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Ein Geschenk von Tiffany - Roman

Karen Swan

 

Verlag Goldmann, 2012

ISBN 9783641090814 , 576 Seiten

Format ePUB

Kopierschutz Wasserzeichen

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8,99 EUR


 

Prolog

Kelly Hartford ließ ihren Blick aus dem Taxifenster schweifen. Um sie herum breitete sich die windzerzauste, wildromantische Moorlandschaft von Schottland aus. Doch trotz ihrer Bemühungen konnte sie nichts entdecken, das ihr bekannt vorgekommen wäre und darauf hingewiesen hätte, dass sie sich auf dem richtigen Weg befand: kein markanter, einzeln stehender Baum, kein Zierbau, der zum beeindruckenden Anwesen ihrer Freundin hätte gehören können. Es war exakt zehn Jahre her, seit sie zum letzten Mal hier gewesen war, und sie hatte ganz vergessen, wie abgelegen ihre Freundin hauste. Sie waren seit dreißig Meilen an keiner menschlichen Siedlung mehr vorbeigekommen. Abgesehen von dem einen oder anderen abgelegenen kleinen Gehöft war die weite Landschaft menschenleer. Keine Ahnung, wie Cassie das aushielt.

Die Sonne knallte blendend durchs Fenster, und Kelly kramte fahrig in ihrer Tasche nach ihrer Sonnenbrille. Noch so etwas, das sie vollkommen vergessen hatte: wie lange die Sommertage hier oben im Norden waren. Es war bereits sieben Uhr abends, aber die Sonne schien immer noch so hell wie am Mittag. Es würde elf werden, bevor sie sich endlich verabschiedete und hinter den schottischen Highlands verschwand.

Der Taxifahrer bog nach links in eine Art Feldweg ein, der inmitten der unendlichen Weite von der gewundenen Landstraße abzweigte. Kelly wedelte knackend mit ihren Daumen, so wie sie es von ihrer Physiotherapeutin eingetrichtert bekommen hatte, ehe sie sich wieder eifrig ans Speed-Texten machte. Allerdings nicht für lange. Die Fahrt wurde ungemütlich holprig, ein Schlagloch jagte das andere, und sie musste sich unwillkürlich an der Kopfstütze festhalten, um nicht das Gleichgewicht zu verlieren.

»Menschenskind«, brummte sie verärgert, während sie von den überbeanspruchten Stoßdämpfern hin und her geschleudert wurde, »so eine Schaukelei! Da könnte ich mich ja gleich auf ein Kamel setzen!«

Der mürrische Taxifahrer gab dazu keinen Kommentar ab, doch nun wusste sie immerhin, dass sie auf dem richtigen Weg waren: An diese holprige Zufahrtsstraße konnte sie sich nur zu gut erinnern. Tatsächlich tauchten weiter vorne auch schon die von Adlern bekrönten Säulen des Eingangstors nebst Pförtnerhäuschen, das die Zufahrt zu dem umfangreichen Anwesen bildete, auf. Endlich angekommen. Sie war schon fast den ganzen Tag lang unterwegs, hatte vom Heathrow Airport einen Anschlussflug nach Edinburgh genommen. Jetzt wollte sie nur noch duschen und sich ein wenig hinlegen, bevor es mit der Party losging. Sie hätte auch drei Stunden früher von Newark abfliegen, sich den Nachmittag über ausruhen und nachher in Ruhe alles Versäumte mit den Freundinnen bequatschen können, aber sie war nun mal ein JFK Girl – ein anderer Flughafen kam ihr gar nicht in die Tüte. Außerdem stand Bebe am Rande eines Nervenzusammenbruchs: Die Kollektion würde in Kürze auf den Laufsteg gehen. Sie hatte fast einen Herzinfarkt bekommen, als Kelly ihr beibrachte, sie müsse mal eben nach Schottland fliegen, um auf eine Party zu gehen. Erst in letzter Minute abzudüsen war das mindeste, was sie für die gestresste Modedesignerin hatte tun können.

