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John Sinclair - Sammelband 4 - Angst ohne Ende

Jason Dark

 

Verlag Verlagsgruppe Lübbe GmbH & Co. KG, 2010

ISBN 9783838702896 , 192 Seiten

Format ePUB

Kopierschutz Wasserzeichen

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4,99 EUR

Für Firmen: Nutzung über Internet und Intranet (ab 2 Exemplaren) freigegeben

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Vorgeschichte

Dieses verdammte würgende Geräusch aus dem Telefonhörer klang noch immer in meinen Ohren nach, als ich den Rover herumriß und in die schmale Einfahrt lenkte, die einen Tunnel in das Haus schnitt. Das Würgen war untermalt worden von heftigen, keuchenden Geräuschen, schon kein Atmen mehr, obwohl ein Mensch diese Geräusche von sich gegeben hatte.

Jemand hatte mich sprechen wollen, mir seinen Namen genannt und auch seine Anschrift. Mehr nicht. Dann das Würgen, die Angst, das heftige Atmen.

Ich hatte mich in den Rover gesetzt und auch Suko, meinen Freund und Kollegen, mitgenommen, der sich festhielt, als ich den Wagen so scharf herumgerissen hatte.

»Willst du alle Rekorde brechen, Alter?«

»Nein, nur nicht zu spät kommen.«

»Okay.«

Wir folgten dem Lichtteppich der Scheinwerferstrahlen, die das beleuchteten, was hinter der Einfahrt lag.

Es war der Hof, ein Gelände mit Gebäuden, die aus Werkstatt und Wohnhaus bestanden und eine flache, barackenähnliche Form aufwiesen.

Fenster schimmerten als viereckige Ausschnitte, wenn das Licht der Scheinwerfer darüber hinwegglitt. Menschen sahen wir nicht. Dafür drückte die Hitze.

In der Dunkelheit hatte es sich nur wenig abgekühlt. Die Hitze schien die Menschen erdrücken zu wollen. Das war kein Wetter für mich.

Am Himmel zeigte sich der Mond. Fahlgelb, kreisrund und in die Tiefe glotzend. Eine furchtbare Nacht, mit dem wir uns herumzuschlagen hatten.

Ich hatte den Wagen mitten auf den Hof gelenkt und ihn gestoppt. Zugleich stiegen Suko und ich aus. Ob sich jemand auf dem Gelände aufhielt, konnten wir nicht erkennen. Wenn ja, hielt er sich gut versteckt. Schatten gab es zur Genüge.

Wir schauten uns um. Der Anrufer hatte nur von einem Hinterhaus gesprochen. Fragte sich nur, welches wir betreten sollten. Es gab eines auf der rechten und das andere auf der linken Seite.

Dann hörten wir Schritte, die sich uns schlurfend näherten. Suko drehte sich zur Einfahrt hin. Unter ihrem Bogen zeichnete sich die Gestalt ab.

Mein Freund ging auf sie zu. Die Gestalt wollte fliehen, aber Suko war schneller, hielt sie fest und sprach mit ruhiger Stimme auf sie ein. Ein Mann antwortete ihm.

Ich ging zu den beiden hin und hörte Sukos Frage. »Ist es hier immer so leer?«

Der Mann holte saugend Luft, bevor er redete. »Nein, nicht immer. Aber die Leute sind verschwunden. Sie haben Angst.«

»Vor wem?«

Der Mann drehte den Kopf und schielte hoch zum Himmel. »Da steht er wieder.«

»Vor dem Vollmond?«

»Richtig.«

Suko lachte leise. »Wie kann man vor einem Vollmond Angst haben? Das begreife ich nicht.«

»Nicht vor ihm, Mister, vor den Folgen. Da drehen manche durch, glauben Sie mir.«

»Wer hier?«

»Cushman!«

Das schien unser Mann zu sein. Einen Namen hatte der Anrufer mir nicht genannt.

»Was tut dieser Cushman?« wollte ich wissen.

»Er … er schreit, er heult, er dreht hin und wieder durch. Wir können es immer hören, dann flüchten wir.«

»Sagen Sie uns nur, wo wir ihn finden können«, bat Suko.

»In der linken Baracke.«

»Danke.« Suko ließ den Mann los, der einige Schritte zur Seite ging, dann Mut gefaßt hatte und seine Frage stellte. »Was … was wollen Sie denn von ihm?«

»Mit ihm sprechen.«

»Und worüber?«

»Gehen Sie lieber«, sagte ich. »Noch eine Frage. Ist er schon einmal gewalttätig geworden?«

»Keine Ahnung.« Der Knabe hatte es plötzlich eilig. Wie ein Irrwisch hetzte er durch die Einfahrt.

Suko schaute mich an. »Was sagst du, John?«

»Bisher nicht viel, Alter. Hier scheinen nur einige Leute Angst bekommen zu haben.«

»Wovor nur?«

»Das werden wir gleich sehen.«

Der Knabe war der erste gewesen und blieb es auch. Wie leergefegt war der Hinterhof, in dem wir uns noch einmal umschauten. Dabei streifte mein Blick abermals den Mondkreis, und ich dachte an die Worte des Mannes, der dem Vollmond die Schuld für ein verändertes Verhalten gegeben hatte.

Die Tür zum Anbau fand ich an der Seite. Mit der Lampe leuchtete ich sie ab.

Das Ding sah aus, als sei häufig dagegen getreten worden. So viele Macken besaß das Holz. Farbe war kaum noch vorhanden, das Schloß konnte man vergessen; die Klinke hing traurig nach unten. Mit dem Fuß drückte Suko die Tür auf. Sie war kaum nach innen geschwungen, da hörten wir das mir bekannte Geräusch.

