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John Sinclair - Sammelband 7 - Totengrüße

Jason Dark

 

Verlag Verlagsgruppe Lübbe GmbH & Co. KG, 2010

ISBN 9783838702926 , 192 Seiten

Format ePUB

Kopierschutz Wasserzeichen

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4,99 EUR

Für Firmen: Nutzung über Internet und Intranet (ab 2 Exemplaren) freigegeben

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Die Postmoderne der achtziger Jahre war out. Zurück kehrte die spielerische Lust am Gestalten. Menschen dekorierten ihre Wohnungen, das Outfit sollte wieder schmücken und den tristen Alltag bereichern.

Man verzierte nicht nur die heimatliche Wohnwelt – in Paris, Mailand oder London glitzerte es wie in New York –, man ließ auch sich selbst nicht aus.

Gold in Form von Fäden und Pailetten schmückten die Kleidung. Die fließenden Stoffe sahen nicht nur wertvoll aus, sie waren auch teuer und kostbar. Orientalische Pracht hatte die Modeschöpfer zu diesen Kreationen angeregt, und ihre Vorschläge waren auf fruchtbaren Boden gefallen.

Diese Mode revolutionierte, sie drehte auch den Menschen in seiner Meinung um.

Plötzlich konnte sich die Frau wieder ganz als Frau fühlen und brauchte sich auch nicht zu schämen, wenn sie den aufwendigen Modeschmuck anlegte.

Es gab wieder eine Welt der Fülle und des Luxus, wenigstens für die Menschen, die es sich leisten konnten.

Silva gehörte dazu!

Die kühle Blonde auf der einen Seite, der heiße Vulkan auf der anderen. Die Mailänderin mit den blauen Augen und der wilden Mähne. Das Weib der Weiber, das Model an der Spitze.

Die einschlägigen Gazetten überschlugen sich, wenn sie über Silva schrieben, und die Zwanzigjährige konnte nicht behaupten, daß sie dem negativ gegenüberstand. Sie genoß es, wenn sie auf den Titelbildern zu sehen war, und sie genoß es noch mehr, wenn sie die dicken Honorare einstreichen konnte, denn sie gehörte zu den bestbezahltesten Models der Welt.

Silva entsprach dem neuen Typ. Sie war groß, nicht zu schlank, ihr stand die Kleidung der Modeschöpfer; bei ihr kam auch der Schmuck zur Geltung. Wenn sie beides trug, wirkte sie noch immer als Person.

Sie führte natürlich ein entsprechendes Leben. Die Zeit zwischen den Terminen war oftmals nur sehr knapp bemessen. Diese Zwischenstopps verbrachte sie dann in Hotels. Dauerte die Freizeit länger, konnte sie sich eine der Wohnungen aussuchen, die ihr zur Verfügung standen. Mailand, Paris, London und New York waren diese Stützpunkte.

Die größte Wohnung befand sich in London. Eingelagert in einen prächtigen Altbau, hatte sie das Glück gehabt, gleich mehrere Räume mieten zu können. Und dann, als der Besitzer drei Monate nach dem Einzug verstorben war, hatte sie die Wohnung kaufen können und war darüber überglücklich.

Die Wohnung besaß sogar einen verglasten Balkon, auf dem sie in verschwenderischer Fülle die Blumen in den Vasen und Terracotta-Töpfen verteilte. Silva liebte nicht nur ihre Heimat Italien, sie mochte auch die Provence mit ihrem wunderschönen Licht, den unwahrscheinlichen Gerüchen, der samtenen Luft, und sie hatte versucht, etwas von diesem Landleben in ihre Wohnung zu zaubern.

Eine Mischung aus rustikal und elegant. Alles aufgearbeitet in einer verschwenderischen Fülle. Das fing bei den Tischdecken an, fand seine Fortsetzung in den Vorhängen und endete auch hier in den breiten Töpfen und Schalen, die gefüllt waren mit Obst und Gemüse. Im Winter als Dekoration, im Sommer echt.

In den traurigen Monaten waren nur die Apfelsinen nicht künstlich, aber Silva besaß einen Vorteil.

Es gab kaum Termine.

Im November und im Dezember hatte sie Ruhe, und diese Zeit wollte sie in London genießen.

Oft lag sie auf ihrem Lieblingsplatz, einem sehr breiten Sofa, das etwas aus der Zeit des Biedermeier an sich hatte, das aber aus der Provence stammte.

Eine sehr breite Sitz- und Liegefläche. Alles stand in Reichweite. Das Telefon, die wichtigsten Bücher, die Lampen mit den geblümten Schirmen und auf dem weichen Orange des Teppichs konnte sich das Licht so wunderbar verlaufen.

Sogar die Glotzkiste konnte sie einschalten, ohne aufstehen zu müssen. Das galt auch für die Hi-Fi-Anlage, die sich per Fernbedienung steuern ließ.

