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Die Chaosschwestern sind unschlagbar

Dagmar H. Mueller

 

Verlag cbj Kinder- & Jugendbücher, 2009

ISBN 9783641035488 , 256 Seiten

Format ePUB

Kopierschutz Wasserzeichen

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5,99 EUR


 

Malea
Wenn ich alle-alle-alle Möglichkeiten der Welt hätte, würde ich natürlich auf Hawaii leben, wo ich auch geboren bin. Ich würde jeden Morgen ein paar Stunden surfen, mich dann am Strand erholen und dann – ähm – hm, ja, was dann? Ein Mensch kann ja nicht stundenlang bloß nutzlos am Strand rumliegen. (Na gut, Tessa kann das vielleicht.) Man muss doch eine Aufgabe haben im Leben, oder? Und wenn es auch nur die Rettung von ein paar Menschen ist, die sich mit Fettbauch und Sonnenstich ins Meer geschmissen haben und keine drei Minuten später um Hilfe rufen. Aber ewig nur dämliche Touristen zu retten, ist auf Dauer bestimmt langweilig. Ich will ja nicht als Baywatch-Tussi enden. Also was dann? Was könnte MEINE Aufgabe sein im Leben? Hm … Der Nordpol und die Eisbären sind schon hundert Mal entdeckt worden, der Südpol und die Pinguine auch. Sämtliche Ozonlöcher und abgeholzte Regenwälder hat Livi fest im Griff. Der liebe, alte Walter Walbohm von nebenan kümmert sich um die armen Hühner in diesen Tierquäler-Käfigen. Und Rema, unsere Renate-Oma, marschiert eisern auf jeder Demo mit. Gegen alles, was mies ist, und für alles, was gut ist. Aber wenn alles schon entdeckt ist und sich um alle Schandtaten in dieser Welt bereits Leute kümmern, was bleibt dann für mich?
Neulich hatte Tessa in ihrer Klasse Berufsberatung. Da kommen dann Leute in die Schule, die einen interviewen und einem hinterher sagen, wofür man sich eignet. Hihihi, Tessa eignete sich für gar nichts.
Das fand sie aber gar nicht lustig. Sie hat natürlich behauptet, dass es überhaupt nicht so sei, dass sie sich für gar nichts eigne, sondern dass es vielmehr so sei, dass sie unzählige Talente habe. Und dass es deshalb schwer für die Berufsberater gewesen sei, eine eindeutige Richtung in der Begabung herauszufinden. Hahaha!
Rema – lieb wie sie ist – hat natürlich nicht gelacht, sondern gefragt, was Tessa denn gerne werden würde. Ganz egal, wofür sie begabt ist und was sie deshalb werden sollte. Tessa musste also einfach nur sagen, was sie wollen würde, wenn sie alles können könnte.
Das wusste Tessa aber auch nicht. Da hat Rema ein Spiel mit ihr gemacht.
»Stell dir vor, du hättest alle Möglichkeiten der Welt«, hat Rema gesagt. »Du könntest wohnen, wo du willst und wie du willst, und den ganzen Tag lang tun, was immer du willst. Was würdest du dann tun und wo würdest du leben?«
Rema hat natürlich gehofft, dass Tessa irgendwas sagen würde, was Rema einen Hinweis auf einen möglichen Beruf geben könnte. Also, wenn Tessa zum Beispiel »Nägel lackieren« gesagt hätte, was sie ja den ganzen Tag über tut (wenn sie nicht gerade damit beschäftigt ist, mit ihrer Freundin Dodo über Haarefärben in allen Mallorca-Blondtönen oder Augen-Make-up – mit Lidschatten-Sternchen und ohne – stundenlang am Handy zu quatschen), dann hätte Rema ihr wenigstens vorschlagen können, Kosmetikerin zu werden oder so was.
Tessa sagte aber nur: »Dodo und mir ist es relativ egal, wo wir wohnen. Da sind wir flexibel. Wir werden nämlich unheimlich reich sein und dann können wir sowieso überall auf der Welt wohnen.«
»Ja, aber wo WILLST du denn wohnen?«, hat Livi gefragt.
Na ja, zugegeben, Livis Stimme klang ziemlich ungeduldig. Fast schon genervt. Kein Wunder, dass Tessa so zickig reagiert hat. Obwohl Livi möglicherweise nur deshalb so ungeduldig war, weil Tessa gerade die Omelettes anbrennen ließ, die sie für uns in der Pfanne machen wollte, und Livi dachte, dass die vielleicht noch zu retten wären, wenn Tessa schnell antworten und sich dann wieder aufs Backen konzentrieren würde.
Na ja, das war dann nicht so.
»Was geht’s dich an!«, hat Tessa geraunzt, während der beißende Geruch der angekokelten Eierkuchen durch den Raum waberte. »Und überhaupt ist das doch total egal. Wichtig ist doch wohl, dass ich das tue, was mir Spaß macht.«
Da hat Rema natürlich sofort genickt. Allerdings auch kurz besorgt zur Pfanne rübergeguckt.
»Das ist unbedingt wahr, Mädchen«, hat Rema gesagt. »Ihr müsst im Leben immer darauf achten, dass ihr euch wohlfühlt. Und ich denke sowieso, dass man mit fünfzehn noch gar nicht wissen kann, was man später mal machen möchte.«
