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Geriatrie für Hausärzte
Gabriela Stoppe, Eva Mann
Verlag Hogrefe AG, 2009
ISBN 9783456947051 , 456 Seiten
Format PDF, OL
Kopierschutz Wasserzeichen
34 Angehörigenbetreuung (S. 360-361)
Christine Krüger-Rainer und Michael Rainer
An der Tatsache, dass die meisten älteren Menschen, allen voran die dementen Patienten, zuhause gepflegt werden, hat sich in den letzten 30 Jahren wenig geändert. Das Alter und die begleitenden Erkrankungen treffen daher nicht nur den Patienten, sondern auch das gesamte familiäre Netzwerk, in das er eingebettet ist. Im folgenden Beitrag setzen wir uns schwerpunktmäßig mit der Demenz auseinander, weil es hierzu auch die meisten Erfahrungen gibt. Wenn man sich die massiven Persönlichkeitsveränderungen vorstellt, die sich durch die kognitive Beeinträchtigung im Laufe der Krankheit entwickeln können, kann man sich die Belastungen für pflegende Angehörige von Demenzpatienten ausmalen.
Die Anforderungen an den Angehörigen übersteigen oft seine psychische und physische Kapazität. Das Fortschreiten der Demenz verlangt von den Angehörigen eine prolongierte Trauerarbeit. Neben der prinzipiell größeren Belastung durch die Pflege für die Betreuungsperson können inadäquate Bewältigungsmuster und -strategien zu einer Reihe von psychiatrischen und psychosomatischen Symptomen führen. Hier rangiert an der ersten Stelle die Depression, gefolgt von körperlichen Beschwerden wie Erschöpfung, Gliederschmerzen und Herz- und Magenbeschwerden.
Um die Beschwerden der pflegenden Angehörigen besser erfassen zu können, wurde im Herbst 2000 in derMemory Clinic des SMZ-Ost eine Untersuchung mittels standardisiertem Fragebogen an 214 Betreuungspersonen von Patienten mit einer Alzheimerdemenz, vaskulären Demenz, einer nicht demenziellen Erkrankung sowie einer Kontrollgruppe durchgeführt (Rainer et al., 2002). Die allgemeine Belastung durch Pflege und Betreuung von Alzheimer-Erkrankten war umso größer, je stärker das Gedächtnis beeinträchtigt und je weniger Kompetenz in komplexen Alltagsfertigkeiten bestand, je stärker die Stimmung und das Sozialverhalten beeinträchtigt waren und je häufiger störendes Verhalten auftrat.
Die allgemeine Belastung durch Pflege und Betreuung von Patienten mit einer vaskulären Demenz war umso größer, je stärker das Gedächtnis beeinträchtigt war und je häufiger störendes Verhalten auftrat. Die eingeschränkten Sozialkontakte standen in einem signifikanten Zusammenhang mit schlechter Bewältigung komplexer Tätigkeit im Alltag und mit beeinträchtigter Gedächtnisleistung. Das seltene Gefühl des Glücklichseins korrelierte mit verminderter Fähigkeit zur Durchführung einfacher und komplexer Alltagstätigkeiten (Rainer et al., 2002) Die allgemeine Belastung durch Pflege und Betreuung der Patienten mit nicht-demenziellen Erkrankungen war umso größer, je stärker die Stimmung und das Sozialverhalten beeinträchtigt waren und je häufiger störendes Verhalten auftrat.
Die Bedeutung der Diagnose Demenz Das Diagnosegespräch soll dem Patienten und seinen Angehörigen helfen, die Zukunft gezielter zu planen, sowie eine aktive Einbindung in sein Therapiekonzept ermöglichen. Wenn ein Patient mit dem Angehörigen zum ersten Mal mit seiner Diagnose Alzheimer-Erkrankung im engeren oder Demenz im weiteren Sinne konfrontiert wird, ist das wahrscheinlich ein Schock, der Angst, Unsicherheit, Unverständnis, Ablehnung, Ignoranz und eine große Sorge um die Zukunft auslöst. Häufig werden der Patient und die Betreuungsperson nach Hause gehen und nicht genau wissen, an wen sie sich wenden können, wer ihnen hilft, wie die Therapie, die Prognose und das zukünftige, gemeinsame Leben verlaufen wird. Was wird aus den Hoffnungen und Zielen sowie Plänen, die aufgeschoben wurden für die Pensionierung.
Die Sprachlosigkeit, Fassungslosigkeit und Unsicherheit begleiten die ersten Tage, manchmal auch Wochen oder Monate, die Einsamkeit wächst. Auch heute noch stellen sich viele die Frage, ob die Aufklärung über die Diagnose, den Verlauf und die Therapie dem Patienten bei der Verarbeitung seiner veränderten Lebenssituation helfen. Im Allgemeinen geht man davon aus, dass die umfassende Diagnose den Patienten vorbereitet, seine Zukunft gezielter zu planen.