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Blut und Knochen - Thriller

Stuart MacBride

 

Verlag Goldmann, 2009

ISBN 9783641027810 , 544 Seiten

Format ePUB

Kopierschutz Wasserzeichen

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8,99 EUR


 

2
Insch war in der Süßwarenabteilung, umgeben von Gastronomie-Großpackungen mit Schoko-Crunchies, Karamellbonbons, Lakritzmischung undWeingummi, die er lüstern beäugte, während er telefonierte. »Ja, ich bin sicher.« Der Inspector lauschte einen Moment und kaute dabei auf seinem Daumen herum. »Nein … nein … ich will, dass der Kerl einkassiert wird, sobald er auch nur einen Fuß vor seine Haustür setzt... Was? … Ist mir egal, weswegen Sie ihn verhaften – verhaften Sie ihn einfach, verflucht noch mal! … Nein, ich habe keinen Haftbefehl …«
Inschs Gesichtsfarbe begann die vertraute Palette von gesundem Schweinchenrosa hin zu hektischem Scharlachrot zu durchwandern. »Weil ichs Ihnen verdammt noch mal sage, deshalb!« Er klappte sein Handy zu und starrte es wütend an.
Logan räusperte sich, und das grimmige Funkeln richtete sich auf ihn. »Tut mir leid, wenn ich Sie störe, Sir, aber Iso… Dr. MacAlister hat mindestens ein Leichenteil im Tiefkühlraum gefunden, und dazu rund vierzig verdächtige Stücke.«
Die Miene des Inspectors hellte sich auf. »Wurde aber auch Zeit.«
»Das einzige Problem ist, dass es sich teilweise um Würfelfleisch in Gastronomiepackungen handelt. Sie sagt, sie müssten jedes einzelne Stück auftauen und einen DNS-Test durchführen, sonst könnte man unmöglich sagen, ob sich in einer Packung Stücke von einer, zwei oder einem Dutzend Personen befinden.« Einmal tief durchgeatmet. »Es wird mindestens zwei Wochen dauern.«
Und schon schlug Inschs Farbe von hektischem Scharlachrot in Tobsuchtsviolett um. »WAS?«
»Sie … Das hat sie nun mal gesagt, okay?« Logan wich mit erhobenen Händen zurück.
Insch knirschte mit den Zähnen und schäumte eine Weile vor sich hin. Und dann: »Sagen Sie ihr, ich will diese Leichenteile analysiert haben, und zwar auf der Stelle. Es ist mir gleich, wen sie dafür alles um einen Gefallen bitten muss – die Sache hat allerhöchste Priorität.«
»Ähm … würde es nicht vielleicht besser wirken, wenn es von Ihnen persönlich käme, Sir? Ich -« Ein Blick von Insch genügte, um Logan verstummen zu lassen. »Okay, gut, ich sags ihr.« Isobel würde ihn umbringen. Falls der Inspector ihr nicht zuvorkam. Der Dicke sah aus wie eine Bombe kurz vor der Explosion.
Logan unternahm einen tapferen Versuch, ihn zu entschärfen. »Laut den Papieren des Großmarkts stammt das Fleisch in dem Container von einer Metzgerei in der Holburn Street: McFarlanes.«
»McFarlanes?« Ein fieses Grinsen zerrte an Inschs Zügen.
Logan zog den Lieferschein aus der Tasche. »Zwei Rinderlenden, ein halbes Dutzend Schinken, eine Packung Kalbfleisch …«
Doch der Inspector stiefelte schon in Richtung Ausgang, während uniformierte Constables und Spurensicherer hastig die Bahn frei machten. »Ich will einen Durchsuchungsbeschluss für diese Metzgerei. Schicken Sie die ganze Truppe dorthin, sobald der Wisch durch ist.«
»Was? Aber wir sind hier doch noch gar nicht fertig!«
»Die Leichenteile stammen von McFarlanes.«
»Aber das wissen wir doch gar nicht. Es ist nicht gerade schwierig, in so einen Laden einzubrechen. Jeder könnte -«
»Und ich will einen Haftbefehl für Kenneth Wiseman.«
»Wer zum Teufel ist -«
»Und sagen Sie unseren Pressefuzzis, dass sie ihren Hintern in Bewegung setzen sollen: Pressekonferenz um Punkt zwölf Uhr.«
 
