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Einfach Spitze? - Neue Geschlechterperspektiven auf Karrieren in der Wissenschaft

Sandra Beaufays, Anita Engels, Heike Kahlert

 

Verlag Campus Verlag, 2012

ISBN 9783593412887 , 340 Seiten

Format PDF, OL

Kopierschutz Wasserzeichen

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Einleitung: Einfach Spitze?

Sandra Beaufaÿs, Anita Engels und Heike Kahlert

Karrieren in der Wissenschaft sind in hohem Maße von Unsicherheit geprägt. Bis in das fünfte Lebensjahrzehnt hinein herrscht für viele Nachwuchswissenschaftler/innen Unklarheit darüber, ob sie sich dauerhaft in einer angemessenen beruflichen Position etablieren können und, falls es gelingt, an welchem Ort das sein wird (Burkhardt 2008; Kreckel 2008). Das bedeutet unter anderem, dass die meisten Nachwuchswissenschaftler/innen etwa zwei Jahrzehnte Zeit haben, um ihre eigenen Karrierevorstellungen und Lebensperspektiven mit dem zu vergleichen, was ihnen von etablierten Wissenschaftler/inne/n vorgelebt wird. Viele müssen irgendwann im Zeitverlauf erkennen, dass es für sie keine Möglichkeit der Fortsetzung und der Vollendung der Karriere in der Wissenschaft gibt; andere steigen weit vor diesem Punkt »freiwillig« aus und wenden sich von den Zielen einer akademischen Karriere ab (Wergen 2011; Allmendinger u.a. 1999). Zwar ist die Zahl der Studierenden zum Beginn des Studiums seit einigen Jahren ausgewogen im Hinblick auf die Geschlechterverteilung. Noch immer erleben jedoch überproportional mehr Frauen als Männer das Ausscheiden aus der Wissenschaft (Metz-Göckel u.a. 2010). Auf jeder weiteren Qualifikations- und Hierarchiestufe ist der Anteil der Frauen nach wie vor geringer als auf der vorhergehenden, obwohl der Frauenanteil auf allen Stufen kontinuierlich gestiegen ist (GWK 2011). Trotz Jahrzehnten der formalen Gleichberechtigung und der institutionalisierten Gleichstellungsarbeit an den Hochschulen und in den Wissenschaftseinrichtungen scheint es daher noch nicht gelungen zu sein, Formen der strukturellen Benachteiligung von Frauen so weit abzubauen, dass eine wissenschaftliche Karriere für sie in gleichem Maße erstrebenswert und realisierbar ist wie für Männer (Allmendinger/Schorlemmer 2010; Dautzenberg u.a. 2011).

Die Reproduktion und die andauernde Persistenz von Ungleichheit entlang der Geschlechterdimension sind seit vielen Jahrzehnten Gegenstand der sozialwissenschaftlichen Analyse und Kritik (Bimmer 1972; Bock u.a. 1983; Clemens u.a. 1986; Geenen 1994; Krais 2000; Matthies u.a. 2001; Neusel/Wetterer 1999; Onnen-Isemann/Oßwald 1992; Schultz 1991). Gerade für die Wissenschaft ergibt sich ein besonderer Erklärungsanspruch, da Chancenungleichheiten dort mit institutionalisierten Gleichheitsnormen und der konstitutiven Rolle des Leistungsprinzips kollidieren (Merton 1985). Die Frauen- und Geschlechterforschung hat in den vergangenen Jahrzehnten auf dieses Missverhältnis aufmerksam gemacht und ist der Unterrepräsentanz von Frauen in Hochschule und Forschung mit verschiedenen theoretischen und empirischen Zugängen nachgegangen. Über diesen Zeitraum hat sich viel verändert. So zeigt sich, dass Akademikerinnen längst gleich oder gar besser qualifiziert als ihre männlichen Kollegen, zugleich aber nach wie vor unterrepräsentiert in Führungs- und Spitzenpositionen sind. Der Professorinnenanteil steigt nur langsam, und Forschungsergebnisse verweisen darauf, dass die Umstellung von der C- auf die W-Besoldung mit einem Gender Pay Gap auf höchstem Niveau einhergeht (Kreckel 2005; Zimmer u.a. 2007; Leuze/Strauß 2009). Es geht daher mehr denn je darum, die komplexen Wechselwirkungen zu analysieren, die eine Karriere gelingen lassen beziehungsweise an denen Karrierewünsche scheitern, so dass es zu einem Ausstieg oder Ausschluss kommt. An diesem Punkt setzt dieser Sammelband an. Die Mehrdimensionalität der Frage, weshalb Wissenschaftlerinnen nicht »einfach Spitze« werden, obgleich ihre Zahl steigt und ihre Qualifikationen den Anforderungen entsprechen, wird in den unterschiedlichen Beiträgen empirisch detailliert unter die Lupe genommen. Dabei werden durchgängig beide Geschlechter einbezogen und zum Hochschulsystem, das als zentrale Qualifikationsinstanz eine Schlüsselfunktion einnimmt, in Beziehung gesetzt.

Seit einigen Jahren gibt es sehr deutliche Signale an Hochschulen und anderen wissenschaftlichen Organisationen, konsequenter als bisher für die Herstellung und Durchsetzung der Chancengleichheit von Frauen und Männern aktiv zu werden: Das Professorinnen-Programm, die Exzellenzinitiative des Bundes und der Länder und die Forschungsorientierten Gleichstellungsstandards der DFG fordern zur konkreten Konzeptentwicklung auf (Mordt 2008; Brennecke-Schröder/Koch 2007). Zudem wird die Vergabe von Forschungsmitteln in wachsendem Maße mit Forderungen der Chancengleichheit verbunden. Der politische Handlungsauftrag an Hochschule und Forschung ist unmissverständlich. Trotz der umfänglich vorliegenden Forschungsergebnisse zum Themenkomplex »Frauen und Wissenschaft« beziehungsweise »Wissenschaft und Geschlecht« ist das Feld keineswegs erEinleitung: schöpfend bearbeitet. Noch immer sind diverse Fragen zum komplexen Wechselspiel der Prozesse und Faktoren, die zur Ungleichheit beitragen, offen. Nur zögerlich beginnt sich zudem in Forschung und Politik die Erkenntnis durchzusetzen, dass die Geschlechterungleichheit in der Wissenschaft nicht allein auf einen vermeintlich zu kleinen Pool an qualifizierten Kandidatinnen, auf das Problem der Vereinbarkeit von Studium beziehungsweise Wissenschaft und Familie und auf vorgebliche Motivationsdefizite von Frauen in Bezug auf Wissenschaft als Berufsfeld zurückgeführt werden kann. Offensichtlich ist die Geschlechterungleichheit vielmehr als ein strukturierendes Merkmal tief in die wissenschaftlichen Organisationen eingelassen, die durch ihre geschlechterasymmetrische Verfasstheit Karrieren von Frauen und Männern unterschiedlich fördern oder einschränken und zugleich selbst einem vielgestaltigen Reformdruck ausgesetzt sind (Heintz u.a. 2007; Färber/Spangenberg 2008; Blättel-Mink u.a. 2011). Schließlich wird auch zunehmend evident, dass die verallgemeinernde Betrachtung der Wissenschaft als Institution um fächerspezifische Erklärungsmuster ergänzt werden muss. Geschlechterperspektiven auf dem Weg an die Spitze der Wissenschaft müssen demnach sowohl organisationsbezogene Spezifika als auch fachkulturelle Charakteristika berücksichtigen (Engels u.a. 2012; Vogel/Hinz 2004; Lind/Löther 2007).