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Osterfeuer - Kriminalroman

Ella Danz

 

Verlag Gmeiner-Verlag, 2021

ISBN 9783839232484 , 350 Seiten

2. Auflage

Format PDF, ePUB, OL

Kopierschutz Wasserzeichen

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9,99 EUR


 

2


 

Niedlich sahen sie aus, die kleinen Schiffchen aus Mürbeteig mit ihrer schweren Last aus zartgelber Eiercreme und rosafarbenen Krabben, wie sie auf dem Backblech, einer stolzen Flotte gleich, bereit standen, um in milder Ofenhit-ze ihre geschmackliche Vollendung zu erlangen. Doch sie mussten sich gedulden, denn ein dicker, kunstvoll geflochtener Hefezopf, war gerade dabei sich nach allen Seiten zu dehnen und aufzublähen und hielt den Platz in der Backröhre noch besetzt. Außerdem verströmte er einen atemberaubenden Duft. Laut und deutlich war ein knurrender Magen zu vernehmen.

»Lang halt ich des aber nimmer aus …«

Mit einem Seufzer bückte sich der fast zwei Meter große, kräftige Mann nach der Tür des Küchenschranks, beförderte eine Platte Royal Copenhagen heraus und arrangierte darauf ebenso liebevoll wie bedächtig dünn geschnittene Scheiben mageren Katenschinkens, eine Lage kräftige Mettwurst sowie einen Ring geräucherte Leberwurst. Am Tag zuvor war er extra zu einem Bauernhof gefahren, der biologisch-dynamisch wirtschaftete und dessen Besitzer er persönlich kannte, um diese Wurstwaren von außergewöhnlicher Qualität zu besorgen. Dafür war ihm kein Weg zu weit. Die Auswahl landestypischer, kulinarischer Spezialitäten war hier im Norden eh nicht so groß, da war er aus seiner fränkischen Heimat anderes gewöhnt. Hier gab es Lübecker Marzipan, Katenschinken und – na ja, Fisch in allen Variationen, weil man das Meer in der Nähe hatte, aber sonst?

Während er über diese Frage sinnierte, wanderte sein Blick in den kleinen Garten, der hinter der Küche lag und dessen Rasenfläche üppig von leuchtend gelben Narzissen flankiert wurde. Gedankenverloren schob er sich eine Scheibe Schinken in den Mund. Dieser frühlingsfarbene Anblick war natürlich das Verdienst von Astrids unerschöpflicher, nicht zu bremsender Aktivität. Voller Bewunderung gedachte er all der Dinge, die sie quasi nebenbei vollbrachte: Die Organisation des Haushalts, der Garten, die Erziehung der Zwillinge, sämtliche ›social relations‹ zu Familie und Freunden, Freizeitunternehmungen und Urlaub, nicht zu vergessen das familiäre Finanzwesen. Und all das, trotz ihres beruflichen Engagements als Sozialpädagogin in einem Hilfsprojekt für Asylbewerber. Da war es mehr recht als billig, dass er heute für die Ausrichtung ihres traditionellen Brunches am Ostersonntag zuständig war. Zumal Astrid die ständige Alltagskocherei für die Familie eher als Last denn als Lust empfand. Sie erledigte diese Pflicht zwar zur allseitigen Zufriedenheit, doch wenn es etwas Besonderes sein sollte, überließ sie gerne ihrem Mann das Feld. Ja, Kochen, das konnte er, es war sozusagen seine absolute Leidenschaft, wie auch das Essen. Wie sonst konnte er neue Geschmackserlebnisse entdecken und sie dann selbst erschaffen und variieren, wenn er nicht mit seiner feinen Zunge und sensiblen Nase intensive Forschung betrieb?

»Guten Morgen und frohe Ostern, mein Bär! – Das sieht hier ja schon sehr appetitlich aus!«

Astrid, das blonde Haar vom Schlaf noch ganz zerwühlt, stand barfuss in ihrem silbergrauen Morgenmantel in der Tür und lächelte ihrem Mann zu.

»Nix is am Morgen so appetitlich wie du, mein Schatzi! dir auch frohe Ostern!«

Mit zwei Schritten war er bei ihr, küsste sie auf beide Wangen und hob sie ohne jede Anstrengung einen Meter über den Küchenfußboden. Trotz ihrer neununddreißig Jahre und einer Zwillingsschwangerschaft hatte Astrid immer noch die knabenhaft schlanke Figur wie damals, als er sie kennen lernte. Er drehte sich wie zum Tanz mit ihr im Kreis.

»Bitte Georg, lass mich runter! Mir wird schwindlig und bald kommen unsere Gäste. Du weißt doch, wie überpünktlich Mutti immer ist!«

»Da hast du allerdings recht!«

Georgs Miene verfinsterte sich bei dem Gedanken an seine Schwiegermutter und resigniert stellte er Astrid auf den Boden zurück.

»Kannst du vielleicht noch der Festtafel den letzten Schliff geben? Du machst das eh viel besser als ich …«

Auf die Bitte zu antworten war Astrid nicht mehr möglich, da in diesem Augenblick Julia und Judith – wie meist im Doppelpack – in ihren Nachthemden die Treppe herunterstürmten und lautstark nach dem Osterhasen verlangten, beziehungsweise nach seinen Gaben.

»Auch St. Louis möchte ein Osternest suchen. Nicht wahr mein Süßer?«, Julia herzte und küsste den verängstigt äugenden Hamster in ihren Händen.

