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Verdächtige Geliebte - Roman

Keigo Higashino

 

Verlag Klett-Cotta, 2012

ISBN 9783608103137 , 300 Seiten

Format ePUB

Kopierschutz Wasserzeichen

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9,99 EUR

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Kapitel 2 Der Gegenstand fiel Misato aus der Hand. Es war eine von den Kupfervasen, die die Yonazawas bei der Eröffnung des Benten-tei als Werbegeschenke an die Kunden verteilt hatten. »Misato!« Yasuko starrte ihre Tochter an. Misato starrte ins Leere. Sie sah aus, als hätte ihre Seele sie verlassen, und rührte sich nicht. Plötzlich riss sie die Augen weit auf und blickte über Yasukos Schulter hinweg. Yasuko wirbelte her um und sah, wie Togashi versuchte, auf die Füße zu kommen. Er verzog das Gesicht und presste sich eine Hand auf den Hinterkopf. »Ihr verdammten Weiber ...«, knurrte er hasserfüllt und richtete den Blick auf Misato. Schwankend wollte er sich auf sie stürzen. Yasuko stellte sich schützend zwischen ihn und ihre Tochter. »Hör auf!«, rief sie. »Aus dem Weg!« Togashi packte sie am Arm und schleuderte sie grob beiseite. Yasuko taumelte gegen die Wand und fiel zu Boden. Misato wollte flüchten, aber Togashi warf sich mit seinemganzen Gewicht auf sie. Dann schwang er sich auf sie, verkrallte sich mit einer Hand in ihrem Haar und schlug ihr mit der anderen ins Gesicht. »Ich bring dich um, du kleine Hexe!«, brüllte er. Er bringt sie um, dachte Yasuko. Er bringt sie wirklich um. Panisch sah sie sich um. Ihr Blick fiel auf das Kabel, das sich unter dem Kotatsu hervorschlängelte. Sie griff danach und riss es aus der Steckdose. Das andere Ende war noch mit einer Seite des Kotatsu verbunden. Sie nahm es und stand auf, trat hinter Togashi, der auf ihrer Tochter saß und in blinder Wut immer wieder auf sie einschlug. Sie warf ihm das Kabel über den Kopf und zog mit aller Kraft zu. Togashi stieß einen röchelnden Laut aus und fiel auf den Rücken. Als ihm klarwurde, was da geschah, versuchte er, die Finger unter das Kabel zu zwängen, aber Yasuko zog immer fester zu. Dieser Mann war ein Fluch für sie und ihre Tochter. Wenn sie jetzt losließe, würde sie vielleicht nie mehr die Gelegenheit erhalten, sich von diesem bösen Geist zu befreien. Doch Yasuko war ihrem geschiedenen Mann körperlich unterlegen. Das Kabel drohte ihren Händen zu entgleiten. Misato griff nun in den Kampf ein, indem sie versuchte, seine Finger von dem Kabel um seinen Hals wegzuziehen. Sie setzte sich mit gespreizten Beinen auf seine Brust und versuchte mit aller Gewalt, ihn festzuhalten. »Schnell, Mama! Mach schnell!«, schrie sie. Sie hatten keine Zeit zu verlieren. Yasuko kniff die Augen zu und zog so fest, sie konnte. Ihr Herz hämmerte. Sie hörte ihr eigenes Blut rauschen, während sie die Schlinge fester und fester zog. Sie wusste nicht, wie lange sie das getan hatte. Schließlich weckte Misatos leises Rufen sie aus ihrer Betäubung. »Mama, Mama!