Sie passierten das Eingangstor, und die braunlila Heidelandschaft wich abrupt einer Allee von hoch aufragenden, majestätischen Kiefern, deren Nadeln die Auffahrt wie einen Teppich bedeckten. Das Taxi schlängelte sich an weichen, mit magentafarbenem Klee bewachsenen Rasenhöckern vorbei, unterbrochen von rostrotem Ahorn und purpurnem Rhododendron. Diese rauschende Farbenpracht bildete nur den Auftakt: Hinter einem Torbogen aus zwei mächtigen Eiben tauchte nun das prächtige Herrenhaus auf. Kelly fand es noch beeindruckender als beim letzten Mal. Aus Naturstein gebaut wirkte es im vorherrschenden Regenwetter meist braun und trübe, aber heute hatte die langsam untergehende Sonne einen rosa Hauch auf das altehrwürdige Gemäuer gezaubert. Hoch ragte es auf, mit spitzen Giebeln, sechs an der Zahl, so hoch und schlank wie Hexenhüte. Steinstufen führten hinauf zum Eingangstor, Bleiglasfenster zierten die Fassade, darunter ein prächtiges großes Panoramafenster, das die Eingangshalle mit Licht durchflutete und von der Galerie aus einen herrlichen Ausblick über die Lammermuir Hills bot.

Das Taxi hielt vor der Eingangstreppe an. Kelly schaltete rasch den Klingelton an ihrem iPhone auf die maximale Lautstärke – sie wollte in dem riesigen Haus keinen Anruf verpassen. Anschließend senkte sie die Schultern und nahm ein paar tiefe Atemzüge, so wie sie’s beim Yoga gelernt hatte. Bebe würde schon ohne sie zurechtkommen. Morgen Abend würde sie ohnehin wieder ins Flugzeug steigen und Montag pünktlich zum Lunch im Büro erscheinen. Ein Kinderspiel. Es gab Leute, die länger auf dem Klo zubrachten.

Die Sektkorken knallten, während unten in der Eingangshalle die betuchte Standuhr siebenmal anschlug. Suzy schenkte die Gläser voll.

»Prost!« Cassie strahlte in die Runde. Ihre Augen funkelten. Sie saß im Schneidersitz auf dem Bett. »Auf uns!«

Anouk legte den Kopf zur Seite. »Das lass deinen Mann besser nicht hören«, sagte sie mit ihrem samtweichen französischen Akzent, »schließlich sind wir doch hergekommen, um auf euch beide anzustoßen!«

Cassie zuckte wegwerfend mit den Schultern und stieß einen seligen Seufzer aus. Anouk hatte natürlich recht. Sie und ihr Mann hielten es schon seit zehn Jahren miteinander aus – und das in einer Zeit, in der es die meisten Paare kaum auf zwei brachten. Um das zu feiern – gewaltig zu feiern, fast noch gewaltiger als ihre Hochzeit vor zehn Jahren –, waren sie hier. Und obwohl Cassie stolz darauf war – nicht zuletzt deswegen, weil sie ihrem Mann die Treue gehalten hatte –, freute sie sich noch mehr darüber, dass ihr dieser Anlass die perfekte Gelegenheit gab, ihre über die ganze Welt verstreuten Freundinnen endlich wieder einmal in ihre Gegend zu locken. Suzy, Kelly und Anouk sahen sich öfter, das wusste Cassie. In der Welt, in der sie lebten, waren London, Paris und New York ja praktisch Vororte einer gigantischen Megastadt – aber ein Ausflug in die schottische Wildnis? Wohl kaum. Dies war das erste Mal seit ihrer Hochzeit, dass sie wieder einmal alle zusammen waren. Wollte heißen, sobald auch Kelly endlich eintraf.

