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Was aus der Depression hilft - Das Leben akzeptieren - Verantwortung übernehmen - Schritte wagen

Holger Reiners

 

Verlag Kösel, 2010

ISBN 9783641043780 , 240 Seiten

Format ePUB

Kopierschutz Wasserzeichen

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8,99 EUR


 

Wenn Angst den Willen zerfrisst (S. 122-123)

Angst? Das Verständnis von Angst ist recht homogen, allein der Schweregrad unterliegt der individuellen Einschätzung - die allerdings hat ein breites Spektrum. Bei der Angst in der Depression geht es nicht um eine singuläre, krankhafte Phobie, wie etwa die Schlangen-, Spinnen- oder Fahrstuhlphobie, sondern um eine diffuse Angst, die ebenso kräftezehrend ist wie hohes Fieber.

Das hohe Fieber hat unterschiedlichste Ursachen und ist als Reaktion ein äußerst vielschichtiger Indikator für ein körperliches Ungleichgewicht, dessen Behandlung vom Leben rettenden Akuteingriff bei einer schweren Infektion bis zum geduldigen Abwarten bei einem leichten grippalen Infekt reichen kann. Angst weist ein ähnlich gefährliches Spektrum auf wie das Fieber und ist in der Depression meist mit Mitteln der »Hausapotheke« nicht zu kurieren.

Vor allem dann nicht, wenn dem Außenstehenden die Angstsymptomatik besonders harmlos erscheint. Das Gleichnis vom Esel, der zwischen zwei gleich großen Heuhaufen in ebenso gleicher Entfernung steht und sich nicht entscheiden kann, von welchem er zuerst fressen soll und am Ende verhungert, soll das Dilemma in der depressionsbedingten Angst verdeutlichen - das Gefangensein im nicht aufzubrechenden Unvermögen, eine Entscheidung treffen zu müssen.

Aristoteles, Dante und Spinoza haben sich mit diesem gedanklichen Entscheidungsprozess, der Willensfreiheit ebenso wie der Befangenheit, als philosophische Problemstellung beschäftigt, aber dabei noch nicht an eine krankheitsbedingte Fehlschaltung des Gehirns gedacht, die gerade die freie Willensentscheidung unmöglich macht. Die Blockade heißt Angst, Angst in der Depression. In Asien wird von ersten Fällen berichtet, dass Spielsüchtige vor ihrem Computer verdurstet sind, weil sie die Entscheidung pro Flüssigkeitsaufnahme versus Spielunterbrechung nicht mehr zu treffen in der Lage waren.

Man mag dieses Beispiel unter tragischer Kuriosität abtun, aber genau dieses Gefangensein in der Angst um die richtige Abwägung wird in der Depression häufig zum lebensbedrohenden Scheideweg, oder besser: zu einer gefährlichen Sackgasse, aus der es kein Zurück gibt - wie in einer Reuse für den Aal, der den Weg hinaus nicht mehr findet und damit gefangen ist. Nichts anderes wollte der Fischer, der die Reuse ausgelegt hat, bezwecken.

In der Depression legen wir uns selbst diese Reuse aus, nicht voller Absicht, nicht fahrlässig oder einfach nur unbedacht. Nein, das Bild der Angstreuse steht für ein Krankheitssymptom, dem sich mit dem Werkzeugkasten der eigenen Erfahrungen nicht begegnen lässt. Wie der Aal der Reuse nicht entkommen kann, können wir in der Depression der Angst nicht entkommen - der unüberwindlichen Angst vor uns selbst.

Es ist die Angst vor dem inneren Ausland, wie Freud die Seele genannt hat. In der Depression nehmen wir unsere eigene Seele, das, was uns ausmacht, unseren Lebensmotor, nicht nur als unzuverlässig, sondern auch als gefährlich wahr. Wir können dann unser Volumen und unser Potenzial, unsere Kräfte und unsere Kompetenz nicht mehr verlässlich einschätzen. Das Gegenteil von Angst ist Zuversicht. Und Selbstvertrauen ist das Schmiermittel dieses Motors der Zuversicht.////