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John Sinclair - Sammelband 3 - Teuflische Nächte

Jason Dark

 

Verlag Verlagsgruppe Lübbe GmbH & Co. KG, 2010

ISBN 9783838702889 , 192 Seiten

Format ePUB

Kopierschutz Wasserzeichen

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4,99 EUR

Für Firmen: Nutzung über Internet und Intranet (ab 2 Exemplaren) freigegeben

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Er und der Baphometh-Diener hatten sich gesucht und gefunden. Der eine war die Suppe, der andere das Salz, und in dieser naßkalten Nacht in Leipzig sollte Vincent van Akkeren, der Baphometh-Diener, den ersten und großartigen Beweis bekommen.

»Wer soll sterben?« fragte er.

»Wen willst du sterben lassen?«

»Das ist mir egal.«

Der Mann aus Leipzig lachte. Er nannte sich Hoffmann, frei nach dem Schriftsteller E.T.A. Hoffmann, der ein sehr unruhiges Leben geführt hatte und dem Leipzig nicht fremd gewesen war. Besonders nicht der Auerbach-Keller. Diese Gaststätte war durch eine Oper – Hoffmanns Erzählungen – weltberühmt geworden.

Hoffmann strich über seinen Nasenrücken. »Aber du willst es sehen?«

»Natürlich.«

»Gut. Noch einmal. Dir ist egal, wer sterben soll?«

»Ja, zum Henker. Nur will ich den Beweis haben. Verstehst du das endlich?«

»Alles klar, van Akkeren, alles klar.« Hoffmann räusperte sich. »Warte einen Moment.« Er streckte seinen Kopf vor und schaute hinein in die schmale Gasse, auf der das alte Kopfsteinpflaster noch vom letzten Regen her feucht schimmerte.

Die Luft drückte. Es war auch am Abend kein Wind aufgekommen, und so hing die berühmt-berüchtigte Leipziger Luft wie ein Sack über der Stadt. Zudem stank sie widerlich. Der Geruch von Schwefelgasen und anderem Zeug vermischte sich zu einem ›Aroma‹, vor dem sich der Fremde nur ekeln konnte.

Hoffmann dachte da anders. Für ihn war der Geruch wie Balsam. Er erinnerte ihn an den Teufel, an die Hölle, die ihm das gegeben hatte, was kein anderer besaß.

Er hatte van Akkeren nur in Andeutungen darüber berichtet. Klar, daß der Fremde einen Beweis brauchte, und den wollte ihm Hoffmann auch liefern.

Er verließ die Einfahrt. Die Hände tief in den Taschen seines Mantels vergraben, so schlenderte er die Gasse hinunter. Der Mantel war völlig unmodern, die Schultern zu breit und eckig. Er hätte auch aus alten Armeebeständen sein können.

Hoffmann hatte alles vorbereitet. Er spürte, wie die Blicke Vincent van Akkerens gegen seinen Rücken brannten, und ein dünnes Lächeln umspielte seine Lippen.

Vor einem schmalbrüstigen Haus, an dem noch Stromkabel außen entlangliefen, blieb er stehen, steckte zwei Finger in den Mund und pfiff. Es war das Zeichen. Alles andere würde sich automatisch ergeben …

***

Von einer Dusche konnte Erika nur träumen. Ebenso von einem eigenen Bad. Aber sie besaß wenigstens ein Waschbecken, das im toten Winkel zur Tür hing und im Laufe der Zeit einen grauen Schimmer bekommen hatte.

Ein Zimmer bewohnte die Blondine nur. Schlafraum, Wohnzimmer und Bad in einem.

Die Möbel hatte sie von ihren Großeltern bekommen. Sie würden nicht mehr lange halten, in den Fünfzigern hatte man nicht sehr stabil gebaut. Zwanzig war Erika jetzt, vom Leben enttäuscht. Nur Arbeit, wenig Geld, dazu noch Ost-Mark, nein, das war nichts für sie.

Auf der letzten Leipziger Messe war ihr dann die Idee gekommen, es einmal zu versuchen. Es gab genügend Männer, denen sie die Zeit vertreiben konnte, und da sie sehr hübsch war, konnte sie sich die Kunden sogar aussuchen.

Erika kassierte in Westgeld, ließ es aber in einem Versteck liegen. Erst wenn die Währungsunion perfekt war, würde ihr das Geld guttun.

Die Messe ging vorbei, sie hatte sich an das Leben gewöhnt und war hin und wieder auf den Strich gegangen. Sogar vor einigen Stunden hatte sie einen Freier getroffen, der ihr einhundert Westmark versprochen hatte. Er wollte sie um kurz vor Mitternacht abholen. Sie hatten als Zeichen einen Pfiff vereinbart.

Erika hatte sich gewaschen und überlegte, was sie anziehen sollte. Der billige Minirock erschien ihr am geeignetsten. Sie hielt ihn in das Licht der Lampe, wo der helle Stoff so verblichen aussah. Als Oberteil wählte sie einen roten Pullover, den sie nur mühsam über ihre herausfordernd gewachsenen Kurven zwängen konnte. Der Ausschnitt hatte ursprünglich die Form eines V's besessen, war aber von Erika erweitert worden, damit die Kunden sehen konnten, was sie zu bieten hatte.

Die Schminke stammte aus dem Westen. Sie roch besser als die einheimische.

Erika besaß ein leidlich hübsches Puppengesicht mit einem eigentlich zu großen Mund, der, wenn er geschminkt war, noch breiter wirkte.

Sie entschied sich für ein helles Rot, das aussah wie frisches Blut. Gepudert war sie schon, steckte die Haare noch einmal hoch, das machte sie größer, drehte sich zweimal vor dem Spiegel und lächelte sich dabei selbst zu.