Anderthalb Stunden später saßen Logan und Insch in einem Einsatzwagen vor McFarlanes Metzgerei – »GOOD EATS, GOOD MEATS«, wie das Schild über dem großen dunklen Schaufenster verkündete.
Die Holburn Street war so gut wie menschenleer; einsame Verkehrsampeln sprangen von Rot auf Grün und wieder zurück, ohne dass irgendjemand ihnen dabei zusah – außer den Beamten in den zwei zivilenVauxhalls aus dem CID-Fuhrpark, dem Suchtrupp, der in einem Polizeitransporter angerückt war, den Insassen des ehemals blütenweißen Transporters der Spurensicherung und den Besatzungen von zwei Streifenwagen. Alle warteten darauf, dass die Staatsanwältin mit dem Durchsuchungsbeschluss und dem Haftbefehl aufkreuzte.
Insch starrte grimmig auf seine Uhr. »Wieso dauert das denn so lange?«
Logan sah ihm zu, wie er mit einer kleinen Tablettenflasche kämpfte – seine dicken Wurstfinger hatten große Mühe mit dem kindersicheren Deckel – und dann zwei der kleinen weißen Pillen einwarf. »Alles in Ordnung mit Ihnen, Sir?«
Insch zog eine Grimasse und schluckte. »Wie lange brauchen Sie von hier zum Flughafen?«
»Kommt drauf an, ob auf dem Drive viel Verkehr ist – vielleicht eine Stunde, anderthalb?«
»Ein Chief Constable Faulds aus Birmingham trifft heute mit der Frühmaschine der British Midland aus London ein. Ich will, dass Sie ihn abholen und hierher bringen.«
»Können wir nicht einen der Uniformierten schicken? Ich bin -«
»Nein, ich will, dass Sie das machen.«
»Ich sollte doch helfen, die Suche zu organisieren, und nicht Taxifahrer spielen!«
»Ich sagte NEIN!« Insch sah ihn an, und seine dröhnende Stimme ließ die Fensterscheiben erzittern. »Faulds ist ein schleimiger Wichser, eine falsche, hinterhältige Schlange, aber er ist nun mal Polizeipräsident, also kriecht alles vor ihm, als ob er der gottverdammte Messias wäre. Ich will nicht, dass irgendein dämlicher Constable anfängt, aus dem Nähkästchen zu plaudern, während er ihn chauffiert.«
»Aber -«
»Nein. Nix aber. Sie holen ihn ab, und Sie sagen ihm kein Wort mehr, als er unbedingt wissen muss. Und mit ein bisschen Glück haben wir diese ganze Geschichte schon in trockenen Tüchern, bevor er überhaupt hier ankommt.«
 
Der Anderson Drive zog sich durch die ganze Stadt – von einem scheußlichen Kreisverkehr bei Garthdee bis zu einem noch viel scheußlicheren am anderen Ende. Es war halb acht, und Logan steckte in einer langen Schlange aus roten Rücklichtern fest, die im Zeitlupentempo zum Kreisverkehr von Haudagain vorrückte. Die Morgendämmerung war kaum mehr als ein blassgelber, verwaschener Streifen am Horizont, dessen schwacher Schein gegen die dicke Decke aus grauen Wolken, die drohend über der Stadt hing, nichts ausrichten konnte.
Irgendein Schwachkopf hatte die Stereoanlage des Wagens ruiniert, sodass Logan nichts anderes übrig blieb, als sich das Gekrächze und Geplapper des Polizeifunks anzuhören – zumeist Kollegen, die von A nach B und wieder zurück eilten, immer bemüht, nur ja nicht DI Insch in die Quere zu kommen, während die »Operation Hackebeil« auf denWeg gebracht wurde. Der fette Sack war einfach unerträglich, seit er mit dieser blöden Diät angefangen hatte. Achtzehn Monate nur auf Zehenspitzen gehen, um nur ja nicht eine seiner legendären Schimpfkanonaden auszulösen.
»Hier Alpha-Neun-Eins, sind in Position. Over!«
Es hörte sich an, als wären sie bereit zum Zugriff.
»Alpha-Drei-Zwo, in Position.«
»Aye, hier is‘Alpha-Mike-Sieben, wir wär’n dann auch so weit. Sagt einfach Bescheid.«
Logan hätte bei ihnen sein sollen, mit ihnen Türen eintreten und Personalien aufnehmen, anstatt für irgendeinen Heini aus Birmingham den Babysitter zu spielen.
Als er endlich die Stadtgrenze erreichte, setzte ein leichter Nieselregen ein; ein dünner, feuchter Nebelschleier legte sich über die Frontscheibe und ließ die Rücklichter des Taxis vor ihm wie Vulkanasche glimmen, während DI Inschs Motivationsrede aus dem Funkgerät tönte.
»Alle mal herhören: Ich will, dass alles streng nach Vorschrift abläuft, kapiert? Wenn auch nur einer aus der Reihe tanzt, reiß ich ihm persönlich die Eier ab und schieb sie ihm in den Arsch – habe ich mich klar ausgedrückt?«
Niemand war so dumm, auf diese Frage zu antworten.
»Gut. Alle Einheiten – Zugriff in fünf, vier, drei, zwo … GO! GO! GO!«
Und dann nur noch Gebrüll. Das Geräusch einer Tür, die mit einem Rammbock aus den Angeln gehoben wurde. Krachen. Dumpfe Schläge …
Logan schaltete das Funkgerät aus, saß in der langen Autoschlange, die sich in Richtung Aberdeen Airport wälzte, und schmollte.
 
Am Flughafen ging es an diesem Morgen schon recht lebhaft zu – die Schlange an der Sicherheitskontrolle zog sich durch das ganze Gebäude und fast bis zur Tür hinaus: Geschäftsreisende und Touristen, die nervös auf ihre Armbanduhren schielten, die Bordkarte schon in der Hand, und sich sorgten, ob sie ihre Maschine noch erwischen...