besorgen. Und als ich zurückkam, war er fort.«
»So schnell?«
»N-na ja, ganz so schnell ging es nicht. Es dauerte zwei Tage. Ich konnte die Schlüssel nicht einfach nehmen, das wäre aufgefallen. Also habe ich mit Iain, dem Schmied, geredet. Es war nicht einfach, ihn zu überzeugen, aber letztlich konnte ich ihn überreden, mir Ersatzschlüssel anzufertigen. Bis ich die Schlüssel hatte, war das hagere Männlein verschwunden.«
»Was meint Ihr, was aus ihm geworden ist?«
»Ich weiß es nicht. Ich weiß auch nicht, warum er hier war oder warum er plötzlich verschwand. Und aus welchem Grund seid Ihr hier?«
»Ach, es scheint, ich habe mich über meinen Stand erhoben.«
Aus seiner wohlklingenden Stimme klang Verbitterung, doch Tessa verstand ihn nicht ganz. Ihr Onkel mochte ein jähzorniger Mann sein, doch für eine derartige Nichtigkeit hatte er noch niemanden eingelocht. Dann kam Tessa ein Gedanke, der ihr gar nicht gefiel.
»Ach, dann seid Ihr um Brenda herumschlawenzelt?«
»Herumschlawenzelt? Ich habe ihr den Hof gemacht.« Mehr oder minder, dachte er bei sich, doch das würde er vor diesem Gör nicht zugeben. Ein bisschen Spionage, verbunden mit einem Techtelmechtel mit der verführerischen Brenda Thurkettle.
»Und aus diesem Grund hängt Ihr jetzt hier?« Von Zeit zu Zeit hatte Tessa ähnliche Bestrafungen für Männer in Erwägung gezogen, die sich um Brenda Thurkettle bemühten.
»Ja.« Es war eine Halbwahrheit, doch sein schlechtes Gewissen hielt sich in Grenzen. Dann fragte er sich, warum es sich überhaupt meldete. Ein Verrückter hatte ihn an die Wand gekettet, und jetzt musste er sich von einem neugierigen Mädchen beäugen lassen. Es bestand kaum Zweifel daran, dass Thurkettle ihn ermorden wollte. Er sollte überhaupt keine Schuldgefühle empfinden, wenn er Lügen erzählte, um sich aus dieser Notlage zu befreien. Dennoch regte sich sein Gewissen beim Blick in diese dunklen Augen. Er musste sich zusammenreißen.
»Nun, das ist ein alberner Grund dafür, einen Mann wie einen ausgeweideten Hirschen aufzuhängen«, erwiderte Tessa. Offensichtlich hatte ihr Onkel das bisschen Verstand eingebüßt, das ihm noch geblieben war. »Kein Mann sollte für schlechten Geschmack und fehlendes Urteilsvermögen in Ketten gelegt werden, auch wenn er einer Frau wie Brenda nachstellt«, murmelte sie und kramte in ihren Taschen nach den Schlüsseln.
Fast hätte Revan gelacht. Die blauäugige Brenda Thurkettle hatte rotes wallendes Haar und Kurven, die jeden Mann betörten, der noch Blut in den Adern hatte. Niemand würde das Urteilsvermögen eines Mannes infrage stellen, der einer Frau wie ihr nachstellte. Außer, dachte er und musste grinsen, eine andere Frau. Oder, kam es ihm gleich darauf in den Sinn, jemand, der den Charakter hinter der hübschen Fassade kannte. Langsam fragte sich Revan, mit wem er da gerade sprach.
»Habt Ihr vor, mich zu befreien?«
»Nun … war das auch sicher Euer einziges Vergehen? Der hochwohlgeborenen Brenda den Hof zu machen?«
»Das war alles und nicht mehr. Erwartet Ihr etwa ein schreckliches Verbrechen wie Raub oder Mord?«
Sie zuckte die Schultern und zog die Schlüssel aus der Tasche von ihrem Wams. »Hier kann es manchmal ziemlich eintönig sein.«
Sein Blick war auf die Schlüssel gebannt. »Ihr lebt hier?«
Es überraschte sie nicht allzu sehr, dass er sie nicht kannte, aber sie war es langsam leid, ständig übersehen zu werden. »Ja, ich bin Tessa, die Nichte. Ich lebe seit fast fünf Jahren hier.« Sie betrachtete ihn nachdenklich. »Jetzt erinnere ich mich an Euch. Ich habe Euch mit unserer liebreizenden Brenda herumspazieren sehen, Ihr seid mit ihr ausgeritten. Ganz entzückende Pferde. Und war das ein neuer Gehrock?«
»Ja, das war es. Also was ist?« Er rüttelte sachte an den Fuß- und Handketten.