« Sie kam wieder zu sich. Noch immer das Kabel umklammernd, öffnete Yasuko langsam die Augen. Togashi lag direkt vor ihr. Seine geöffneten, schieferfarbenen Augen starrten ins Leere. Sein Gesicht war bläulich und blutunterlaufen. Das Kabel hatte eine dunkle Linie auf der Haut an seinem Hals hinterlassen. Ein Speichelfaden hing von seinen Lippen. Auch seine Nase lief. Mit einem spitzen Schrei ließ Yasuko das Kabel fallen, und Togashis Kopf schlug mit einem dumpfen Laut auf den Tatami auf. Misato ließ sich sehr vorsichtig von seiner Brust zu Boden gleiten. Der Rock ihrer Schuluniform war völlig zerknittert. Sie lehnte sich an die Wand. Eine Weile schwiegen Mutter und Tochter, ihre Blicke auf den reglosen Mann gerichtet. Das Sirren der Neonlampe gellte in Yasukos Ohren. »Was sollen wir jetzt nur machen?«, murmelte Yasuko dem Weinen nah. In ihrem Kopf herrschte völlige Leere. »Ich habe ihn umgebracht.« »Mama ...« Yasuko sah ihre Tochter an. Misato war kreidebleich, aber ihre Augen waren rot, und sie hatte Tränenspuren im Gesicht. Yasuko erinnerte sich nicht, wann sie geweint hatte. Wieder betrachtete sie Togashi. Sie fühlte sich hin- und hergerissen, halb wünschte sie, er würde wieder zum Leben erwachen. Aber es sah definitiv nicht so aus, als wäre das möglich. »Es ist alles seine Schuld.« Misato zog die Beine an und schlang die Arme um ihre Knie. Schluchzend vergrub sie ihr Gesicht dar in. »Was sollen wir nur tun ...«, murmelte Yasuko wieder. Plötzlich klingelte es, sie zuckte zusammen und begann, am ganzen Körper zu zittern. Misato schaute auf. Tränen rannen ihr über die Wangen. Ihre Blicke begegneten sich. Wer konnte das sein? Es klopfte, und eine Männerstimme ertönte. »Frau Ha naoka?« Sie hatte die Stimme schon einmal gehört, konnte sie jedoch nicht einordnen. Yasuko war wie versteinert und außerstande sich zu rühren. Sie und Misato starrten einander nur weiter an. Wieder klopfte es. »Frau Hanaoka? Frau Hanaoka?« Wer auch immer dort vor der Tür stand, wusste, dass sie zuHause waren. Sie mussten reagieren. Aber wie konnten sie in dieser Situation die Tür öffnen? »Geh ins kleine Zimmer. Mach die Tür zu, und komm auf keinen Fall raus«, befahl Yasuko ihrer Tochter im Flüsterton. Endlich kam ihr Gehirn wieder in Gang. Es klopfte erneut. Yasuko holte tief Luft. Nichts war geschehen. Es war ein ganz normaler Abend wie jeder andere. »Ja, bitte?«, rief sie und begann die Rolle zu spielen, die sie spielen musste. Die Rolle einer Frau, die nicht gerade auf dem Wohnzimmerboden ihren geschiedenen Mann erwürgt hatte. »Wer ist da?« »Ich bin's. Ishigami von nebenan.« Yasuko erschrak. Wer weiß, welchen Lärm sie gemacht hatten? Natürlich hatte ihr Nachbar allen Grund, argwöhnisch zu sein. Ishigami wollte wissen, was los war. »Einen Moment, bitte«, rief Yasuko. Sie bemühte sich um einen ruhigen Tonfall, wusste aber nicht, wie weit ihr das gelang. Misato hatte sich in das hintere Zimmer begeben und die Tür zugezogen. Yasuko betrachtete Togashis Leichnam. Sie musste irgendetwas tun. Durch das Reißen am Kabel hatte der Kotatsu sich verschoben. Sie verrückte ihn um noch ein paar Meter, bis seine dicke Decke die Leiche bedeckte. Er stand jetzt an einem für einen Kotatsu sehr ungewöhnlichen Platz, aber im Augenblick hatte sie keine andere Wahl. Yasuko überprüfte kurz ihre Kleidung. Plötzlich sah sie, dass Togashis ausgetretene Schuhe noch her umlagen, und kick te sie unter die Schuhablage. Vorsichtig, damit sie kein Geräusch verursachte, legte sie die Türkette vor. Die Tür war unverschlossen. Sie klopfte sich mit der Hand auf die Brust, um ihr Herz zu beruhigen. Als sie schließlich öffnete, hatte sie Ishigamis rundes, großes Gesicht unmittelbar vor sich. Seineschmalen Augen starrten sie an. Es lag kein erkennbarer Ausdruck auf seinem Gesicht, was Yasuko ein unheimliches Gefühl vermittelte. »Äh, ja, was kann ich für Sie tun?