Ein heftiges Keuchen und Würgen. Dazwischen Worte, die verstümmelt wirkten.

Suko schaute mich an, ich ihn. »Begreifst du das, John?«

»Nein.«

»Warum quält sich dieser Mann? Warum hat er dich …?«

Ich hörte gar nicht hin, weil ich vorgelaufen war und nach links ging, wo ich eine Tür sah, die nicht verschlossen war. Durch den Spalt drangen die Laute.

Und es fiel auch ein Streifen Licht nach draußen, der auf dem schmutzigen Flurboden einen hellen Flecken hinterließ.

Ich blieb vor der offenen Tür stehen. Das Licht stammte von einer Lampe, die ihren Platz auf einem Schreibtisch oder einem ähnlich hohen Gegenstand gefunden haben mußte.

In ihrem Schein an der rechten Seite zeichnete sich der scharfe und schattenhafte Umriß eines Mannes ab. Im Moment war er ruhig, bis auf die normalen Atemzüge.

Ich klopfte nicht, stieß die Tür auf. Suko folgte mir auf dem Fuß, und beide blieben wir wie angewurzelt stehen, denn das Bild, das uns erwartete, war furchtbar.

Cushman saß tatsächlich hinter seinem Schreibtisch, den Arm leicht angewinkelt. Die Hand lag flach auf der Platte. Darunter schimmerte ein heller Bogen Papier.

Beides zusammen – Papier und Hand – waren mit einem Messer auf die hölzerne Schreibtischplatte festgenagelt worden!

***

Ich sah nicht nur das Papier, auch das dünne Blut, das an der Hand entlang nach unten geflossen war und sich auf dem Papier verteilt hatte wie ein rotes Spinnennetz.

Ein normaler Mensch hätte geschrien oder wäre bei diesen starken Schmerzen bewußtlos geworden. Nicht so dieser Cushman, der wie festgeleimt auf seinem Stuhl saß, Suko und mich anstarrte, aber so aussah, als würde er uns gar nicht sehen.

Ich schätzte ihn etwas älter als mich. Sein Haar glänzte. Dabei sah es aus, als hätte man über die dunklen Locken Öl gekippt. Auch das Gesicht mit dem breiten Mund und den dicken Lippen zeigte einen nassen Film. Die Augen sahen aus, als hätte jemand zwei Glaskugeln in die Höhlen hineingedrückt.

Der Mann sagte nichts. Er schrie auch nicht, sondern schaute uns an, wobei sich der Ausdruck seiner Augen änderte und so etwas wie Hoffnung in sie drang.

»Cushman?« fragte ich.

Er nickte.

»Mein Name ist John Sinclair. Wenn mich nicht alles täuscht, haben Sie mich angerufen.«

Er nickte oder deutete zumindest so etwas wie ein Nicken an, bevor sich sein Mund noch mehr in die Breite schob.

Ich ging näher, während Suko an der Tür stehenblieb und mir den Rücken deckte.

Verflucht noch mal, er mußte Schmerzen haben. Nicht nur an der Hand. Wenn mir jemand ein Messer in den Handrücken stieß, dann würde ich brüllen vor Schmerzen.

Cushman sagte nichts.

Am Schreibtisch blieb ich stehen. Auf ihm lagen einige Papiere neben Magazinen und Zeitungen. Ich beugte mich vor und formulierte meine Frage: »Wer war es, Cushman? Wer hat das getan? Können Sie mir eine Antwort geben?«

Diesmal holte er normal Luft. Ohne zu würgen und auch ohne zu schlucken. »Sinclair, das habe ich selbst gemacht. Ich habe mir das Messer durch den Handrücken gerammt. Verstehen Sie? Ich selbst!«

Das mußte ich erst verdauen. Mit solchen Leuten hatte ich bisher wenig zu tun gehabt.

»Können Sie mir auch den Grund nennen, Mr. Cushman?«

Er nickte und zog dabei eine Grimasse. Wahrscheinlich bekam er durch die Bewegung wieder Schmerzen. »Ja, es gibt einen Grund. Sinclair. Einen verdammten und verfluchten Grund. Ich habe mich vor mir selbst schützen wollen.«

»Was?«

»Gehen Sie zum Fenster!« keuchte er. Als ich zögerte, wiederholte er seine Aufforderung. »Los, Sinclair, gehen Sie schon! Machen Sie schnell! Gehen Sie!«

Ich hob die Schultern und tat ihm den Gefallen. Die Scheibe war zwar schmutzig, hinaussehen konnte ich trotzdem und schaute schräg gegen den dunklen Himmel, der eine Farbe aufwies, die zwischen Schwarz und Blau lag.

»Was sehen Sie?«

»Himmel, Sterne …«

»Das ist mir zu wenig. Was noch?«

»Den Mond.«

Ich fuhr aufgeschreckt herum, als ich sein krächzendes Lachen hörte. »Ja«, sprach er in meine Richtung und meinte auch Suko damit. »Der Mond steht am Himmel. Der verfluchte Vollmond, den ich hasse. Verdammt, ich hasse ihn.«

»Und deshalb haben Sie sich ein Messer durch Ihre Hand gerammt?« fragte Suko von der Tür her.

»Ja, um mich zu schützen. Ich … ich wollte nicht mehr diese verfluchte Scheiße erleben.« Er heulte fast. Aus seinen Augen rollten Tränen und hinterließen auf den Wangen nasse Spuren.

»Vor dem Mond?«

»Klar, Sinclair, deshalb rief ich Sie an. Vor dem Mond und vor dessen Folgen.«

»Dann sind Sie mondsüchtig?«

»Nein, was anderes.«

Ich war wieder an den Schreibtisch herangetreten und beugte mich über ihn hinweg. »Was würden...