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Der Minnesänger - Historischer Roman

Tim Pieper

 

Verlag Heyne, 2010

ISBN 9783641043711 , 480 Seiten

Format ePUB

Kopierschutz Wasserzeichen

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7,99 EUR


 

3. (S. 15-16)

Dankwart setzte sich benommen auf und schaute besorgt zu dem Hengst hoch. Beim Tritt in ein Erdloch hatte er sich die Vorderläufe gebrochen und litt offenbar unter großen Schmerzen. Dem Dienstmann war sofort klar, dass der Rappe diese Verletzung nicht überleben würde. In einer solchen Situation gab es nur eine Maßnahme, und sie musste schnell ergriffen werden, um unnötige Qualen zu vermeiden. Dankwart zog das Schwert aus der Scheide und stieß es dem Tier bis zum Heft in die Brust. Gelb quollen die Augäpfel hervor.

In aller Erbärmlichkeit der Kreatur Gottes schnappte der Hengst nach Luft und versuchte vergeblich, auf die Beine zu kommen. Der Anblick rührte Dankwart so stark, dass er den zuckenden Kopf umfing und beruhigend zu dem Rappen sprach wie zu einem Wesen mit einer Seele. Schon wollte er den Knauf ergreifen, um das Schwert in der Wunde zu drehen - da lief ein Ruck durch den mächtigen Leib und die Augen brachen. Nicht zum ersten Mal begriff Dankwart, dass es Unheil brachte, wenn er heidnischen Zeichen folgte. In dieser Nacht, in einem Zustand zwischen Traum und Wachsein, hatte er die Warnungen seines Verstandes ignoriert. Seine Eingebung hatte dem Hengst das Leben gekostet. Auf ihn war stets mehr Verlass gewesen als auf die Menschen.

Er konnte nur hoffen, dass der Rappe nicht umsonst gestorben war. Er beugte sich zu dem Tier hinab und flüsterte ihm Worte des Abschieds ins Ohr, dann schulterte er den Holzsattel und griff nach dem Zaumzeug. Normalerweise hätte er eine Grube ausgehoben, damit die Bären, Wölfe und Füchse die Gebeine nicht in alle Himmelsrichtungen verstreuten, aber die Sorge in ihm war stärker. Als Jungmann war er ein geschickter Waldläufer gewesen und hatte dem Herzog von Zähringen in vielen Schlachten als Meldegänger gedient. Manche Männer setzten im Alter Fett an und wurden behäbig, aber er hatte sich seine sehnige Konstitution bewahrt.

Er atmete tief durch und lief los. Gleichmäßig steigerte er die Geschwindigkeit, bis seine Füße einen geschmeidigen Rhythmus gefunden hatten. Als er den Wald hinter sich ließ, war sein Rücken klatschnass und der Schweiß tropfte ihm von der Nase. Vor ihm lag das Hexental mit dem plätschernden Bach, den weitläufigen Wiesen, Obstbäumen und Rodungshöfen. Auf einer Anhöhe erhob sich eine Kapelle, die der Bischof von Freiburg Johannes dem Täufer geweiht hatte.

Dankwart hatte keine Augen für seine Heimat. Er konzentrierte sich ganz auf das vor ihm liegende Gelände mit seinen Unebenheiten und Steinen. Wenn er sich den Knöchel verstauchte, würde er vielleicht zu spät kommen, und er musste endlich wissen, was mit Agnes los war. Während er durch das kniehohe Flussgras hetzte, schlugen die Disteln gegen seine Schienbeine. Kurz schaute er zu seinem Heim hinauf. Auf einer vorspringenden Bergnase, auf halber Höhe des Schönebergs hatten er und sein Vater einst ein Plateau gerodet und ein befestigtes Bruchsteinhaus errichtet.

Aus Treue zu ihrem Dienstherrn und aus Stolz auf die Arbeit ihrer Hände nannten sie es Adlerburg. Ein Palisadenwall wehrte Angreifer ab. Ein gewundener Pfad, versteckt hinter Birken, Rotbuchen und Ebereschen, führte zum Tor hinauf. Das alles verlor seinen Wert, wenn seiner Ehefrau etwas zustieß. Sie allein erfüllte das Anwesen mit Leben. Dankwart ignorierte das Stechen in seinen Seiten, die brennenden Schenkel und die blutenden Füße. Schritt um Schritt kämpfte er sich die Steigung hinauf und betete inbrünstig: Mein Gott, lass sie wohlauf sein. Ich bitte nur um das, Herr! Lass sie wohlauf sein!