«, fragte Yasuko und rangsich ein Lächeln ab, spürte aber, wie ihre Stirnmuskeln zuckten. »Was war das für ein Lärm?«, fragte Ishigami mit noch immer undurchsichtiger Miene. »Ist etwas passiert?« »Nein, nein, gar nichts«, erwiderte sie mit heftigem Kopfschütteln. »Verzeihen Sie, wenn wir Sie gestört haben.« »Wenn Sie sicher sind, dass alles Ordnung ist, bin ich beruhigt«, sagte Ishigami, während seine schmalen Augen das Zimmer hinter ihr sondierten. Yasuko wurde heiß am ganzen Körper. Sie sagte das erste, was ihr einfiel. »Da war ein Insekt, eine Kakerlake.« »Eine Kakerlake?« »Ja, an der Wand und ich- meine Tochter und ich- haben versucht, sie zu erwischen. Ich fürchte, wir haben einen ganz schönen Lärm veranstaltet ...« »Tot?« Yasukos Miene versteinerte. »Was?« »Die Kakerlake? Haben Sie sie erledigt?« »Ja, ... ja, natürlich«, sagte Yasuko und nickte mehrmals. »Erledigt, genau. Alles in Ordnung. Durchaus.« »Gut. Falls Sie mal Hilfe bei so etwas brauchen, können Sie mich jederzeit rufen.« »Haben Sie vielen Dank. Es tut mir wirklich leid, dass wir so viel Lärm gemacht haben.« Yasuko neigte den Kopf und machte die Tür zu. Und schloss ab. Erst, als sie hörte, dass Ishigami in seine Wohnung zurückgegangen war, sank sie unwillkürlich mit einem tiefen Seufzer zu Boden. Hinter ihr ertönte ein Geräusch. »Mama?«, sagte Misato. Yasuko erhob sich schwerfällig. Sie warf einen Blick auf die sich wölbende Kotatsu-Decke, und tiefe Verzweiflung überkam sie. »Es ist nicht mehr zu ändern«, sagte sie endlich. »Was werden wir tun?« Misato sah ihre Mutter fragend an. »Uns bleibt nichts anderes übrig, als die Polizei zu rufen.« »Du willst dich stellen?« »Es geht nicht anders, er ist tot, und Tote werden nicht wieder lebendig.« »Aber was werden sie dann mit dir machen?« »Ich weiß es nicht.« Yasuko strich sich das Haar aus dem Gesicht. Ihr wurde bewusst, dass sie wahrscheinlich völlig zer zaust aussah. Was der Mathematiklehrer von nebenan wohl gedacht hatte? Aber das war ja nun auch egal. »Kommst du dann ins Gefängnis?«, fragte Misato. »Ja, ich vermute es.« Yasuko lächelte resigniert. »Immerhin habe ich einen Menschen getötet.« Misato schüttelte heftig den Kopf. »Aber das ist so ungerecht.« »War um denn?« »Du konntest nichts dafür. Es war alles seine Schuld. Er war längst weg, Vergangenheit! Aber er musste ja immer wieder auftauchen und dich quälen und mich auch ... Es ist nicht richtig, wenn du wegen dem ins Gefängnis musst.« »Mord bleibt Mord. Alles andere sind nur die Umstände.« Seltsamerweise spürte Yasuko, wie sie immer mehr ihre Fassung zurückerlangte, während sie Misato die Lage erklär te. Beinahe kaltblütig fragte sie sich, ob sie wirklich keine andere Wahl gehabt hatte. Sie hatte schon nicht gewollt, dass Misato als Tochter einer Bardame aufwuchs. Aber als Tochter einer Mörderin aufzuwachsen, war sicher viel schlimmer. Aber ein Ausweg fiel ihr nicht ein. Obwohl sich das Geschehene nicht leugnen ließ, konnte sie sich zumindest bemühen, dass sie beide in den Augen der Öffentlichkeit möglichst gut dastehen würden. Das schnurlose Telefon lag in einer Ecke des Zimmers. Yasuko ging dar auf zu und hob es auf. »Nein, Mama!