Ich glaube, Rema ist immer auf unserer Seite. Egal, was wir sagen oder tun. Rema ist einfach die liebste Renate-Oma der Welt.
»Soll ich mal?«, hat Livi in diesem Moment gesagt und Tessa mutig die Pfanne aus der Hand genommen.
Ein Glück! Ich fing auch schon an, mir Sorgen zu machen, dass wir möglicherweise zum Mittagessen trockenes Müsli knabbern müssten. Besonders Rema sah deutlich erleichtert aus.
Livi starrte für eine Sekunde enttäuscht in die Pfanne, wo der Rest der ersten Omelettes schwarze Blubberblasen warf und nur allzu offensichtlich nicht mehr zu retten war, und schmiss dann das Zeug mit einem Ruck beherzt in den Müll.
»Sag mal, spinnst du?«, fauchte Tessa.
»Och, nein!«, hauchte Rema.
Doch Livi ließ sich weder von Tessas Geraunze noch von Remas vorwurfsvollem Blick stören. Sie ging zum Kühlschrank, holte frische Eier, mixte die Zutaten neu und ein paar Minuten später roch unsere Küche wieder hoffnungsvoll nach Essen. Diesmal ohne unterschwelligen Brandgeruch.
Ich musste grinsen, weil der erleichterte Seufzer von Rema nicht zu überhören war.
»Du, Tessie«, plapperte Kenny unbekümmert drauflos, während sie es sich auf Remas kuscheligem Schoß gemütlich machte, »ich dachte, du willst in Spanien wohnen, wenn du groß bist.«
Tessa hat nämlich einen spanischen Freund, diesen Javier, der sie ab und zu – also eigentlich ziemlich oft – besuchen kommt.
»Na, hör mal, ich bin schon groß!«, hat Tessa empört geantwortet.
Aber dann hat sie doch gegrinst und etwas leiser genuschelt: »Vielleicht mach ich das mit Spanien.« Sie setzte sich kurz zu uns an den Tisch und suchte in ihrer Schultasche nach ihrem Handy. »Vielleicht auch nicht.«
»So«, meinte Kenny. »Und womit verdienst du das ganze Geld, das du dann hast? Willst du etwa auch Kochbücher schreiben wie Mama?«
Tessa starrte Kenny entsetzt an.
Nein …, jetzt wo ich so drüber nachdenke, guckte sie eher … ertappt! Und knallrot wurde sie auch! HA! Richtig schuldbewusst sah sie aus. Womöglich hat Kenny genau ins Schwarze getroffen?
»Blödsinn«, nuschelte Tessa nur. Und dann stand sie auf, weil sie zweifellos oben in ihrem Zimmer mit Dodo telefonieren wollte. War bestimmt wichtig, sie hatten sich ja seit ihrer Trennung auf dem Nachhauseweg von der Schule seit mindestens zwölf Minuten schon nicht mehr gesehen!
»Die Omelettes sind fertig!«, rief Livi hinter ihr her.
»Lass doch«, meinte Rema. »Sie kann sich ja später noch eins machen.«
»Mehr Eier haben wir aber nicht«, sagte Livi. »Ich hab die letzten eben genommen, und wer weiß, wann Aurora wieder welche legen wird.«
»Oder wo«, fügte Kenny grinsend hinzu.
Die letzten Eier hatte nämlich Kenny gefunden. Unter Cornelius’ Schlagzeug. Da hätte es bei der nächsten Rainbow-Probe absolut sicher Rühreier gegeben. Genau in diesem Moment kam Aurora durch die offene Tür in die Küche getippelt. Vor dem Herd blieb sie stehen, reckte ihren Hals vor und zurück und vor und zurück, legte ihren Kopf schief und schaute dann Livi vor dem Herd lange und nachdenklich an.
Ich bekam beinahe ein schlechtes Gewissen. Weil es doch Auroras Eier waren, die da in der Pfanne brutzelten …
Hängen Hühner eigentlich sehr an ihren Eiern?
Livis Omelettes schmeckten lecker. Wie alles, was Livi kocht. Und ich hoffte sehr, dass Aurora nicht erahnen konnte, was es wirklich war, das wir da in unseren Mund schaufelten.
Kenny drehte sich um und sah Aurora mit leuchtenden Augen an. »Halloho!« Kenny ist diejenige von uns, die sich am meisten ein Haustier gewünscht hat.
»Sitz!«, sagte Kenny und schaute Aurora streng an.
»Toooock!«, antwortete Aurora ziemlich irritiert und auch ein wenig verärgert.
Kenny ließ sich davon nicht im Geringsten beirren.
»Sitz!«, wiederholte sie energisch und hielt dazu verlockend ein Stück Omelette vor Auroras Schnabel.
Aurora reckte sofort ihren Hals.
Ich glaube echt, Hühner fressen alles. Ich habe jedenfalls noch nichts gesehen, das Aurora nicht zumindest probiert hätte.
Doch Kenny war erbarmungslos. »SITZ!«
»Mensch, Kenny!«, mischte sich Livi ein. »Wie soll sich das arme Huhn denn hinsetzen? Hühner setzen sich nur zum Brüten und nicht etwa an jeder Ampel wie ein Hund.«
Kenny verzog schmollend ihren Mund. Aurora spreizte ihre Flügel und reckte den Hals jetzt so weit, dass...