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John Sinclair - Sammelband 5 - Grabgeflüster

Jason Dark

 

Verlag Verlagsgruppe Lübbe GmbH & Co. KG, 2010

ISBN 9783838702902 , 192 Seiten

Format ePUB

Kopierschutz Wasserzeichen

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4,99 EUR

Für Firmen: Nutzung über Internet und Intranet (ab 2 Exemplaren) freigegeben

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Gegen ein Uhr würden die beiden Killer das Ziel erreicht haben. Spätestens eine halbe Stunde danach konnten sie sich schon wieder auf die Rückfahrt machen.

Der Fahrer hieß Felix Picarotta und machte eigentlich einen gemütlichen Eindruck, was spätestens aufhörte, wenn er einen Schalldämpfer auf den Lauf des Revolvers schraubte. Dann verlor sein rundes Gesicht jeglichen Ausdruck und wurde zu einer kalten Grimasse.

Neben ihm saß Dino Romero. Er wurde auch die Schlange genannt, weil er ebenso schnell und wendig war. Dabei konnte er blitzschnell zustoßen, das tat er meistens mit einem Stilett. Er war aus den Staaten geflohen, weil ihm der FBI zu dicht auf den Fersen gewesen war. London betrachtete er als Übergangsstation. Er wollte weiter nach Rom, wo eine große »Familie« auf ihn wartete.

In zwei Tagen würde er bereits im Flieger sitzen. Daß der große Logan Costello, Mafiachef in London, ihm Schutz gewährt hatte, dafür war er dem Capo Dank schuldig. Deshalb hatte er sich auch für den Job gemeldet und Felix gebeten, ihm die Aufgabe zu überlassen.

Sie hatten den Motorway verlassen und hatten es nicht mehr weit.

Picarotta fluchte, als die Scheinwerferkegel von den grauweißen Nebelwänden verschluckt wurden.

»Ihr habt doch immer Nebel«, meinte Romero gelassen. »Ich würde mich da gar nicht aufregen.«

»Trotzdem hasse ich ihn.« Felix Picarotta senkte das Tempo. Man wußte nie, ob noch irgendwelche Hindernisse in der Brühe lauerten, die ein menschliches Auge zu spät wahrnahm.

Dann tauchten sie ein.

Unwillkürlich hatten sich die beiden Männer nach vorn gebeugt. Jeder wollte so viel sehen wie möglich, doch sie bekamen kaum etwas zu Gesicht.

Bald kam ihnen noch ein Wagen entgegen. Seine Scheinwerfer blendeten trotz des Nebels. Die Lichter zerflossen zu gleißenden Seen.

An der linken Seite war vom Bewuchs der Umgebung nichts zu sehen. Nur langgezogene, dunkle Schatten, die sie wie eine nicht endenwollende Bahn begleiteten.

»Hoffentlich zieht sich das nicht hin«, murmelte Romero, als er zu seinen Zigaretten griff. Er klaubte ein Stäbchen aus der starren Packung und erntete von Felix einen wütenden Blick.

»Mußt du jetzt qualmen?«

»Ja.« Gelassen zündete Romero das Stäbchen an. »Dafür saufe ich nicht. Und die Weiber können mir auch gestohlen bleiben.«

Picarotta lachte wie ein Teenie. »Wieso – bist du schwul?«

»Das nicht, aber du kannst dich auf die Weiber nicht verlassen. Einmal habe ich es getan. Das war in L.A.«

»Und?«

»Es ging schief. Die Kleine hat mich verraten. Sie wollte Stoff. Sie wußte, daß ich einem Dealer aus Mexiko mein Messer zu schmecken gegeben hatte. Da wollte sie mich erpressen. Ich besorgte ihr Stoff, dann verriet sie mich zum Dank an igrendeinen Sozialen, der Süchtige auf den rechten Pfad bringen wollte.« Romero lachte scharf in der Erinnerung an die Sache damals. »Dem habe ich es aber gegeben.«

»Und was war mit der Kleinen?«

»Sie lebt noch. Nur erkennt sie sich nicht mehr, wenn sie in den Spiegel schaut. Sie hat sich um den Verstand gekifft.«

»Hast du recht.«

Dino blies den Rauch gegen die Scheibe und vernebelte den Wagen auch von innen. Sie steckten noch immer in der Suppe. Ein Ende war nicht abzusehen.

»Manchmal kommt es eben knüppeldick«, sagte Felix. »Mich hat noch kein Weib verraten.«

»Warum nicht?«

»Im Gegensatz zu dir bin ich seriös.«

Romero lachte glucksend. »Sag nur, du bist verheiratet.«

»Genau, und das seit zehn Jahren. Die Familie sorgt für unseren Schutz. Als ich mal saß, brauchte niemand zu hungern. Meine Frau nicht und meine beiden Kinder nicht.«

»Magst du Kinder?«

»Sicher. Ich habe einen Jungen und ein Mädchen. Die kleine ist mir besonders ans Herz gewachsen. Sie ist ein richtiges Goldkind und wickelt mich um den Finger. Ich bin der Meinung, daß man in unserem Job verheiratet sein sollte. So geht alles seinen normalen Weg.«

Romero schüttelte den Kopf, während er die Zigarette ausdrückte. »Das begreife ich nicht. Wie kann man nur so reden und dann einen Job ausführen wie wir.«

»Alles muß seine Ordnung haben.«

»Klar, bis auf den Nebel.« Romero rieb seine Hände, als würde er frieren. »Bin ich froh, wenn ich in Italien sitze. Dort ist es warm, da lasse ich mir die Sonne auf den Bauch scheinen …«

