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Die Konkubine des Mörders - Historischer Roman

Bettina Szrama

 

Verlag Gmeiner-Verlag, 2010

ISBN 9783839234525 , 321 Seiten

Format PDF, ePUB, OL

Kopierschutz Wasserzeichen

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10,99 EUR


 

I. Kapitel


Es ist das Frühjahr 1632. Die Bestie im Menschen war erwacht. Ausgelöst durch einen nicht enden wollenden Krieg, unter dessen Kriegslasten das Land seit nunmehr vierzehn qualvollen Jahren litt. Dort, wo einst Gottesfurcht und Ehrbarkeit regierten, brachten Ligisten und Kaiserliche, Dänen und Schweden, Freund und Feind Verzweiflung und bittere Not. Als sich der einst umjubelte Schwedenkönig Gustav Adolf in seinem Bestreben, Kurfürst Maximilian von Bayern von seinem Land südlich der Donau zu isolieren, nach einer kurzen Belagerung Ingolstadts endlich entschloss, nach Landshut weiterzuziehen, ließ er seinen Unmut über die durch die Bayern erzwungene Verzögerung vor Regensburg an der Landbevölkerung aus. Aber nicht nur seine Soldaten brandschatzten, mordeten und plünderten, auch versprengte Söldner der Katholischen Liga des von ihm zuvor bei Breitenfeld geschlagenen und in Ingolstadt seinen Verletzungen erlegenen Reichsherrn von Tilly standen ihm in nichts nach. So groß waren die Grausamkeiten, welche die Landsknechte in den umliegenden Dörfern hinterließen, dass kein Blut, kein Tränenstrom den Himmel zu erweichen vermochte. Blutdurst und Wolllust gingen Seite an Seite mit Hunger und Not. Scharenweise liefen Wölfe umher, drangen bis in die Städte vor und Banditen und Mörder machten die Straßen unsicher. Das Morden war so groß, dass für eine höhere Gerechtigkeit kein Raum mehr blieb …

Der Hof von Curd Tönnjes aus dem Audorf Hundszell war von den üblichen Plündereien bisher verschont geblieben. Nun aber sollte das Schicksal auch ihn ereilen. Der Tod kam an einem Sonntagmorgen im April. Die Sonne war gerade aufgegangen und blinzelte verschlafen durch die Zweige der alten Weide am Brunnen. Aus dem Kuhstall, gleich neben dem Wohnhaus, klang das morgendliche Scheppern der Milchzuber, unterbrochen vom zufriedenen Kauen der Kühe. Lediglich der Hahn auf dem Misthaufen krähte an diesem Morgen anders als gewöhnlich. Aufgeregt plusterte er das bunte Gefieder und blähte die Brust. Dabei hüpfte er auf und nieder, als wollte er den Hennen auf dem Hof etwas mitteilen. Doch die Hühner scharrten eifrig weiter im Sand und pickten nach den Weizenkörnern, die der Bauer vor ihnen ausgestreut hatte.

Als ahnte er, welches Unheil seinem Hof drohte, nahm Tönnjes das friedliche Bild einen Moment nachdenklich in sich auf, bevor er die Schritte eilig zum Pferdestall lenkte. Vor dem Stalltor blieb er stehen und blickte mit gerunzelter Stirn auf den Hund an seiner Seite.

»Still, Wolf«, mahnte er. Aber das kräftige Tier knurrte weiter und stellte das Nackenfell auf. Beunruhigt rief er durch den offenen Türspalt des Stalls nach dem Sohn. »Johann, was hat der Hund nur?« Dabei dachte er an die siebenundzwanzig Groschen Kopfsteuer, die der Vogt noch von ihm forderte und an die Schweden, deren Kanonendonner seit Tagen die ländliche Stille zerriss. Im gleichen Moment quietschte das Holztor und der Gerufene erschien im Torrahmen. Er reichte dem Vater gerade bis zur Schulter und seine Beine steckten in einer Bauernhose aus zwei schmutzigen Beinlingen, die er um die Hüften mit einem dicken Strick zusammenhielt. Aus seinem Hosenbund ragte der Schaft eines langen Messers.