« Misato schoss durch den Raum und wollte es ihrer Mutter aus der Hand nehmen. »Lass los!« »Nein, das darfst du nicht!«, schrie Misato und packte Yasuko am Handgelenk. Sie hatte einen kräftigen Griff, wahrscheinlich von dem vielen Badminton-Training nach der Schule. »Lass mich bitte los.« »Nein, Mama, das lasse ich nicht zu. Lieber stelle ich mich selbst.« »Was redest du da für einen Unsinn?« »Ich habe ihn niedergeschlagen. Du hast nur versucht, mich vor ihm zu retten. Und dann habe ich dir geholfen. Ich habe ihn genauso umgebracht wie du.« Misato warf ihrer Mutter einen trotzigen Blick zu. In diesem Moment lockerte Yasuko ihren Griff. Misato riss ihr das Telefon aus der Hand. Sie presste es an sich, rannte in eine Ecke des Zimmers und kehrte ihrer Mutter den Rücken zu. Yasuko zermarterte sich das Gehirn. Würde die Polizei ihr glauben, wenn sie behauptete, sie habe Togashi allein getötet? Nein, sie würde gründliche Ermittlungen anstellen. Sie kannte das aus den Krimis im Fernsehen. Die Polizei brauchte Beweise, und die würde sie mit allen ihr zu Gebote stehenden Mitteln erbringen. Man würde die Nachbarn befragen, ein Team von Rechtsmedizinern würde den Fall untersuchen, und dann- ihr wurde schwarz vor Augen. Auch wenn die Polizei sie noch so sehr in die Mangel nahm, würde sie nie preisgeben, was Misato getan hatte, dessen war sie sich ganz sicher. Doch was, wenn die Ermittlungen die Wahrheit dennoch an den Tag brachten? Dann wäre alles vorbei. Sie überlegte, ob es nicht einen Weg gab, das Ganze so aussehen zu lassen, als hätte sie Togashi allein getötet, aber bald verwarf sie den Gedanken. Ihre dilettantischen Versuche würden sofort durchschaut. Ich muss Misato schützen, dachte Yasuko. Unbedingt. Es musste schwer sein für die Kleine, bei einer solchen Mutter aufzuwachsen. Yasuko hätte mit Freuden ihr Leben geopfert, wenn sie Misato damit vor weiterem Unglück hätte bewahren können. Was sollte sie tun? Was konnte sie tun? Ein sonderbares Geräusch schreckte Yasuko aus ihren Gedanken auf. Erst allmählich begriff sie, dass es das Telefon war. Misato nahm es und sah ihre Mutter mit geweiteten Augen an. Yasuko streckte stumm die Hand aus. Sich auf die Lippen beißend, reichte ihr Misato langsam den Hörer. Yasuko holte tief Luft, drückte die Annahmetaste und hielt ihn ans Ohr. »Ja, bitte?« »Äh, ja, ich bin's Ishigami, von nebenan.« Yasuko starrte einfältig auf das Telefon. Schon wieder dieser Lehrer. Was wollte er denn noch? »Ja? Was kann ich für Sie tun?« »Ähem, ja, also, ich frage mich, was Sie tun werden?« Wovon redete der Mann? »Verzeihung, aber wie meinen Sie das?« »Ich meinte nur...«, Ishigami stockte, ehe er fortfuhr. »Ob Sie die Polizei benachrichtigen wollen? Wenn ja, ist alles klar, aber wenn nicht, könnte ich Ihnen vielleicht helfen.« »Wie bitte?« Yasuko blieb der Mund offen. Woher wusste der Kerl ...? »Wie wäre es, wenn ich zu Ihnen rüberkäme?«, sagte Ishigami leise. »Wie? Nein, ich glaube nicht- nein, das passt jetzt schlecht«, stotterte Yasuko, während ihr der kalte Schweiß ausbrach. »Frau Hanaoka«, fuhr Ishigami fort, »es ist sehr schwer, eine menschliche Leiche verschwinden zu lassen. Eine Frau schafft das nicht alleine.