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John Sinclair - Sammelband 2 - Spannung bis zum Morgengrauen

Jason Dark

 

Verlag Verlagsgruppe Lübbe GmbH & Co. KG, 2010

ISBN 9783838702872 , 192 Seiten

Format ePUB

Kopierschutz Wasserzeichen

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4,99 EUR

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In den Augen spiegelte sich das wider, was die Person empfand: Zufriedenheit …

Ja, sie war zufrieden, es lief alles nach Plan. Die Lippen der Frau spitzten sich zum Kuß, bevor sie über den Stahl des Revolvers glitten, um ihn zu berühren.

Diese Geste besaß einen sinnlichen Touch. Bei einem Gewehr sprach man von der Braut eines Soldaten. In diesem Falle handelte es sich um den Bräutigam. Den wiederum ließ die Frau verschwinden, als sie in den Schatten einer alten Brandmauer tauchte und mit ihm verschmolz.

Es war ruhig in der Süd-Bronx. Ungewöhnlich ruhig. Kein Geschrei, kein Feuer, keine Schüsse, die meisten Menschen hatten sich zusammengerottet, um für eine bestimmte Sache zu demonstrieren.

Sie wollten nicht mehr der letzte Dreck sein. New York besaß einen schwarzen Bürgermeister, er hatte viel im Wahlkampf versprochen, und jetzt wollten die sozial Benachteiligten endlich einmal ihr Recht bekommen. Dafür gingen sie auf die Straße und zogen bis hinunter in das ebenfalls unter der großen Hitze leidende Manhattan.

Die Frau überlegte. Hatte es überhaupt Sinn, durch die Straßen zu gehen und aufzuräumen?

Doch, sie mußte es tun. Man verlangte es von ihr, und sie würde gehorchen.

Jamie Steel schraubte den Schalldämpfer auf den Lauf. Auch diese Bewegungen genoß sie. Es faszinierte die Frau, wenn sie diesem Vorgang zuschauen konnte. Jamie war deshalb so begeistert, weil er den Tod lautlos machte.

Zielen, schießen, töten!

Und sie ging weiter!

Blau war die Uniform, dunkel das Koppel, heller die Hemdbluse. Wegen der Hitze hatte sie die obersten Knöpfe geöffnet. Sie liebte diese Uniform, sie hatte einmal zur Polizei gehen wollen, aber das war vorbei. Jetzt war sie ihre eigene Polizei.

Sie ging langsam, als würde sie sich auf Eis bewegen. Ihre Turnschuhe hatte sie dunkel eingefärbt. Sie paßten zwar nicht zur Uniform, doch irgendwo mußte sie Kompromisse schließen. Einem Opfer konnte sie sich nicht auf genagelten Sohlen nähern.

Der Tag war heiß gewesen. Noch jetzt lag die Luft bleiern über der Stadt. Bei jedem Atemzug saugte sie den Gestank der Bronx ein. Manchmal haßte sie New York, dennoch brauchte sie die Stadt für sich, für ihn, für ihre Zukunft.

Und so schritt sie hinein in die Einsamkeit, die Lippen hart gespannt, als wollte sie im nächsten Augenblick anfangen zu lächeln, was ihr aber nicht gelang, denn ihre Gedanken drehten sich um völlig andere Dinge.

Eine tote South Bronx!

Es war einfach irre. So etwas hatte es lange nicht mehr gegeben. Da trat der sowieso schon vorhandene apokalyptische Schauer der Stadt noch deutlicher hervor.

Die meisten Häuser, die dreckigen Fassaden, sie alle wirkten nur mehr wie eine Kulisse, in der sich niemand aufhielt.

Es gab Gerüchte, daß die Bronx saniert werden sollte. Eigentlich nicht schlecht, aber die Menschen, die hier lebten, hausten oder vegetierten – letztere waren in der Überzahl – hätten nicht gewußt wohin. Auch wenn sie noch so stark über die Bronx fluchten, dieser Stadtteil war ihr Zuhause.

Der Verkehr schien von der Nacht verschluckt worden zu sein. Kaum ein Auto fuhr. Wer nicht unbedingt in die Bronx mußte, der mied diese Gegend. Die Fahrzeuge, die am Straßenrand parkten, sahen aus, als gehörten sie auf den Schrottplatz.

Sie standen da wie Kulissen auf einer Bühne, die niemand mehr haben wollte.

Neben einer Laterne blieb Jamie Steel stehen. Sie lehnte sich mit der Schulter gegen den schmutzigen Pfahl und nahm fast die Haltung eines Western-Helden ein. Jetzt noch das Drehen einer Zigarette, und sie wäre perfekt gewesen.

Das aber ließ sie bleiben, denn Jamie hatte andere Hobbys. Weitaus gefährlichere.

Sie lächelte, als sie daran dachte, und in ihre Augen trat ein ganz besonderer Glanz. In dieser verdammten Nacht, so schwor sie sich, würde wieder jemand unter ihrem Hobby tödlich zu leiden haben.

Natürlich brannte die Laterne nicht. Die Kuppel war längst zerschmettert worden. In der Nähe lag ein Abfallberg, den auch keiner forträumte. Er stank nicht nur, er raschelte auch, weil Ratten durch ihn huschten. Diese Ecke der Bronx gehörte wirklich zu den schlimmsten.

Die Frau warf einen Blick in die Höhe.

Selbst der Nachthimmel wirkte schmutzig, als würde er sich schämen, auf diesen Stadtteil niederblicken zu müssen.

Sie merkte das Kribbeln und spannte sich sofort. Es trat immer dann ein, wenn bald etwas passierte. Das begann bei den Füßen und drückte sich allmählich höher, als hätte man ihr Blut mit Mineralwasser verdünnt. Es erreichte auch ihren Hals, wo es sich festsetzte und die Haut im Nacken spannte.

