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Gedankenlesen durch Schneckenstreicheln - Was wir von Tieren über Physik lernen können

Werner Gruber, Heinz Oberhummer, Martin Puntigam

 

Verlag Carl Hanser Fachbuchverlag, 2012

ISBN 9783446433021 , 296 Seiten

Format ePUB

Kopierschutz Wasserzeichen

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11,99 EUR

Für Firmen: Nutzung über Internet und Intranet (ab 2 Exemplaren) freigegeben

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Was wären Sie lieber: ein Seehase, ein Wasserbär oder ein Wurmgrunzer? Sie müssen nicht sofort antworten. Aber entscheiden müssen Sie sich, und „keines von den dreien“ gilt nicht.

Wie die meisten Menschen bewundern vermutlich auch Sie edle, starke, erhabene Tiere mehr als ekelhafte, schleimige, kriechende Kreaturen. Häuptlinge, Eishockeymannschaften und schnelle Autos heißen in der Regel Hawks, Buffalos oder Lions, und wenn Schamanen die Hilfe ihrer Schutzgeister benötigen, dann rufen sie normalerweise nicht Ameise, Schildkröte oder Fadenwurm an, sondern Wolf, Adler und Bär. Instinktiv würde man also zu Wasserbär tendieren. Bären sind groß und stark, beliebte Wappentiere. Und sie können Winterruhe. Das würde die Energiesorgen der Menschheit rasant lindern, wenn ein Gutteil der Menschen jeden Winter für ein paar Monate schlafen würde, zusammengerollt im eigenen Fettmantel, die Zeitung vorher abbestellt und bei abgesenkter Raumtemperatur. Natürlich würde das ein gewisses Commitment voraussetzen. Zum Beispiel müssten wirklich alle schlafen. Denn wenn man nach vielen Wochen im Frühling aufwacht und aufs Klo gehen möchte, aber es ist kein Klo mehr da und überhaupt die gesamte Wohnung ausgeräumt, weil sich nicht alle an die Schlafregel gehalten haben, dann wäre Winterruhe oder Winterschlaf für uns auch kein Gewinn. Es können übrigens gar nicht alle Bären Winterruhe halten. Selbst wenn sie wollten. Manche haben dazu einfach keine Zeit.

Große Pandas etwa, die beliebtesten Bären des Globus. Wenn sie sich paaren, gibt es Liveübertragungen im Fernsehen. Wenn sie Junge bekommen, werden sie von Paparazzi belagert. Selbst ihre Nachgeburten gelten als Crowd Pleaser. Warum sind Pandas so beliebt? Man weiß es nicht genau. Ein Teil der Beliebtheit von Pandabären liegt sicher an ihrer Fellfarbe, die durch ihr konsequentes Schwarz-Weiß einen gewissen Retrocharme versprüht. Vielleicht fühlen sich Menschen in ihrer Gegenwart auch unbewusst sicher, weil Pandas ein bisschen aussehen wie ein Zebrastreifen.

Ansonsten ist der Große Panda aber eine unglaubliche Fehlkonstruktion. Er ernährt sich hauptsächlich von Bambus. Kein Mensch weiß, warum. Schließlich ist er ein Bär und besitzt die Grundausstattung eines Raubtieres. Zum Vegetarier wurde er erst auf dem zweiten Bildungsweg. Als ehemaliges Raubtier kann er Bambus mit seinem Verdauungsapparat nur zu etwa 20 Prozent verwerten, deshalb muss er Unmengen davon verzehren und hat sonst für fast gar nichts Zeit. Bis zu 20 Kilo am Tag, 16 Stunden lang. Das meiste davon muss er nach der Wanderung durch den Verdauungstrakt natürlich wieder loswerden. Knapp 100-mal am Tag defäziert ein ausgewachsener Panda. Viermal in der Stunde mithin. Da können wir froh sein, dass sich uns Menschen der Hund als Kulturfolger angeschlossen hat und nicht der Panda. Man möchte nicht wissen, wie es sonst in unseren Städten aussähe. Die Beliebtheit des Pandas rührt unter Umständen gar nicht daher, dass er bestimmte Dinge macht, sondern dass er bestimmte Dinge nicht macht: nämlich uns 24/7 auf den Gehsteig scheißen. Bei dieser Agenda ist natürlich an Winterruhe nicht zu denken.