« Yasuko verschlug es die Sprache. Wahrscheinlich hatte er alles belauscht. Was sie und Misato gesprochen hatten, ihren Streit mit Togashi, den Kampf- alles. Es ist aus, dachte sie, und ließ den Kopf hängen. Jetzt gab es kein Entrinnen mehr. Sie musste sich stellen und ihr Möglichstes tun, damit nicht her auskam, dass Misato beteiligt gewesen war. »Hören Sie mir zu, Frau Hanaoka?« »Ja, ich höre.« »Kann ich zu Ihnen rüberkommen?« »Aber ich habe Ihnen doch gerade gesagt...« Yasuko brach ab und sah ihre Tochter an. Misato starrte zurück, offenbar be merkte sie ihre Furcht und Verwirrung. Bestimmt wunderte sie sich. Wenn Ishigami in seiner Wohnung alles mitangehört hat te,wusste er, dass Misato an dem Mord beteiligt gewesen war. Dann konnte sie abstreiten, so viel sie wollte, die Polizei würde ihr nicht glauben. Yasuko riss sich zusammen. »Also gut. Ich wollte Sie ohnehin schon um Ihre Hilfe bitten. Bitte, kommen Sie herüber.« »Bin sofort bei Ihnen«, antwortete Ishigami. »Wer war das?«, fragte Misato, sobald Yasuko aufgelegt hatte. »Der Lehrer von nebenan, Herr Ishigami.« »War um? Was will der?« »Erkläre ich dir später. Geh in dein Zimmer, und mach die Tür zu. Beeil dich!« Mit ratloser Miene verschwand Misato wieder im hinteren Zimmer. Nahezu im selben Augenblick, als ihre Tochter die Tür hinter sich zuzog, hörte Yasuko, wie Ishigami seine Wohnung verließ. Einige Sekunden später klingelte es. Yasuko ging zur Tür, schloss auf und löste die Sicherheitskette. Ishigami stand vor ihr. Er machte einen beflissenen Eindruck. Aus irgendeinem Grund hatte er sich eine dunkelblaue Jacke angezogen, die er vorhin nicht getragen hatte. »Bitte, kommen Sie herein!« Ishigami nickte. Während Yasuko die Tür abschloss, ging er ins Wohnzimmer und entfernte, ohne zu zögern, die Decke vom Kotatsu. Auf ein Knie gestützt, nahm er Togashis Leiche in Augenschein. Er wirkte sehr nachdenklich. Erst jetzt bemerkte Yasuko, dass er Handschuhe trug. Furchtsam richtete Yasuko den Blick auf die Leiche. AllesLebendige war aus Togashis Gesicht gewichen. Speichel und Erbrochenes war aus seinem Mund geronnen und getrocknet. »Sie haben alles mitangehört, nicht wahr?«, fragte Yasuko. »Gehört? Was denn?« »Das ganze Durcheinander hier. Durch die Wand. Und dann haben Sie angerufen?« Ishigami wandte sich Yasuko mit ausdrucksloser Miene zu. »Ich konnte Sie nicht sprechen hören, wenn Sie das meinen. Hellhörig ist dieses Gebäude zumindest nicht. Das war sogar einer der Gründe, aus dem ich mich entschlossen habe, hierherzuziehen.« »Aber woher ...?« »Woher ich weiß, was hier passiert ist?« Yasuko nickte. Ishigami deutete in eine Ecke des Wohnzimmers, wo die leere Bierdose lag. Etwas von der Asche dar in war auf dem Boden verstreut. »Als ich vor ein paar Minuten bei Ihnen war, habe ich Zigarettenrauch gerochen. Ich vermutete, dass Sie Besuch hatten, konnte aber keine Schuhe entdecken. Es sah aus, als würde unter dem Kotatsu jemand liegen. Das Kabel war herausgezogen. Aber wenn jemand nicht gesehen werden wollte, hätte er ja nur ins hintere Zimmer gehen müssen. Das hieß, die Person unter dem Kotatsu war dort versteckt worden. Als ich den Lärm und den ungewöhnlichen Umstand, dass Ihre Haare zerzaust waren, hinzuzählte, konnte ich mir vorstellen, was passiert war. Und noch etwas- es gibt in diesem Haus keine Kakerlaken. Ich lebe schon seit Jahren hier und habe noch keine einzige gesehen.«