Ihre Lippen bildeten nur mehr zwei Striche, die wie blutleere Schläuche schimmerten. Plötzlich sah das Kinn steinern aus. In den Augen flimmerte kein Leben mehr. Die Pupillen erinnerten an glatte Kugeln, die einfach hineingedrückt worden waren. Zu sehen war noch nichts, trotzdem löste sich Jamie Steel von der Laterne und schritt die wenigen Yards über das aufgerissene Pflaster des Gehsteigs, bis sie den Kantstein erreicht hatte, der an einigen Stellen einfach rausgebrochen worden war. Irgendwelche Banden hatten ihn als Wurfgeschosse benutzt.

Er grenzte die normale Fahrbahn ein. Eine breite Spur, die eine Schneise durch die trostlose apokalyptische Landschaft zog und das Bild der Zerstörung auf perfide Art und Weise vervollkommnete.

Sie betrat die Straße. Es war nicht das normale Gehen eines hier lebenden Menschen. Diese Bewegungen verrieten eine Sicherheit, die schon an Überheblichkeit grenzte. So gingen zumeist die großen Bosse, auch nur im Schutz der Leibwächter.

Jamie bewegte ihre Zunge. Im Mund spürte sie den rauhen Geschmack, auch die Lippen waren derartig verändert. Das Gesicht hatte sich noch stärker gespannt. Es sah so aus, als würde die Haut auf den Wangen im nächsten Moment einreißen.

Die Bronx war um drei Uhr morgens wie tot. Ihre Bewohner tobten sich weiter südlich in Manhattan aus und lieferten sich dort Straßenschlachten mit der Polizei.

Sie aber war als einzige Polizistin geblieben, und sie stand auf der Straßenmitte, dicht vor einem Schlagloch, das niemand zugeschüttet hatte und auch keiner zuschütten würde.

Woher der Brandgeruch kam, konnte sie auch nicht sagen. Irgendwas brannte immer in der South Bronx oder kokelte vor sich hin.

Sie schaute in Richtung Süden, weil sie genau wußte, daß das oder die Opfer von dort erscheinen würden.

Ihre rechte Hand legte sie für einen Moment auf den Griff des Revolvers. Es tat gut, ihn zu berühren, denn diese Waffe spie den Tod aus, und nicht nur ihn, denn er war begleitet von einem mörderischen Gruß aus der Hölle, den der Teufel persönlich ausgesprochen hatte.

Dann sah sie die beiden hellen Punkte. Blasse Kreise, noch etwas weit entfernt – Scheinwerfer …

Jamie Steel nickte. Sie war auf keinen Fall überrascht, denn sie hatte nichts anderes erwartet. Die Botschaft war genau gewesen, man ließ sie eben nicht im Stich.

In der Straßenmitte blieb sie stehen, und sie würde keinen Schritt zur Seite weichen, das stand fest.

Die Regeln kannte sie und auch die Risiken. Wenn ihre Gestalt im Licht der Scheinwerfer erschien und der oder die Fahrer merkten, daß es sich um eine Uniformierte, um einen weiblichen Cop, handelte, bestand die Möglichkeit, daß sie bremsten.

Es gab auch welche, die einfach weiterfuhren und einen Polizisten überrollten, denn wer viel Dreck am Stecken hatte, reagierte oft genug voller Panik.

Das mußte Jamie Steel eben darauf ankommen lassen.

Freiwillig fuhr in der South Bronx niemand schnell. Wer hier ein Auto besaß, der liebte es auch, wollte es so lange wie möglich erhalten und nicht über eine schlechte Wegstrecke prügeln, damit es litt oder zerstört wurde.

Sehr locker wartete sie. Keine Straße war in dieser Gegend glatt, in der South Bronx erst recht nicht. So blieb es nicht aus, daß der Wagen schaukelte. Die Scheinwerfer hoben und senkten sich im Ryhthmus der Schlaglöcher, durch die der Wagen getrieben wurde. Wie ein blasser Teppich glitten die breiten Kegel über all den Müll hinweg, über die Zerstörung, die verdreckten Wände und die schmutzigen Fassaden der alten, oftmals ausgebrannten Bauten.

Hier war New York zum Vorhof der Hölle geworden, und in den hinein stach das Licht mit seinem blendenden Schein, denn der Fahrer hatte das Fernlicht eingeschaltet.

Die Fülle übergoß Jamie Steel wie ein gewaltiges Tuch. Scharf konturiert zeichnete sich ihre Gestalt inmitten des Lichtteppichs ab. Jede Pore in der Haut wurde sichtbar wie ein kleiner Graben.

Ein Hupsignal grellte ihr entgegen. Es hörte sich aggressiv an, wild und stürmisch.

Jamie Steel kümmerte sich nicht darum. Sie blieb stehen. Die lockere Haltung mußte einfach provozieren. Sie hatte die Arme angewinkelt und die Hände leicht in die Taille gestützt.

Sollten sie kommen, sie jedenfalls würde nicht um einen Deut zurückweichen.

Noch einmal schrillte ihr das verfluchte Hupsignal entgegen. Widerlich laut und warnend.

Ein anderer wäre verschwunden, hätte den großen Satz zur Seite gemacht, nicht Jamie.

Sie war eiskalt, blieb stehen, und vor ihr explodierte das Licht. Die Augen hielt sie zu schmalen Schlitzen verengt, denn sie wollte nicht zu stark geblendet werden.

Welcher Wagen auf sie zufuhr, wußte sie nicht. Sie konnte es auch nicht an der Form seiner Scheinwerfer erkennen, sie sah überhaupt nichts, nur das helle Blendwerk.

Sie hörte den Motor, wieder...