»Und Barbie natürlich auch!«, betonte Judith und hielt ihrem Vater einen ausgestreckten Arm hin an dessen Ende auf ihrer flachen Hand eine weiße Ratte saß und neugierig in die Gegend schnüffelte.

»Ist sie nicht abartig schön, Papa? Sag doch mal! Und draußen scheint die Sonne und da könnten wir doch gleich …«

»Frohe Ostern, Mädels!«

Astrid hatte ihre Stimme etwas gehoben, um sich gegen das eingespielte Duo durchsetzen zu können.

»Ja, frohe Ostern, frohe Ostern, Mama, Papa!«

»Und St. Louis!«

»Ja, und Barbie! Frohe Ostern!«

Die Zwillinge, zwölf Jahre alt und kaum zu bändigen vor Energie und Fantasie, hingen abwechselnd an Georg und Astrid und küssten sie ab, zwischendurch kamen ihre Haustiere dran und Georg war wie immer erstaunt, dass zwei so kleine Wesen so ein Tohuwabohu veranstalten konnten.

»Kinder!«

Astrid war diejenige, die sie wieder zur Ruhe bringen konnte und sie geschickt zu Komplizen machte, was den bevorstehenden Besuch der Oma und der anderen Gäste betraf.

»Also, ihr wisst Bescheid: Wir wollen doch alle einen schönen Ostersonntag haben und dazu gehört, dass Oma, Opa und alle anderen sich wohl fühlen und alles gut klappt. Wollt ihr dabei helfen?«

»Jaaa!«, riefen sie wie aus einem Munde, doch Judith, die forschere von beiden, musste noch hinzufügen:

»Die Oma meckert sowieso immer.«

Astrid warf ihrer Tochter einen sanft rügenden Blick zu, nahm aber trotzdem die nicht unwahre Bemerkung auf:

»Die Oma ist eben sehr anspruchsvoll und wir wollen versuchen, ihr einfach keinen Grund zur Klage zu geben …«

Die Zwillinge schauten ihre Mutter skeptisch an.

»Ihr wisst, die Großeltern möchten beim Ostereiersuchen dabei sein. Also, zieht euch die tollen neuen Sachen an, die ihr euch letzte Woche ausgesucht habt, und dann helfen wir alle zusammen, den Tisch fertig decken, und dem Papa noch ein bisschen in der Küche …«

»Und eure lieben Tierchen lasst ihr bitte in ihren Käfigen!«, fügte Georg mit gebotener Strenge hinzu.

»Es gibt da ein paar Leut, die haben ihre Probleme mit Ratten und Hamstern beim Frühstück.«

»Oh wie gemein! Die arme Barbie, soll die denn nicht merken, dass Ostern ist? Nur wegen der doofen Erwachsenen? Das find ich so was von krass!«, empörte sich Judith sofort und auch Julia fing an, ihren armen St. Louis zu bedauern. Im Grunde aber war ihnen diese Maßnahme einsichtig. Es würde sich später sicher eine Gelegenheit finden, ihre beiden über alles geliebten Hausgenossen allen Anwesenden angemessen zu präsentieren. Die ganze Familie bereitete nun sich und die Frühstückstafel mit Eifer für den Empfang der Gäste vor.

 

Zwei Stunden später hatte man die Ostereiersuche hinter sich, alle saßen um den großen Tisch und ließen sich die Köstlichkeiten schmecken, die Georg zusammengetragen und zubereitet hatte. Die geballte Anwesenheit von Astrids Familie – außer ihren Eltern, ihre beiden Schwestern mit ihren Männern und insgesamt vier Kindern – löste bei Georg immer ein Gefühl der Beklemmung aus. Zum Glück lockerte Steffen, sein erster und bester Freund, den er in Lübeck gefunden hatte und der zumindest für ihn und Astrid auch zur Familie gehörte, die Atmosphäre etwas auf. Neben beruflichen Interessen verband ihn mit Steffen eine Begeisterung für alles Italienische, sei es Land, Leute, Kultur und vor allem die Neigung für alles Kulinarische, nicht nur aus Italien. Während er, Georg, jedoch eher undogmatisch und improvisiert in der Küche wirkte, bewunderte er seinen Freund als einen wahren Kochkünstler, der es mit jedem Sterneprofi hätte aufnehmen können.

Steffen hegte eine unerklärliche Vorliebe für gepflegte Gespräche mit älteren Damen, ja er gab in gewisser Weise bühnenreife Vorstellungen in kultiviertem Klatsch und Tratsch, was ihn in den entsprechenden Kreisen ausgesprochen beliebt machte. Schon kurz nach dessen Eintreffen hatte seine Schwiegermutter Johanna den Freund mit Beschlag belegt und fragte seine Meinung zu den unterschiedlichsten lokalen bis internationalen Themen ab. Als Rechtsmediziner im Besitz eines Doktortitels und mit dem klangvollen Namen Steffen von Schmidt-Elm ausgestattet, als Antiquitätenkenner und Kunstfreund, Mitglied eines viel gerühmten Laienensembles für alte Musik, in dem er Cello spielte, war der von Johanna so bezeichnete ewige Junggeselle für würdig befunden worden, in ihren Kreisen verkehren zu dürfen, ohne durch Geburt zur alteingesessenen Lübecker Gesellschaft zu gehören. Was sie nicht wusste und was Georg auf Anraten seiner Frau auch nicht erklärte, war, dass die...