Der Wasserbär hingegen kann nicht nur den ganzen Winter schlafen, nicht nur das ganze Jahr, sondern ganze Jahrhunderte. Zudem zählen Wasserbären zu den widerstandsfähigsten Lebewesen ever. Sie sind Großmeister im Überleben. Wenn Sie meinen, im Aufwachraum nach der Mandeloperation war es nicht besonders gechillt, dann fragen Sie einmal einen Wasserbären, wie er sich fühlt, wenn er wieder zum Leben erweckt wird. Aber glauben Sie mir, Sie wollen trotzdem kein Wasserbär sein. Warum, erfahren Sie auf Seite 196. (Aber nicht gleich jetzt vorblättern, sonst versäumen Sie die Reisewarnung ins Reich des Hasen.)

Sie meinen, dass Sie als Hase besser dran wären? Hier hat der Volksmund, vor dem man sich in der Regel hüten soll, ausnahmsweise einmal recht: glauben heißt nicht wissen. Nur weil Hasen als eierlegendes Beiwerk zum Osterfest von den meisten Menschen nicht ernst genommen werden, würde ich sie an Ihrer Stelle nicht unterschätzen. Bloß weil Sie Ihr eigenes Kaninchen niedlich finden, heißt das nicht, dass nicht die dunkle Seite der Macht in ihm schlummert. Wie das? Aufgepasst! Hasen haben zwar grundsätzlich keine Street Credibility als Raufbolde, bei deren Anblick man sich bekreuzigt und lieber die Straßenseite wechselt. Aber sie können für Menschen lebensgefährlich sein, wenn man es drauf anlegt. Nicht so wie das Killer-Kaninchen in Monty Python and the Holy Grail, das ist übertrieben. Auch Kaninchen sind an die Gesetze der Schwerkraft gebunden. Aber Kaninchen können als Mordwaffe verwendet werden.

Wie machen sie das? Suchen sie sich ein Maschinengewehr, legen sich auf den Abzug und mähen im Sperrfeuer alles nieder, was ihnen zu nahe kommt? Nein. Kaninchen, die töten, machen sich im Sinne des Gesetzgebers nicht strafbar. Denn sie töten, indem sie verzehrt werden. Und da können sie nachweislich gar nichts mehr aus eigenem Antrieb machen. Allerdings nimmt sich das Kaninchen, anders als der weltberühmte Kugelfisch Fugu, Zeit zum Töten. Der Kugelfisch hat es diesbezüglich eilig, und wenn man die falschen Teile von ihm isst, nämlich Darm, Rogen, Leber und gegebenenfalls auch die Haut, bekommt man kein Freispiel gratis dazu, sondern das hochwirksame Gift Tetrodotoxin, das in der passenden Dosierung innerhalb weniger Minuten zu Atemlähmung führt. Das schaut sicher sehr eindrucksvoll aus, aber wenn man in ein japanisches Restaurant zum Fugu-Essen fünf Minuten zu spät kommt, etwa wegen unregelmäßiger Zugfolgen bei der U-Bahn, dann hat man das Beste vielleicht schon versäumt, und der Gastgeber ist bereits nicht mehr steuerpflichtig. Das kann einem beim Kaninchen nicht passieren. Gefährlich ist nämlich nicht das Kaninchenfleisch an sich, sondern der einseitige Verzehr von magerem Fleisch. Wenn man sich ausschließlich von magerem Fleisch ernährt, dann bleibt man trotzdem stets hungrig, obwohl man von Tag zu Tag sogar immer mehr isst. Kurz bevor das Kaninchen final zuschlägt, isst man bis zu viermal mehr als zuvor. Dann treten Hungersymptome wie Anzeichen von Proteinvergiftung auf, und schließlich stirbt man. Man verhungert quasi allein vor der Grillplatte für zwei Personen, weil man nur das Fleisch isst und das Beilagengemüse verschmäht.

