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Depression - Wege aus der dunklen Nacht der Seele

Ruediger Dahlke

 

Verlag Arkana, 2009

ISBN 9783641037024 , 544 Seiten

Format ePUB

Kopierschutz Wasserzeichen

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8,99 EUR


 

Anfangs wollt ich fast verzagen, Und ich glaubt, ich trüg es nie; Und ich hab es doch getragen, Aber frag mich nur nicht, wie?
Heinrich Heine

Eine Antwort und Ergänzung finden wir bei Khalil Gibran in seinem Buch Der Wanderer:
Eine Auster sprach zu ihrer Nachbarin: »Ich trage großen Schmerz in mir. Schwer ist er und rund, und ich habe große Not.«
Die andere Auster antwortete mit überheblicher Selbstzufriedenheit: »Gelobt sei der Himmel und das Meer, denn ich habe keine Schmerzen. Es geht mir gut, innen und außen.« In diesem Augenblick kam ein Krebs vorbei und hörte die beiden Austern. Darauf sagte er zu derjenigen, die innen wie außen unversehrt war: »Ja, dir geht es wohl gut; doch der Schmerz, den deine Nachbarin in sich trägt, ist eine Perle von hinreißender Schönheit.«
»Über Depression zu schreiben schmerzt, macht traurig, vereinsamt und belastet«, meint Andrew Solomon, der - selbst depressiv - ein sehr ausführliches und beeindruckendes Buch über Depression geschrieben hat. Vielleicht habe ich mich deshalb lange gewehrt, dieses Buch anzugehen. Andererseits gab es viele Hinweise, dass das Thema in unserer Zeit immer stärker in den Vordergrund drängt. Außerdem liegen so viele Chancen in der Depression, wenn man sie durchlebt und sich die Möglichkeit zugesteht, an dieser Nachtmahrfahrt der Seele zu wachsen. Aus der Psychotherapie kenne ich viele Mut machende Erfahrungen, vermittelt von Patienten, die nach dem Erlebnis der dunklen Reise nicht nur wieder auftauchten und in ihr vorheriges Leben zurückkehrten, sondern deutlich gereifter und glücklicher waren. Und es wäre so notwendig, dass solches Weiterkommen häufiger gelingt, denn das Thema eilt heute wie eine mächtige Welle auf uns zu.
Ich habe dieses Buch dann doch sehr gern geschrieben, weil es auch in eine Zeit fiel, die für mich ebenfalls durch eine Reise geprägt war - durch das besondere Land einer besonderen Fastenzeit, die mich in Erfahrungsbereiche führte, die ich nicht kannte und die große Nähe zu den Themen der Depression mit sich brachten. Zurückgekehrt kann ich sagen - ohne forschend, mitfühlend und schreibend selbst depressiv zu werden -, dass ich froh bin, durch den Reichtum beschenkt worden zu sein, der in den Tiefen der Depression verborgen liegt und der von so vielen großen Künstlern in deren Depression und Melancholie zu Tage gefördert wurde. Somit ist dieses Buch, zusammen mit der CD gleichen Titels, auch ein homöopathischer Versuch, mittels aus Depression und Melancholie inspirierter Kunst der Depression gerecht und hoffentlich sogar Herr zu werden. Damit ist gemeint, die Depression als notwendige Etappe des Lebensweges zu begreifen, deren Sinn darin liegt, wieder mit dem Leben fließen zu lernen -und das auf einem ganz neuen Niveau.
Für mich selbst kann ich sagen, dass das Vertiefen in die Kunst des Depressiven und der großen Depressiven sowie das damit verbundene Schreiben eine im wahrsten Sinne des Wortes wundervolle Zeit war. Ich würde mir und meinen Leserinnen und Lesern wünschen, dass dies in irgendeiner Weise für sie spürbar wird. Und warum sollte Kunst uns nicht auch durch Depressionen hindurchhelfen? Schließlich hat sie so vielen Künstlern in ihrem Kampf mit den eigenen Depressionen im wahrsten Sinne des Wortes das Leben erhalten und lebenswert gemacht und uns - sozusagen als Abffallprodukte - zeitlose Kunstwerke beschert.