Cassie sah zu, wie Suzy eine pastellblaue Schachtel mit schokobraunen Punkten zur Hand nahm, die auf dem Fußende des Betts lag. »Sekt für dich und Gil, aber das hier ist nur für uns!« Sie klappte den Deckel auf: Vier überdimensionale Cupcakes lagen darin, zartgelb glasiert, garniert mit einer weißen Marzipanrose.

»Aaaah! Magnifique«, stöhnte Anouk, beugte sich vor und reichte Cassie einen.

»Gottchen, die sind ja entzückend!«, quietschte Cassie und hielt ihren ans Licht. »Wie kleine Babykaninchen.« Dundee Cake konnte mit derart hochentwickelter Konditorskunst Made in Pimlico, London natürlich nicht mithalten.

»Passionsfrucht?«, stieß Cassie verblüfft hervor und versprühte dabei einen Schauer von Kuchenkrümeln.

Suzy nickte. »Wie findest du’s? Das Rezept hab ich mit meiner Konditorei zusammen entwickelt. Die ersten Versuche waren zu matschig, die zweiten zu lasch. Aber ich glaube, jetzt haben wir’s – was meinst du?«

Cassie wankte hingerissen.

»Und wie führt sich deine derzeitige Braut auf? Geht’s einigermaßen?«, erkundigte sich Anouk. Sie saß kerzengerade auf dem Bett und pickte mit spitzen Fingern an ihrem Cupcake, wie ein Vögelchen an einem Krümel.

Suzy verdrehte die Augen. »Was glaubst du wohl? Andauernd überlegt sie es sich anders. Das Einzige, worüber sie noch nicht ihre Meinung geändert hat, ist der Bräutigam. Aber das kann auch noch kommen. Die Hochzeit ist erst in einem Monat.«

Anouk schüttelte kichernd den Kopf. »Wie hältst du das bloß aus? Dieses ganze Tamtam und der Stress, den dir deine Kundschaft macht.«

Suzy beäugte zerknirscht ihre Hüftpolster. »Ich versteh das einfach nicht – bei dem Stress müsste ich eigentlich abnehmen, statt zunehmen, aber irgendwie schaffe ich das nie. Und muss dazu noch mit ansehen, wie bei meinen Bräuten die Pfunde nur so purzeln. Wie kommt’s, dass ich die Einzige bin, die unter solchen Umständen auch noch zunimmt? Dabei hab ich doch den ganzen Stress – mit den Floristen, mit überbuchten Veranstaltungsorten, unzuverlässigen Musikbands, bekoksten DJs, launischen Pfarrern … ehrlich, ich hab schon alles erlebt. Da müsste man doch annehmen, dass ich nur noch ein Strich in der Landschaft bin. Von wegen!«

Cassie seufzte. Seit sie Suzy kannte – und das war praktisch seit ihrer Geburt –, befand sich diese auf einem Kreuzzug gegen ihre Figur. Mit zwölf bereits eins fünfundsiebzig besaß sie obendrein einen ziemlich kräftigen Körperbau. Sie schämte sich für ihre Größe, hatte immer das Gefühl gehabt, zu viel Platz zu verbrauchen. Selbst jetzt, mit dreißig, war sie den jugendlichen Wunsch, so sein zu wollen wie andere, nicht losgeworden. Was vielleicht auch kein Wunder war, da sie es tagaus, tagein mit magersüchtigen Bräuten zu tun hatte.

Doch was immer Suzy auch von sich hielt, Cassie fand, sie sah besser aus als je zuvor – ihr Alter merkte man ihr jedenfalls nicht an. Sie hatte einen zarten Teint, rosige Wangen, große braune Rehaugen und einen durchgestuften Kurzhaarschnitt, der für ihr feines dunkelblondes Haar ideal war.

Anouk war das glatte Gegenstück: petite, südländischer Typ – und alles andere als naiv. Sie trug ihr dichtes kastanienbraunes Haar in einem schicken Bob, der einen perfekten Rahmen für ihr zartes Gesicht mit den markanten Wangenknochen...