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In Wahrheit wird viel mehr gelogen

Kerstin Gier

 

Verlag Verlagsgruppe Lübbe GmbH & Co. KG, 2009

ISBN 9783838701189 , 280 Seiten

Format ePUB

Kopierschutz Wasserzeichen

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9,99 EUR

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"(S. 179-180)

»Die Herrlichkeit der Welt ist immer adäquat der Herrlichkeit des Geistes, der sie betrachtet. Der Gute findet hier sein Paradies, der Schlechte genießt schon hier seine Hölle.«
Heinrich Heine  
Willkommen in meiner Hölle.


Ich hatte mir durchaus ab und an – in Momenten mit masochistischen Anwandlungen – Leos und meine Wiederbegegnung ausgemalt. Mir war schon klar, dass wir noch eine Rechnung miteinander offen hatten. Er mit mir, weil ich in derselben Nacht, in der er unserer Beziehung eine Auszeit verordnet hatte, mit seinem Vater ins Bett gegangen war, und ich mit ihm, weil … – na ja, insgesamt war er nicht besonders nett zu mir gewesen, oder? Ich meine, er hatte mir das Gefühl gegeben, nicht gut genug für ihn zu sein, und er hatte mich »seltsam« und »labil« und eine notorische Lügnerin genannt.

Und ganz offensichtlich waren seine Schwestern und seine Mutter ihm viel wichtiger gewesen als ich, und dann hatte er noch … – okay, ich geb’s zu, verglichen mit dem, was ich getan hatte, waren das alles Peanuts. Ich hatte nicht nur mit seinem Vater geschlafen, ich hatte ihn auch noch geheiratet und anschließend beerbt. Die wenigsten Männer würden da großzügig drüber wegschauen, denke ich. Ich hatte in den vergangenen fünf Jahren öfter darüber nachgedacht, mich bei Leo zu entschuldigen. Ich hatte auch mehrfach einen Brief an ihn angefangen. Aber es gibt wohl Dinge, für die man sich nicht wirklich entschuldigen kann. Und bei allem, was ich hätte schreiben können, wäre es von Leo wahrscheinlich nur als weitere Verhöhnung wahrgenommen worden.

Es tut mir leid, dass ich mich Hals über Kopf in deinen Vater verliebt habe. Es tut mir leid, dass ich jetzt mitreden kann, wenn jemand von der großen Liebe spricht. Es tut mir leid, dass ich glücklich bin. Es tut mir leid, dass ich endlich jemanden gefunden habe, der mich so liebt, wie ich bin. In meiner Idealvorstellung war eine Wiederbegegnung immer ungefähr so abgelaufen: Variante 1: Leo ist in Schwierigkeiten (in einem Rechtsstreit ist er in den Fokus der Russenmafia geraten und muss fliehen), und während alle anderen sich ängstlich aus der Sache heraushalten, helfen Karl und ich ihm selbstlos (mit Hilfe von Karls Kontakten und meiner Genialität) aus der Patsche.

Anschließend fällt Leo uns dankbar in die Arme und sagt, dass nun alles vergeben und vergessen sei. Variante 2: Leo ist sterbenskrank und braucht eine Niere, Karl will ihm sofort eine von seinen spenden, aber leider ist er als Spender nicht kompatibel. Und deshalb spende ich Leo eine von meinen Nieren und rette ihm damit das Leben. Im Aufwachraum werden wir beide nebeneinandergeschoben, und Leo sieht mich an und sagt: »Bitte verzeih mir, dass ich dich für eine unmoralische Schlampe gehalten habe.« Es gab noch ein paar weitere Varianten, aber in keiner klebte mir das Haar unvorteilhaft an der Kopfhaut fest, in keiner Variante war ich total verheult, und selbstverständlich waren meine Schuhe auch nicht voller Hundekacke. Tja, aber das Leben ist kein Wunschkonzert, wie mein Vater immer zu sagen pflegte."