»Wolf verhält sich schon den ganzen Morgen so ungewöhnlich«, entgegnete der Sohn. »Vielleicht sind die Wölfe wieder unterwegs.«

Belustigt über die kindliche Naivität zog Tönnjes den Burschen scherzhaft an den Ohrklappen der viel zu großen Kappe, unter der er das jungenhafte Gesicht verborgen hielt. »Dein Wort in Gottes Ohr«, knurrte er, während er den Hund im Auge behielt. »Ich habe gestern zwei Wölfe geschossen, die sich bei den Weiden umhertrieben. Aber viel lieber hätte ich einen schwedischen Hundsfott vor mein Rohr bekommen.«

Da wehte es plötzlich zu ihm her, jenes ferne, allzu bekannte, merkwürdige Grollen, dass der Wind mitgenommen hatte und nun über den Wald und die Äcker trieb. Tönnjes hob den Kopf, blickte über die Wiesen, unendliche Wiesen mit zarten Grün, und Äcker, auf denen das reifende Korn die ersten Spitzen zeigte, unterbrach das Gespräch und lauschte.

»Pferdehufe? Ganz klares Hufgetrappel«, stellte Johann nüchtern fest und trat hinter den Vater. »Sie bewegen sich auf uns zu.«

»Die Schweden …?«, mutmaßte Tönnjes, gleichfalls überkam ihn die Angst. Er spuckte auf den Boden, trat mit dem Fuß darauf, und knurrte: »Gott befreie uns endlich von diesem Gesindel.«

In diesem Augenblick rollte eine Staubwolke die Straße, den Abhang herauf. Hufe ließen den Boden erzittern.

Mit scharfem Blick erkannte Tönnjes die Musketen und Lanzen in der Wolke. Seit Jahren umgeben von Brandschatzung und Räuberei, wusste er, dass er jetzt rasch handeln musste. Er packte Johann und schubste ihn zurück in den Stall. Dabei schrie er aufgeregt: »Es sind die jungen Stiere. Die Gelbröcke haben ihnen brennende Holzscheite zwischen die Hörner gebunden! Die Hurensöhne treiben sie auf den Hof zu. Sie wollen den Hof niederbrennen! Treib die Pferde aus der Scheune! Ich laufe zum Kuhstall!«

Im Stall saßen sein Weib und seine Tochter Marie bei den Kühen, mit einem Holzzuber zwischen den gespreizten Schenkeln. Beide Weiber sprangen vor Schreck fast gleichzeitig auf, als er die Tür aufriss und in den Stall brüllte: »Der schwedische Hundsfott kommt, wir müssen uns in Sicherheit bringen!«

Die Milch aus den umgeworfenen Zubern versickerte zu ihren Füßen im Stroh. Marie wischte sich die feuchten Hände am Rock ab und fragte mit ängstlicher Stimme: »Kommen jetzt die Gelbröcke auch zu uns, um uns das Korn und das Vieh zu nehmen und uns zu traktieren, wie sie es mit den Nachbarn getan haben?«

Tönnjes stürzte auf das Mädchen zu und riss sie hastig in seine Arme. Für Zärtlichkeiten blieb nicht mehr viel Zeit. Mit Tränen in den Augen küsste er ihr den Scheitel. Dann schob er sie rasch von sich und sagte: »Nimm die Pferde und reite mit deinem Bruder in den Wald, zur Höhle. Du bist mutig und tapfer wie ein Bub und ich kann mich auf dich verlassen. Zudem kennst du den Weg. Ich versuche sie derweil von euch abzulenken und folge dann mit der Mutter nach. Gott wird uns schützen!«

Gehorsam begab sich Marie zum Bruder, der die jungen Pferde bereits aufgeregt auf dem Hof zusammentrieb.