Sie fand sich gut …

Dann ging sie zum Fenster. Ihr Blick fiel auf die freudlose Gasse mit dem feuchten Pflaster. Ungefähr dreißig Meter entfernt leuchtete die trübe Kuppel einer Laterne. Ansonsten war es düster, gerade das richtige Licht für einen Kunden, der auf keinen Fall gesehen werden wollte. Das hatte ihr der Mann gesagt.

Vergeblich versuchte sie, sich an ihn zu erinnern. Er hatte einen Hut getragen, doch sein Gesicht war ihr nicht mehr präsent. Höchstens noch die dunklen Augen unter der Krempe.

Das war ihr alles nicht so wichtig. Sie lockte das Westgeld, der Blaue. Einige davon hatte sie gesammelt, sogar ein Brauner befand sich darunter.

Fünfhundert Mark, ein kleines Vermögen, auch jetzt noch, wo viele schon umtauschen.

Noch hatte sie Zeit. Seit kurzem rauchte sie West-Zigaretten, klopfte ein Stäbchen aus der Packung und zündete es mit dem altem Sturmfeuerzeug an.

Die Wolken verteilten sich im Zimmer. Erika drehte sich um und ließ ihre Blicke durch den Raum schweifen. Hier hatte sie auch die letzte Zeit gewohnt, das nahm sie sich vor.

Drei Haken bildeten die Garderobe. Über einen hatte sie den dunklen Mantel gehängt. Er bestand aus einer billigen Pelzimitation und schimmerte grünlich im Licht.

Erika drückte die Zigarette genau in dem Moment im alten Ascher aus, als sie den Pfiff hörte. Scharf und grell, nur einmal. Es war das Zeichen.

Erika huschte zum Fenster.

Die Gestalt stand am Rand des Gehsteigs, wo einige Steine fehlten. Sie winkte ihm zu, war aber nicht sicher, auch von ihm bemerkt worden zu sein. Egal, er hatte sein Versprechen gehalten, sie würde kommen. Als sie sich den Mantel überstreifte, dachte sie daran, eine Nachtzulage von fünfzig Prozent zu nehmen. Es kam darauf an, wie scharf der Knabe wurde, wenn er erst einmal ihren Körper sah.

Sie konnten in die Wohnung gehen, aber auch verschwinden, das überließ sie den Kunden.

Im schmalen Treppenhaus begegnete ihr die alte Schulz. Eine bitter gewordene Frau, die jahrelang nur gelitten hatte. Sie blieb stehen, als sie Erika sah.

»Na, gehst du wieder auf den Strich, du Hure?«

Erika blieb stehen. Spöttisch verzogen sich ihre Mundwinkel, während sie die Frau betrachtete. »Klar doch, Alte. Für eine Nummer mit dir würde selbst der letzte Penner nicht einmal fünf Mark Ost hinlegen. Such dir schon einen Sarg.«

Die Frau schüttelte den Kopf. »Schämst du dich nicht, so zu reden?«

»Nein, warum?«

Frau Schulz winkte ab. »Kennst du das Wort Moral?«

»Ist das chinesisch?« Sie lachte und ging weiter. Was die Frau ihr nachrief, hörte sie nicht mehr.

An der Haustür strich sie noch einmal durch das Haar, war zufrieden und öffnete.

Der typische Leipziger Gestank wehte ihr entgegen. An dieses Zeug würde sie sich nie gewöhnen können. Wenn sie genügend Geld zusammengespart hatte, wollte sie weg. Am besten in den Westen. Köln oder Düsseldorf schwebten ihr vor.

Noch aber stolperte sie über den hochkant stehenden Stein dicht hinter der Tür.

Sie fing sich gerade noch und hörte die Frage ihres Kunden. »Hast du getrunken?«

»Nein.«

»Dann ist es gut.«

Er kam näher. Wieder sah sie nicht viel von ihm, denn er trug die gleiche Kleidung wie am Mittag. Nur die Linke hielt er in der Manteltasche, die Rechte hatte er hervorgezogen und wedelte mit einem Blauen. »Das war doch so vereinbart, nicht?«

»Ja …«. dehnte sie.

Der Mann verstand. »Gibt es Probleme?«

»Kommt darauf an, was du willst!«

»Hundert!« zischte er. »Okay?«

Erika bekam plötzlich Angst. Es drängte sie, zurückzulaufen, dann aber dachte sie an das Geld, nickte, obwohl es ihr gegen den Strich ging. Der Hunderter verschwand wieder zusammen mit der Hand in die Tasche.

»Du bekommst ihn gleich. Öffne mal den Mantel.«

Erika widersprach. »Nicht sofort, Mann. Erst will ich wissen, wo du es willst?«

Die blassen Lippen verzogen sich zu einem Lächeln, als der Kunde noch einen Schritt näher kam. »Was meinst du denn?«

»Ist dein Problem.«

»Gut.« Er nickte. »Dann machen wir es gleich hier.«

»Wie … wo?« Sie stotterte plötzlich.

»Ist doch klar, Süße. Hier an der Hauswand. Kurz, knapp und kernig. Verstanden?«

Erika war wie vor den Kopf geschlagen. Okay, sie machte dieses Gechäft noch nicht lange, aber sie hatte einiges gehört und gelesen. Kunden oder Freier verlangten viel. Da gab es die unterschiedlichsten Typen, aber hier in der Gasse, an der Hauswand – das ging doch einen Schritt zu weit. Ausgerechnet noch dort, wie sie wohnte.

»Hast du mich nicht verstanden, Herzchen?«

Erika holte Luft und lachte kieksend. »Sag mal, Meister, bist du ein Perverser?«

»Wie kommst du darauf?«

»Blöde Frage. Mit der Hauswand und so …«...