»Nur die Ruhe, ich denke nach.« Sie rieb sich das Kinn. »Ihr seid der Diener von dem fetten Gutsherrn Angus McLairn. Nun, das würde Onkel ganz und gar nicht gefallen. Würde Euch McLairns Burg hingegen gehören -«
»Wollt Ihr mich nun freilassen oder nicht?«
»Nun regt Euch nicht auf.« Sie stellte ihre Kerze auf den Boden und schloss die Tür der Zelle auf. »Bitte.« Sie stellte die Kerze auf dem wackeligen Tisch neben der Pritsche ab. »Ihr wurdet nicht in flagranti mit ihrer Hoheit Brenda erwischt, oder?« Tessa war sich nicht sicher, ob sie einen Mann befreien sollte, den eine erzwungene Heirat erwartete, selbst wenn Brenda ihre Gunst fast jedem Mann im Umkreis von Meilen schenkte.
»Bei was?«
»Ihr wisst, was ich meine – Tändelei, Schäkerei, Geplänkel im Heu. In solche Affären möchte ich mich nicht einmischen.«
»Es war nichts dergleichen, ich schwöre es. Wie kommt Ihr eigentlich auf solche Gedanken?« Langsam beschlich ihn die Ahnung, dass er Brenda falsch eingeschätzt und eine günstige Gelegenheit verpasst haben könnte.
»Dieses verflixte Biest muss doch irgendwann erwischt werden. Man kann es nicht so oft tun wie sie und immer wieder davonkommen. Soll ich zuerst Hände oder Füße befreien?«
»Füße«, brummte er. Als sie sich über seine Füße beugte, um die Ketten zu lösen, zog er die Stirn in Falten. »Ihr tragt Burschenkleidung.«
»Was habt Ihr nur für scharfe Augen, Sir Halyard«, murmelte sie. Sie befreite seine Beine, dann richtete sie sich auf, um die Ketten an den Händen zu lösen. »Zur Hölle, falscher Schlüssel.« Sie trat zurück ins Licht, um ihren Bund zu inspizieren.
»Moment mal. Wie zum Teufel seid Ihr eigentlich hier hereingekommen? Gerade fällt mir auf, dass ich Euch nicht die Treppen herunterkommen hörte. Ihr wart plötzlich da.«
»Es gibt einen Geheimgang nach draußen. Mein Onkel ließ ihn anlegen, damit die Familie zur Not ungesehen entkommen kann. Ah! Da ist er ja.« Sie hatte den richtigen Schlüssel gefunden und schloss seine Handfesseln auf.
Als er frei war, setzte sich Revan langsam hin und rieb sich die Handgelenke, um das Blut wieder zum Laufen zu bringen. Während er das tat, fasste er seine Retterin unauffällig ins Auge. Sie war ein zartes, kleines Ding, und das schlackernde Wams und die Hose betonte noch ihre Schlankheit. Auf den ersten Blick hätte er sie sehr jung geschätzt, doch ihre raue Stimme verriet ihm, dass dieser Eindruck täuschte.
»Mein Schwert, Hut und Mantel haben sie drüben an die Wand gehängt.«
Tessa holte sie und fragte: »Tragt Ihr immer ein Schwert bei Euch, wenn Ihr einer Dame den Hof macht?«
»Ich wollte mit Brenda ausreiten. Ich dachte, ich würde es vielleicht brauchen.« Seine Stiefel standen neben der feuchten Steinmauer, er griff danach und zog sie an.
Sie hielt ihm seine Sachen hin und sah zu, wie er sich langsam aufrichtete. Er war groß, hochgewachsen, breitschultrig und schlank. Ein schöner Mann. Innerlich seufzte sie. Er wäre der Traum jeder Frau, aber ganz bestimmt war er den Brendas dieser Welt vorbehalten. Als sie zusah, wie er sein...