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Vorstadt-Fighter

Markus Zusak

 

Verlag cbj Kinder- & Jugendbücher, 2010

ISBN 9783641038489 , 160 Seiten

Format ePUB

Kopierschutz Wasserzeichen

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5,99 EUR


 

Der Hund, auf den wir setzen wollen, sieht eher aus wie eine Ratte.
»Aber er rennt wie eine gesengte Sau«, meint Rube - an den Füßen ausgelatschte Schuhe, aber im Gesicht immer ein Lächeln wie Flanell. Gleich wird er es einschalten. Da ist es schon. Netter Typ, mein Bruder. Ruben Wolfe. Es ist Winter und wir sind am Boden, wie immer. Wir stehen zuunterst auf der offenen, staubigen Tribüne. Ein Mädchen trippelt vorbei. Ich denke: Jesus! Rube sagt es: »Jesus!«
Und das ist der ganze Unterschied zwischen uns beiden, während wir ihr durchatmend nachsehen, beide ganz bei der Sache, beide voller Verlangen.
Mädchen wie dieses sind nicht gerade die Regel beim Hunderennen.
Die Mädchen, die man hier normalerweise zu sehen kriegt, sind entweder kettenrauchende Zwergmäuse oder kuchenmampfende Pferdeärsche. Oder biersaufende Schlampen.
Diese eine ist ein seltener Vogel. Ich hätte auf sie gesetzt, wenn sie gelaufen wäre. Sie ist fantastisch. So bleibt mir nichts als die normale Säuernis, wenn ich Beine sehe, die ich nicht anfassen kann, Lippen, die nicht für mich lächeln, Hüften, die nicht für mich schaukeln. Und Herzen, die nicht für mich schlagen.