Tod durch Kaninchenbraten ist aber keineswegs ein Massenphänomen, da brauchen Sie keine Angst zu haben. Und auch als Selbstmordmethode ist es nur etwas für Menschen, die auch im Ableben unbedingt das Besondere suchen. Aber unter welchen Umständen können Kaninchen tödlich sein für Menschen? Woher weiß man das? Gilt das für alle? Ist das ansteckend? Wie kann ich mich davor schützen? Und zahlt das die Krankenkasse? Eins nach dem anderen, Rom wurde auch nicht an einem Tag erbaut, andererseits aber gut zuhören, der Pfarrer predigt auch nicht zweimal, zu Tode gefürchtet ist auch gestorben. Sind wir quitt, können wir Stoff machen, oder hätten Sie gerne Sie noch ein paar Plattitüden? Also. Forschungsreisende im 19. Jahrhundert, Inuit und auch amerikanische Ureinwohner, die, vor allem nach dem Winter, nur abgemagertes Wild erlegen konnten, waren mit diesem heimtückischen Phänomen konfrontiert. Ahnungslos setzten sie Meister Lampe an die Spitze ihrer Nahrungsmittel-Charts, und eh sie sich’s versahen, waren sie auch schon Ex-Forschungsreisende im 19. Jahrhundert, Ex-Inuit und auch Ex-Ureinwohner. Kaninchenauszehrung oder besser Kaninchenhunger (rabbit starvation) nennt man die Krankheit. Grundsätzlich geht es aber um zu viel mageres Fleisch, das Fleisch kann genauso von mageren Vögeln stammen, wenn es morden soll.

Der menschliche Körper schätzt diese einseitige Diät überhaupt nicht und weist seinen Besitzer mit Durchfall, Schwäche, Kopfschmerzen, Müdigkeit, niedrigem Blutdruck, schwachem Puls und Ableben darauf hin. Warum wir Menschen vom Essen sterben können, wenn es kein Fett enthält, ist allerdings nicht bekannt. Angefangen bei Vitaminmangel und Übersäuerung bis hin zur Überfrachtung des Blutes mit Abbauprodukten des Eiweißstoffwechsels gibt es viele Theorien, aber kaum Beweise. Was man immerhin weiß: Fett hilft als Arznei. Als vorbeugende Maßnahme gegen Kaninchenauszehrung also Kaninchen vorsichtshalber immer im Speckmantel verzehren. Oder gleich falschen Hasen bestellen. Da ist man dann überhaupt auf der sicheren Seite. Ähnlich gefährlich wie die Kaninchenauszehrung ist übrigens die Ananasdiät. Die kennen Sie vielleicht als Witz, den ein Bürokollege gnadenlos kredenzt, wenn man nicht rechtzeitig hochkonzentriertes Arbeiten vortäuscht. Er geht so, festhalten: „Ich mache gerade die Ananasdiät. Da darf man alles essen (dramatische Pause), außer Ananas.“ Wer dann nicht mitlacht, bekommt nie mehr eine PowerPoint-Präsentation per E-Mail geschickt oder einen Link zu einem lustigen YouTube-Video.

Die Ananasdiät, vor der man sich noch mehr hüten soll als vor Arbeitskollegen, die gerne Witze über sie erzählen, besteht darin, dass man sich eine Zeit lang im Wesentlichen nur von Ananas ernährt. Man verliert dadurch in kurzer Zeit ein wenig Gewicht, durch Entwässerung, das man aber sofort wieder zugelegt hat, wenn man wieder normal trinkt. Frischer Ananassaft entwässert extrem. Das heißt in erster Linie: Klogehen galore. Die Ananasdiät ist also komplett sinnlos, aber das gehört zu ihrer Job Description, schließlich handelt es sich um eine Diät.

Und warum machen Menschen das dann trotzdem? Aus Sehnsucht nach der sogenannten Idealfigur. Aus sozialem Zwang. Oder aus Lebensüberdruss. Lebensüberdruss deshalb, weil in der frischen, rohen Ananas das Enzym...