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Das Leuchten des Himmels - Roman

Nora Roberts

 

Verlag Limes, 2010

ISBN 9783641038311 , 544 Seiten

Format ePUB

Kopierschutz Wasserzeichen

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8,99 EUR

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2
Dunkelheit hüllte ihn ein und sog ihn auf wie Schlamm, als der Traum ihn aus dem Schlaf warf. Sein Atem ging heftig, als er die Oberfläche durchbrach und strampelnd nach Luft rang. Seine Haut war klamm von Schweiß, als er sich aus den Decken kämpfte.
Der in der Luft liegende Geruch war ihm fremd – Zeder, abgestandener Kaffee, ein Unterton von Zitrone. Dann fiel ihm ein, dass er nicht in seiner Wohnung in Baltimore war.
Er war verrückt geworden, und er war in Alaska.
Das Leuchtzifferblatt des Weckers zeigte fünf Uhr achtundvierzig.
Dann hatte er also doch etwas Schlaf gefunden, ehe der Traum ihn zurück in die Wirklichkeit jagte.
Auch im Traum war es immer dunkel gewesen. Schwarze Nacht, fahler, schmutziger Regen. Der Geruch von Pulver und Blut.
Mein Gott, Nate, mein Gott. Mich hat’s erwischt.
Kalter Regen, der ihm übers Gesicht lief, warmes Blut, das durch seine Finger sickerte. Sein Blut und Jacks Blut.
Er hatte das Blut nicht mehr stoppen können, genauso wenig wie den Regen. Beides lag nun hinter ihm und hatte das von ihm weggewaschen, was in dieser Gasse von Baltimore zurückgeblieben war.
Es hätte mich treffen sollen, fand er. Nicht Jack. Er hätte daheim bei seiner Frau, bei seinen Kindern sein und ich derjenige sein sollen, der in dieser schmutzigen Gasse im schmutzigen Regen starb.
Aber er war mit einer Kugel im Bein davongekommen, und mit einer zweiten, einem Durchschuss in der Seite, gleich unterhalb der Taille – gerade so heftig, um ihn zu Boden zu werfen, ihn zurückzuhalten, sodass Jack als Erster reinging.
Sekunden, kleine Fehler, und ein guter Mann war tot.
Er würde damit leben müssen. Er hatte überlegt, seinem Leben ein Ende zu setzen, aber es wäre eine selbstsüchtige Lösung und würde seinem Freund und Partner nicht zur Ehre gereichen. Damit zu leben, war schwerer als sterben.
Leben war die schwerere Strafe.
Er stand auf und ging ins Badezimmer. Auf fast pathetische Weise dankte er für den dünnen Strahl heißen Wassers aus dem Duschkopf. Es würde zwar eine Weile dauern, bis dieses Rinnsal die Schichten aus Ruß und Schweiß aufgeweicht und weggespült hatte, aber das war ganz in Ordnung so. Zeit war nicht das Problem.
Er würde sich anziehen, nach unten gehen, Kaffee trinken. Vielleicht würde er Bürgermeisterin Hopp anrufen und zur Polizeistation gehen, um sie sich anzusehen. Mal sehen, ob es ihm nicht gelang, sich ein wenig entschlossener zu präsentieren und den ersten Eindruck eines verschlafenen Trottels wegzuwischen.
Als er sich geduscht und rasiert hatte, fühlte er sich gleich wohler in seiner Haut. Er kramte frische Kleidung heraus und zog sich an.
Als er seine Kleidung für draußen aufhob, warf er einen verstohlenen Blick in den Spiegel. »Polizeichef Ignatious Burke, Lunacy, Alaska.« Er schüttelte den Kopf und lächelte fast. »Also gut, Chief, dann hol dir deinen Stern ab.«
Er ging nach unten und war überrascht, dass alles so ruhig war. Aus seiner Lektüre wusste er, dass Orte wie The Lodge die Treffpunkte der Einheimischen waren. Winternächte waren lang, dunkel und einsam, und er rechnete damit, Thekenlärm zu hören, vielleicht auch das Klacken der Billardbälle oder einen alten Countrysong aus der Jukebox.
Aber als er eintrat, schenkte die zauberhafte Alaska-Rose Kaffee nach, wie sie das vorhin ebenfalls getan hatte. Vielleicht galt es auch denselben beiden Männern, Nate war sich nicht sicher. Ihr Junge saß am Tisch und malte fleißig.
Nate sah auf die Uhr, die er auf Ortszeit gestellt hatte. Zehn nach sieben.
Rose wandte sich vom Tisch ab und lächelte ihn an. »Chief.«
»Ist ruhig heute Abend.«
Ihr Gesicht erstrahlte zu einem Lächeln. »Es ist Morgen.«
»Wie bitte?«
»Es ist sieben Uhr morgens. Sie können jetzt gewiss ein Frühstück vertragen.«
»Ich …«
»Es dauert eine Weile, bis man sich daran gewöhnt.« Sie nickte in Richtung der dunklen Fenster. »In ein paar Stunden wird es für eine Weile aufhellen. Nehmen Sie doch Platz. Ich bringe Ihnen Kaffee, damit Sie wach werden.«