Ich stecke meine Hand in die Tasche und hole einen Zehner raus, um mich abzulenken.
Es kann zwar nichts schaden, ab und zu einen Blick auf ein Mädchen zu werfen, führt aber immer nur zu Verletzungen. Ein einziger Blick von weitem - schon tun dir die Augen weh. Alles, was du dagegen tun kannst, ist, irgendwas zu sagen wie: »Setzen wir dieses Geld jetzt, Rube, oder was?«
An diesem grauen Tag in dieser herrlichen, lüsternen Stadt, in der wir zu Hause sind. »Rube?«, frage ich also.
Stille. »Rube?«
Wind. Rollende, leere Büchsen. Ein paar Kerle hinter uns qualmen und rotzen vor sich hin.
»Rube, setzen wir jetzt oder nicht?«
Ich boxe ihn auf den Arm. Mit der Rückhand.
Jetzt sieht er mich an und grinst.
»Okay«, sagt er, und wir sehen uns nach jemand um, der für uns setzt.
Jemand über der Altersgrenze. Normalerweise kein Problem hier. Irgendwelche alten Schlaffis, denen die Ritze hinten halb aus der Hose guckt, finden sich dafür immer. Meistens wollen sie allerdings Prozente, wenn der Köter gewinnt, auf den wir gesetzt haben. Obwohl uns keiner der Kerle mehr finden würde, wenn wir das wollen. Andererseits haben wir auch nicht viel Spaß daran, diese armen, alten Bitte-hilf-mir-Alkoholiker über die Nudel zu schieben. Auch wenn es sie nicht gerade umgebracht hätte. Aber schließlich soll doch jeder profitieren... Der Witz ist nur, es ist noch nie passiert, wir haben noch nie was gewonnen.
»Come on!« Ruben steht auf und wir gehen los - ich die Mädchenbeine im Blick. Ich denke: Jesus. Ruben sagt: »Jesus.« Aber er meint nicht das Mädchen. Am Wettschalter gibt es ein kleines Problem - Cops! Was du Scheiße machen die Cops hier, denke ich. »Was du Scheiße machen die Cops hier«, sagt Ruben. Nicht dass ich Cops hasse. In Wahrheit tun sie mir sogar immer ein bisschen Leid. Diese abartigen Hüte! All dieses lächerliche Cowboygebammel um ihre Hüften! Und dass sie gleichzeitig taff und zugänglich sein sollen, und dazu immer mit Schnurrbart (die Männer), damit es aussieht, als wenn sie irgendwas zu sagen haben. Und all die Chin-ups und Sit-ups, die sie auf der Polizeischule machen müssen, bevor sie die Lizenz kriegen, sich wieder einen Bauch zulegen und den Leuten erzählen zu dürfen, dass auch in ihrer Familie einer bei einem Autounfall zermantscht worden ist. Meine Liste ist noch länger, also höre ich lieber von selbst auf. »Sieh dir mal den Bullen mit dem Hotdog an«, sagt Ruben und deutet zum Schalter.
Es interessiert ihn offenbar überhaupt nicht, dass die beiden Cops hier rumhängen wie ein schlechter Geruch. Im Gegenteil. Er geht direkt auf den mit dem Schnurrbart zu, der gerade das Teil mit Soße in sich reinschiebt. Der andere Cop ist eine Frau, eine brünette, die langen Haare unter ihre Mütze gesteckt. (Bis auf ein paar Fransen über den Augen, die wohl verführerisch wirken sollen.)
Wir stehen vor ihnen und es fängt an.
Ruben L. Wolfe: »Wie geht's denn heute so, Constable?«
Der Cop mit dem Fastfood: »Nicht schlecht, Kumpel, und dir?«
Rube: »Ist er gut, der Fraß?«
Cop: den Fraß verschlingend: »Ist er, Kumpel. Spaß dran, zuzusehen?«
Rube: »Und wie! Was kostet die hier?« Cop, immer schluckend: »Dollar achtzig.« Rube: lächelnd: »Das ist glatter Nepp.« Cop, abbeißend: »Ich weiß.«
Rube: jetzt breit grinsend: »Sie sollten die hochnehmen dafür.«
Cop: mit einem Klecks Soße auf der Unterlippe: »Vielleicht. Oder dich.«
Rube: während er auf den Klecks Soße zeigt: »Und wofür?«
Cop: während er die Soße wegwischt: »Ganz klar für Klugscheißerei.«
Rube: während er sich demonstrativ im Schritt kratzt und mit dem Kinn auf die Frau zeigt: »Und wo hast du die aufgegabelt?«
Cop: jetzt auch witzelnd: »In der Kantine.«
Rube: während er sich immer weiter kratzt: »Für wie viel?«
Cop: während er mit seinem Hotdog fertig wird: »Dollar sechzig.«
Rube: »Das ist Nepp.«
Cop: sich straffend: »Sieh dich vor!«
Rube, während er sein Flanellhemd und die Hose glatt
zieht: »Haben sie für die Soße extra was verlangt?«
Cop, spielt den Verlegenen: »Nichts.«
Rube: »Wirklich?«
Cop: »Na ja, zwanzig Cent.«
Rube: »Zwanzig Cent! Für Soße?«
Cop: anscheinend sauer auf sich selbst: »Ich weiß.« Rube, ernst und ehrlich, oder jedenfalls eines von beidem: »Das hätten Sie verweigern sollen, aus Prinzip. Haben Sie denn keine Selbstachtung?« Cop: »Was willst du eigentlich von mir?« Rube: »Nichts. Gar nichts.« Cop: »Sicher?«
In dem Moment fangen die Frau und ich an, betretene Blicke zu wechseln. Ich überlege, wie sie wohl ohne Uniform aussieht, nur in Unterwäsche. Rube beantwortet die Frage der Cops: »Sicher, Sir. Ich hab ganz und gar nichts vor. Mein Bruder und ich sind gerade dabei, diesen wundervollen grauen Tag in dieser herrlichen Stadt zu genießen. Und den schnellen Tieren im Stadion zuzusehen, wie sie ihre Runden drehen.« Ein Showstar, mein Bruder. Voll Müll. »Ist das ein Verbrechen, Sir?« Cop, fertig mit Essen: »Und warum quatschst du uns so voll?«
Seine Begleiterin und ich sehen uns an.