»Und die Arbeit …?«

»Ich steige in der Familie hoch, hat man mir versprochen. Die Feuertaufe in den Staaten liegt hinter mir. Ich bin gerüstet für Bella Italia. Ein tolles Gefühl, sage ich dir.«

»Kann ich mir denken.«

»Aber du bleibst, nicht?«

»Hör mal«, beschwerte sich Picarotta. »Ich bin hier aufgewachsen. London ist meine Heimat, nicht Roma oder Napoli. Obwohl ich einmal im Jahr in Stresa bin.«

»Das ist weit im Norden.«

»Ja, am Lago Maggiore. Da stamme ich her.« Felix reckte sich. »Der Nebel wird lichter. Wir lassen ihn gleich hinter uns.« Er gab wieder etwas mehr Gas. »Ich habe über deine Rückkehr nachgedacht und glaube nicht, daß du nur in der Sonne liegen wirst.«

»Was glaubst du dann?«

»Dich wird der Job fressen, den die Familie für dich bereithält. Was ist es denn?«

»Etwas Neues.«

»Hm.« Felix Picarotta überlegte. »Ich hörte, daß du ein intelligenter Typ sein sollst. Hast sogar studiert. Irgend etwas in naturwissenschaftlicher Richtung.«

»Das stimmt. Biologie.«

»Was über Pflanzen?«

Dino lachte. »So ähnlich, wenn du sie zerlegst und dir gewisse Dinge unter einem Elektronenmikroskop ansiehst. Es gibt da ganz neue Möglichkeiten, verstehst du?«

»Sicher. Ich verstehe, aber ich begreife nicht. Das ist der große Unterschied.« Felix starrte nach vorn. Der Nebel war zwar dünner geworden, leider begleitete er sie weiterhin. »Darf ein Mann mit normaler Bildung oder Nichtbildung dich etwas fragen, Dino?«

»Immer.«

Felix setzte zweimal an. »Hast du etwas mit den oft zitierten Genen zu tun?«

Romero antwortete zunächst nichts. Er pfiff leise.

»Das reicht mir«, sagte Felix.

»Die Organisation muß eben neue Gebiete erschließen.«

Picarotta schlug mit der flachen Hand auf den Lenkradring. »Das ist pervers, das ist so verdammt pervers. Dafür finde ich einfach keinen Ausdruck mehr.«

Romero streckte die Beine aus und zog sie wieder an. Das tat er mehrere Male hintereinander.

»Die Antwort hat dir wohl nicht gepaßt.«

»Spielt keine Rolle. Ich wundere mich nur darüber, daß du sie ausgesprochen hast. Du bist ein Killer, Felix. Wie viele Menschen hast du schon umgelegt?«

»Nicht mehr als fünf.«

»Das sind fünf zuviel, wenn man die Moralvorstellungen als Basis nimmt. Du hast sogar Familie, sorgst für zwei Kinder, nennst die Aussichten der Zukunft pervers. Das darf sich doch einer wie du überhaupt nicht erlauben.«

»Wenn ich abdrücke, ist das zwar auch nicht gerade moralisch, aber nicht so heimtückisch wie Viren oder was man sonst noch unter diesem Gebiet versteht. Da kannst du Völker ausrotten. Ich kann mir denken, daß die Familie ihr Know-how verkaufen will.«

»Wenn ja, sind es nicht deine Sorgen, Felix. Laß dir eines gesagt sein, Freund. In der Zukunft kann man nicht nur durch eine schnelle Kugel oder einen Messerwurf vorankommen. Man muß versuchen, auch in andere Regionen vorzustoßen.«

»Gut, das Thema ist …«

Genau in dem Augenblick passierte es. Der Junge tauchte plötzlich auf wie ein Phantom. Irgendwo am linken Straßenrand erschien er und lief auf die Fahrbahn.

Aber er war kein Phantom, er war real.

Und die Kühlerschnauze des Mazda erwischte ihn!

***

Es war furchtbar, und der Anblick fraß sich tief in die Erinnerung des Killers und Familienvaters. Nach dem harten Aufprall war der schmale Körper durch die Luft gewirbelt worden.

Dino Romero stieß einen Fluch aus, der Fahrer aber war nur entsetzt und merkte kaum, daß er bremste. Er hatte nur Augen für den Körper, der in ungewöhnlich grotesken Bewegungen durch die Luft wirbelte, als hätte er sich in eine Puppe verwandelt, dann steinhart zu Boden schlug, aufprallte, auf dem feuchten Untergrund noch quer über die Fahrbahn rutschte und an der rechten Seite liegenblieb, dicht am Straßengraben, als wollte er dort noch mit einer verzweifelten Bewegung hineinkriechen.

Der Mazda stand!

Bei ihm war nur die Stoßstange leicht verbogen, ansonsten hatte sich nichts getan.

Dino Romero fluchte. Er tat es leise, aber voller Wut. Sie standen in der Finsternis, als hätte jemand einen Sack mit schwarzer Watte über ihre Köpfe gestülpt.

Felix Picarotta bewegte sich nicht. Er hatte die Hände vor sein Gesicht geschlagen, aber eine Lücke zwischen den kleinen Fingern gelassen, durch die seine Worte drangen.

»Ein Kind!« flüsterte er, »verdammt noch mal, ich habe ein Kind überfahren …« Er schluchzte auf und schüttelte den Kopf, ohne die Hände vom Gesicht wegzunehmen.

»Sei ruhig, Memme!«

»Nein, Dino, das kannst du nicht verstehen. Wir haben ein Kind überfahren. Ich saß am Steuer, ich bin der Schuldige! Ebensogut hätte es meine Tochter sein können.«

»War es aber nicht.« Romero schüttelte den Partner. »Komm wieder zu dir. Wir haben einen Job zu erledigen.«

Felix ließ die Hände langsam sinken. Dino...