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Fallbuch BIP - Das Bochumer Inventar zur berufsbezogenen Persönlichkeitsbeschreibung in der Praxis

Uwe P. Kanning, Hang Kempermann

 

Verlag Hogrefe Verlag GmbH & Co. KG, 2012

ISBN 9783840923555 , 205 Seiten

Format PDF, OL

Kopierschutz Wasserzeichen

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35,99 EUR


 

3 Personalauswahl und Potenzialanalyse (S. 39-40)

Uwe Peter Kanning, Jan Henning Möller & Nikolay Kolev

Personalauswahlverfahren gehören zu den wichtigsten Werkzeugen des Personalmanagements, denn letztlich hängt die Leistungsfähigkeit einer jeden Organisation von ihren Mitgliedern ab. Fehler im Prozess der Personalauswahl sind immer kostspielig, sei es, weil man ein zu hohes Gehalt zahlt, Arbeitsmängel kompensieren muss oder verstärkte Investitionen in die Personalentwicklung notwendig werden. Seit Jahrzehnten liefert die psychologische Forschung Erkenntnisse darüber, wie man die Validität von Personalauswahlentscheidungen optimieren kann. Fasst man diese Erkenntnisse sehr grob zusammen, so sind es vor allem drei Prinzipien, von denen man sich leiten lassen sollte (z. B. Kanning, 2004; Schuler, 2001):

1. Mithilfe einer Anforderungsanalyse wird festgelegt, welche Anforderungen der fragliche Arbeitsplatz an zukünftige Stelleninhaber stellt.
2. Auf der Basis der Ergebnisse dieser Analyse wird das eigentliche Auswahlverfahren konzipiert. Dabei empfiehlt sich die Kombination unterschiedlicher Methoden, wie z. B. Testverfahren, Interview und Verhaltensbeobachtung.
3. Die Anwendung dieser Methoden sowie die Integration der Einzelbefunde zu einem Gesamturteil läuft regelgeleitet ab. Dabei ist es das erklärte Ziel, die Subjektivität der Einscheidungsträger – die gern beschönigend mit Begriffen wie „Bauchurteil“, „Menschenkenntnis“, „Erfahrung“ oder gar „Intuition“ umschrieben wird – weitestgehend zu reduzieren.

Im Folgenden berichten wir von einem Auswahlverfahren, das diese Prinzipien umsetzt. Im Kern des Verfahrens steht ein Assessment Center, dessen Verhaltensübungen durch ein vollstrukturiertes Interview und eine umfangreiche Testdiagnostik angereichert werden. Im Bereich der Testdiagnostik kommt u. a. das Bochumer Inventar zur berufsbezogenen Persönlichkeitsbeschreibung (BIP; Hossiep & Paschen, 2003) zum Einsatz. Da es sich um ein organisationsinternes Auswahlverfahren handelt, wird die eigentlich im Zentrum stehende Personalauswahl mit einer Potenzialanalyse kombiniert. Am Ende profitiert so nicht nur der Beste der Bewerber, sondern auch die stärksten seiner Konkurrenten, da man ihnen dabei hilft, sich durch gezielte Personalentwicklungsmaßnahmen mittelfristig für vergleichbare Positionen zu qualifizieren.

3.1 Problembereich


Bei unserem Kooperationspartner handelt es sich um einen Arbeitgeber aus dem öffentlichen Dienst. Seit einigen Jahren besetzt man Führungspositionen in dieser Organisation über vergleichsweise aufwendig gestaltete Auswahlverfahren, die in Zusammenarbeit mit einem Psychologenteam der Hochschule Osnabrück (früher Universität Münster) jeweils stellenspezifisch entwickelt und durchgeführt werden. Dies gilt gleichermaßen für Stellen, die mit internen oder externen Kandidaten zu besetzen sind. Gerade die Vergabe interner Stellen über formalisierte Auswahlverfahren stellte für die Organisation vor einigen Jahren einen „Kulturbruch“ dar, war es doch bis dahin üblich, bei Führungspositionen eher nach dem „Kronprinzenprinzip“ zu verfahren: Wurde der alte Amtsleiter pensioniert, so rückte im Regelfall sein Stellvertreter nach, sofern nicht massive Fehlleistungen des Kandidaten in der Vergangenheit gegen ihn sprachen. In der Konsequenz wurden Führungspositionen – wie so oft im öffentlichen Dienst – fast ausschließlich unter Berücksichtigung der Fachkompetenz sowie der Dauer des Beschäftigungsverhältnisses vergeben. Die Tatsache, dass unterschiedliche Stellen mit unterschiedlichen Anforderungen einhergehen und daher selbst ein sehr guter Sachbearbeiter in einer Führungsposition scheitern kann, wurde ignoriert. Dabei wäre eine sehr sorgfältige Auswahl des Personals für den öffentlichen Dienst sogar noch wichtiger als für die Wirtschaft, da Fehlentscheidungen in diesem Bereich nur sehr schwer zu korrigieren sind. Dies gilt insbesondere für das verbeamtete Personal.

Im Zentrum des Projektes steht somit die Entwicklung und Durchführung eines möglichst aussagekräftigen Auswahlverfahrens zur Besetzung einer Führungsposition. Die Erfahrungen der letzten Jahre haben der Organisation gezeigt, dass es nicht selten mehrere Kandidaten gibt, die zwar die Mindestanforderungen erfüllen, letztlich aber nicht zum Zuge kommen, da sie zum einen nicht vollends überzeugen und zum anderen mindestens ein Mitbewerber besser abschneidet. In der Konsequenz gibt es manche Mitarbeiter, die sich über mehrere Jahre hinweg bereits mehrfach erfolglos beworben haben und dabei immer zu den besten 2–3 Kandidaten gehörten. Um diese Mitarbeiter nicht dauerhaft zu frustrieren, wird nun erstmals das Element der Potenzialanalyse eingeführt. Neben der eigentlichen Auswahlentscheidung sammelt man stellenunspezifische Kompetenzindikatoren der Bewerber. Nach Abschluss des Verfahrens wird für die Kandidaten, denen man das höchste Potenzial bescheinigt, ein Personalentwicklungskonzept aufgelegt. Hierdurch soll die Wahrscheinlichkeit erhöht werden, dass sie in den nächsten zwei bis drei Jahren bei vergleichbaren Auswahlverfahren vollends erfolgreich abschneiden. Darüber hinaus ändert sich auch die Stellenbesetzungsprozedur für den erfolgreichsten Kandidaten. Während die Person früher wenige Wochen nach dem Verfahren die neue Stelle antrat, geschieht dies jetzt erst ein Jahr später. In der verbleibenden Zeit hospitiert die Person beim derzeitigen Stelleninhaber und nutzt verschiedene Möglichkeiten der Personalentwicklung, um sich optimal auf die neue Aufgabe vorbereiten zu können. Auch hier kommt der Gedanke der Potenzialanalyse zum Zuge, da die umfangreiche Diagnostik dabei hilft, die Schwerpunkte der Personalentwicklungsmaßnahmen gezielt festzulegen.