Das Weib rannte indessen durch den Stall in das Wohnhaus, wo Tönnjes sie rumoren hörte, während er rasch das alte Milchpferd aus dem Stall holte. Für den Bruchteil einer Sekunde drückte er sein Gesicht in das dichte Fell des schweren Rappen. Jahrelang hatte er ihm im Pflug und vor dem Wagen treu gedient. Für die Schweden war das Tier wertlos. Wenn er es zurückließ, war es verloren.

Die Staubwolke hatte sich verdichtet und der Wind brachte die Schreie des Schwedentrupps immer näher. Die Geschwister verständigten sich mit einem einzigen Blick. Dann schwang sich Marie wie ein Junge auf einen der Pferderücken. Festgeklammert an der dichten Mähne und wie eine Katze an den Pferdehals geschmiegt, rief sie: »Lauf Brauner, lauf um dein Leben!«

Der Bruder hatte es ihr gleichgetan. Auch er lag mehr, als dass er auf dem Pferd saß und hielt den kräftigen Pferdehals mit seinen Händen umklammert. Er schnalzte mit der Zunge und beide schlugen den Pferden, wie auf Kommando, die nackten Schenkel in die Seiten. Wie der Wind stoben sie vom Hof, lediglich mit Stricken und einem Messer bewaffnet. Drei junge Falben folgten ihnen mit wehender Mähne.

Nachdem Tönnjes dem Rappen das Kummet über den Hals geschoben hatte, sah er kurz auf und blickte hinüber zur Waldkante. Er hoffte seine Kinder in Sicherheit. Doch sein Blick verfinsterte sich, als er die zwei fremden Kürassiere bemerkte, die ihnen dicht auf den Fersen folgten. Rasch schob er den Gaul in die Deichsel, nahm die Büchse vom Wagen und feuerte wütend auf die Verfolger. Jedoch galoppierten diese unbeirrt weiter.

Der Schuss war noch nicht verklungen, da kam er selbst in Bedrängnis. Er warf dem Rappen die Leinen über, sprang auf den Bock und schrie über den Hof, während er das Pferd antrieb: »Lass das Packen, Weib, und spring schnell auf!«

Pferde schnaubten, Reiter johlten und dem Kleinknecht, der die Stiere aufhalten wollte, teilte ein Schwerthieb das Gesicht. Blutüberströmt brach er vor dem Scheunentor zusammen. Die Leiber der Stiere dampften. Sie polterten über den Hof. Es roch nach verbranntem Fleisch. Die Magd und der Großknecht rannten in Panik aus dem Haus und suchten ihre Rettung in den Wiesen. Dort wurden sie von ihren Verfolgern eingeholt, mit dem Schwert niedergestreckt und von den Pferdehufen überrannt. Der Rappe, zwischen drängelnden und schiebenden Stierleibern, bäumte sich auf, stieg in der Deichsel, und Tönnjes sah sein Weib mit einem Beutel Geschirr in der Hand hinter dem Wagen herrennen. Ein Gelbrock verfolgte sie johlend und versuchte ihr das Bündel aus der Hand zu reißen. Wütend sah es der Bauer, riss das Gespann herum, beugte sich vom Wagen und schlug mit der Peitsche auf den Vermaledeiten ein. Gleichzeitig reichte er dem Weib seinen Arm. Da zerriss ein ohrenbetäubender Knall die Luft. Gewehrkugeln pfiffen ihm um die Ohren, und sein Eheweib schleuderte die Arme in die Luft. In dem sich auflösenden Rauch sah er ihre erschrockenen Augen und den vor Entsetzten weit geöffneten Mund. Dann wurde er auf den Boden geschleudert. Der Rappe machte einen gewaltigen Satz nach vorn, mit vor Angst geblähten Nüstern. Im letzten Moment erwischte Tönnjes die Leinen und klammerte sich daran fest. Es war noch nicht lange her, dass er als Reiter unter den Schweden gedient hatte. Diese Erfahrung kam ihm nun zugute. Rasch hangelte er sich an den Riemen über die Kruppe bis zum...