Er hatte rund um die Uhr geschlafen, wusste aber nicht, ob ihm das peinlich sein oder ob er sich freuen sollte. An mehr als vier oder fünf lückenhafte Stunden Schlaf konnte er sich schon lange nicht mehr erinnern.
Er warf sein Überzeug auf die Bank in einer Nische und beschloss dann, den Kontakt zur Bevölkerung aufzunehmen. Er ging hinüber an Jesses Tisch und tippte auf eine Stuhllehne. »Ist der Platz hier besetzt?«
Der Junge schielte unter seinen Stirnfransen hervor und schüttelte den Kopf. Die Zunge zwischen die Zähne geklemmt, setzte er sein Ausmalwerk fort, als Nate sich setzte.
»Eine wirklich tolle purpurrote Kuh«, bemerkte Nate, als er das in Arbeit befindliche Werk studierte.
»Es gibt keine purpurroten Kühe, es sei denn, man malt sie so.«
»Das habe ich auch schon gehört. Hast du Kunst auf der Highschool?«
Jesses Augen wurden rund. »Ich gehe noch nicht zur Schule, bin ja auch erst vier.«
»Das soll wohl ein Scherz sein. Vier? Ich hätte dich für sechzehn gehalten.« Nate lehnte sich zurück und zwinkerte Rose zu, als diese ihm eine dicke weiße Tasse brachte und ihm Kaffee einschenkte.
»Ich hatte Geburtstag, und es gab Kuchen und eine Million Luftballons. Stimmt’s, Mama?«
»Das stimmt, Jesse.« Sie legte eine Speisekarte neben Nates Ellbogen.
»Und wir bekommen bald schon ein Baby. Und ich habe zwei Hunde und...«
»Jesse, lass doch Chief Burke erst mal einen Blick in die Speisekarte werfen.«
»Eigentlich wollte ich Jesse bitten, mir was zu empfehlen. Was schmeckt gut zum Frühstück, Jesse?«
»Pfannkuchen!«
»Gut, dann bitte Pfannkuchen.« Er gab Rose die Karte zurück. »Das ist genau richtig.«
»Wenn es was anderes sein soll, lassen Sie es mich wissen.« Aber ihre Wangen waren rosa vor Freude.
»Was denn für Hunde?«, hakte Nate nach und wurde während des ganzen Frühstücks mit den Heldentaten von Jesses Haustieren unterhalten.
Ein Teller Pfannkuchen und ein reizender kleiner Junge waren ein viel besserer Start in den Tag als ein immer wiederkehrender Albtraum. Seine Stimmung besserte sich, und Nate wollte gerade Hopp anrufen, als sie schon zur Tür hereinkam.
»Ich hörte, dass Sie auf sind«, sagte sie und warf ihre Kapuze ab. Schnee stiebte von ihrem Parka. »Sie sehen sehr viel robuster aus als gestern.«
»Tut mir Leid, dass ich so kraftlos gewirkt habe.«
»Kein Problem. Jetzt haben Sie lang geschlafen, ein anständiges Frühstück und gute Gesellschaft gehabt«, fügte sie mit einem Grinsen für Jesse hinzu. »Sind Sie bereit für eine Tour?«
»Aber sicher.« Er stand auf, um sich seine Sachen für draußen anzuziehen.
»Knochiger, als ich gedacht habe.«
Er sah hinüber zu Hopp. Er wusste, dass er ausgemergelt aussah. Ein Mann, der bei seiner Größe und Gestalt mehr als zehn Pfund verlor, konnte nur noch hager aussehen. »Nicht mehr lang, wenn ich immer Pfannkuchen esse.«
»Viele Haare.«
Er setzte seine Mütze auf. »Die wachsen mir einfach so aus dem Kopf.«
»Ich mag Haare an einem Mann.« Sie riss die Tür auf. »Auch rote.«
»Sie sind braun«, korrigierte er sie automatisch und zog sich die Mütze tiefer ins Gesicht.
»Also gut. Legen Sie Ihre Füße mal eine Weile hoch, Rose«, rief sie zurück und trottete dann hinaus in Wind und Schnee.
Die Kälte traf ihn wie ein vorbeirasender Zug. »Herrje. Da gefrieren einem ja die Augäpfel.«
Er sprang in den Ford Explorer, den sie am Straßenrand geparkt hatte. »Ihr Blut ist noch zu dünn.«
»Selbst wenn’s dick wie Paste wäre, wäre es noch immer saukalt. Entschuldigung.«
»Ich werde nicht rot, wenn sich einer kein Blatt vor den Mund nimmt. Natürlich ist es saukalt, wir haben Dezember.« Begleitet von ihrem explosiven Lachen, startete sie den Motor. »Wir beginnen unsere Runde im Wagen. Was sollen wir in der Dunkelheit herumstolpern.«
»Wie viele Menschen verlieren Sie im Jahr wegen Erfrierung und Überhitzung?«
»An die Berge haben wir schon mehr als einen verloren, aber das sind vorwiegend verrückte Touristen. Ein Mann namens Teek hat sich vor drei Jahren an einem Januarabend mal richtig voll laufen lassen, der ist in seinem eigenen Klo über der Lektüre eines Playboy-Magazins erfroren. Aber der war ein Blödmann. Die Leute, die hier leben, wissen, was man zu tun hat, und cheechakos, die einen Winter hier überstehen, lernen es oder gehen...