Seminyak auf Bali, Januar 2006Ruediger Dahlke

Über den schwierigen Umgang mit der Depression - eine Einführung

Die Zahl der an Depressionen Erkrankten steigt seit den letzten Jahrzehnten gewaltig an, und diese Entwicklung wird immer mehr zu einer Bedrohung. Obwohl es sich bei der Depression sicher um das qualvollste aller Krankheitsbilder und um eine potenziell tödliche Volkskrankheit handelt, wird sie noch immer weitgehend tabuisiert. Zum einen geschieht es wohl, weil die Erkrankung in den Bereich der Psychiatrie fällt, mit dem die meisten Menschen noch weniger zu tun haben wollen als mit dem Rest der Medizin. Zum anderen mag es sein, weil die Depression sehr stark mit uns, unserer Kultur und den ihr innewohnenden Problemen verbunden ist. So kommt es, dass in Deutschland die Hausärzte gerade einmal jeden hundertsten psychisch angeschlagenen Patienten zum Psychiater überweisen. Jede zweite Depression bleibt (ärztlicherseits) unerkannt.
Das Elend geht aber weiter, wenn der Patient zum Psychiater - oder oft zum Neurologen, der mit der Materie eigentlich gar nichts zu tun hat - in die Sprechstunde kommt. Beide zögern dann viel zu oft, den Patienten in eine Klinik einzuweisen. Entgegen all den Vorurteilen und Ängsten vor der Psychiatrie gibt es aber Betroffene, die verzweifelt bemüht sind, in eine Klinik aufgenommen zu werden, und dies einfach nicht schaffen, weil sie von dem behandelnden Arzt nicht eingewiesen werden und eine Selbsteinweisung jedenfalls in Deutschland nicht möglich ist.
Heute gibt es über die Verbreitung von Depressionen unterschiedliche Angaben, deren einzige Gemeinsamkeit ist, dass die Zahlen immer erschreckend hoch sind. Der Weltgesundheitsorganisation (WHO) zufolge erlebt jede fünfte Frau und jeder zehnte Mann im Leben mindestens einen depressiven Schub. Demnach macht die Depression heute in den Industrienationen den zweitgrößten Anteil an der Krankheitslast aus. In den armen Dritte-Welt-Ländern steht sie schon an vierter Stelle. Von allen Krankheitsbildern verursachen Depressionen mit Abstand die höchsten Kosten.
Laut Forsa-Umfrage antwortet in Deutschland jeder Zweite auf die Frage: »Haben Sie oder ein Mitglied Ihrer Familie schon einmal an Depressionen gelitten?« mit einem Ja. Von den Befragten haben 20 Prozent selbst schon daran gelitten, knapp 30 Prozent die Erkrankung in der Familie miterlebt.
Bei 15 Prozent der Betroffenen wird aus dem Depressionsschub ein chronisches Leiden, wobei die Dunkelziffer naturgemäß enorm hoch ist. Auch ist gar nicht sicher, ob die geschlechtsspezifische Häufung unter Frauen, die vielfach angegeben wird, wirklich existiert. Männer neigen wohl einfach dazu, ihre Depression zu überspielen, indem sie in Arbeit, Sport oder Konsum flüchten und sie gar nicht erst diagnostizieren lassen.
»Wir stehen vor einer epidemischen Ausbreitung der depressiven Erkrankungen«, sagt der Psychologieprofessor und Depressionsforscher Hans-Ulrich Wittchen (Universität Dresden und Max-Planck-Institut für Psychiatrie, München).
Dafür spricht auch, dass unter den 19 Millionen chronisch depressiven Amerikanern schon zwei Millionen Kinder sind. Dort ist das durchschnittliche Erkrankungsalter in einer einzigen Generation um zehn Jahre auf sechsundzwanzig gesunken.