Eigentlich konnte Silva mit ihrem Leben zufrieden sein, und sie war es auch, obwohl, um den bürgerlichen Vorstellungen zu folgen, noch etwas fehlte, ein Mann, ein Partner.

In ihrem Job war das natürlich so eine Sache. Wenn sie gut im Geschäft war, konnte sie sich auf jeden verlassen. Da wurde sie von den Menschen hofiert, da hockte man um sie herum, da war sie die Frau, der die Männer zu Füßen lagen.

Aber was waren das für Typen?

Natürlich die Kreativen, mit denen man arbeiten und feiern konnte. Die aber oft genug neurotisch waren und ihre Depressionen bekamen. Da gab es kaum Unterschiede zwischen Männern und Frauen. Mochte die Branche noch so stark mit Glamour und Glitzer behaftet sein, in Wirklichkeit war das Geschäft knallhart.

Wenn es um die Kohle ging, nahm keiner Rücksicht auf den anderen. Nicht grundlos hörte sie oft genug die Warnungen ihres Agenten. Sie durfte nicht zunehmen, sie mußte unheimlich aufpassen, was sie aß und trank. Sie führte praktisch ein Leben nach Plan.

Das mochte sie überhaupt nicht, aber sie besaß eine eiserne Disziplin und widerstand dem Genuß von Süßigkeiten.

Einen festen Freund hatte sie nicht. Es gab da wohl einen Deutschen, mit dem sie hin und wieder ausging, wobei sich Silva nicht klar war, ob sich dieser Mensch mehr mit ihr schmücken wollte oder sie tatsächlich mochte.

Es gab Tage, da dachte sie oft darüber nach und fand sich und ihre Lage gar nicht mal so beneidenswert. In den Hotels hatte sie es sich zur Aufgabe gemacht, Bücher zu lesen.

Sehr oft saß sie im Zimmer und wälzte die dicken Schinken, die sich zumeist mit demselben Thema beschäftigten:

Okkultismus und Magie. Hexenwerk und Teufelskunde. Alte Schriften, neu verlegt, geheimnisvolle Folianten, die man in gewissen Buchläden kaufen konnte.

Auch in der Wohnung hatte sie die Bücher verteilt. Sie standen aufgestapelt neben ihrem Bett, wo sie einen regelrechten Turm bildeten, den sie auch als Ablage für ihre Gläser waren, die zumeist mit Mineralwasser und Obstsäften gefüllt waren.

Silva ließ sich von dieser anderen Welt gefangennehmen und hatte es tatsächlich geschafft, einer Schwarzen Messe beizuwohnen. Das war in Paris gewesen, wo ein Guru lebte, der eine neue, angeblich erlösende Religion predigte, tatsächlich aber zu denjenigen Personen gehörte, die dem Teufel zugetan waren.

Erst hatte sie Furcht vor der Schwarzen Messe gehabt. Im nachhinein hatte sie zugeben müssen, daß sie von den Ritualen fasziniert gewesen war. Sobald es ihre Zeit erlaubte, würde sie wieder eine dieser Feiern mitmachen.

An diesem Tag gratulierte sich Silva dazu, wieder in der Wohnung bleiben zu können. Es war bereits Vormittag, aber es wollte einfach nicht richtig hell werden.

Wie ein großer Vorhang lag die Düsternis des letzten Novembertages vor den Fenstern. Von der Weihnachtsbeleuchtung, die in den Städten brannte, hatte Silvia nicht viel gesehen. Sie blieb lieber in ihrer Wohnung, las oder hing ihren Gedanken nach, die sich um metaphysische Kriterien drehten.

Ein Buch faszinierte sie besonders. Es befaßte sich mit der Hölle. Der Autor hatte versucht, sie zu beschreiben und ein Kapitel dem Höllenthron gewidmet, auf dem der Teufel angeblich saß und die Welt des Bösen regierte.

Dieser Platz hatte sie nicht losgelassen und sich in ihre Gedanken festgefressen. Zudem erklärte der Verfasser, daß es dieses Gebiet und auch den Thron tatsächlich gab, aber das herauszufinden, war ihr noch nicht gelungen.

Silva hatte sich vorgenommen, an diesem langen Tag mehr darüber zu lesen. Als besonders günstige Zeit sah sie stets den Abend an, da machte es ihr Spaß, mehr über diese Dinge zu erfahren und sich danach eigene Gedanken zu machen.

Sie dachte auch über Termine nach. Vor Weihnachten hatte sie noch zwei.

Einen in London – kein Problem – und einen zweiten in Rio. Allerdings auch nur drei Tage. Eine große Firma hatte sie gewinnen können, die neue Bademode für den Sommer vorzuführen. Eine sehr gute Kollektion, wie Silvia fand, keine Zweiteiler mehr, sondern perfekt sitzende Einteiler, die aussahen, als wären sie auf die Haut der Frau gemalt worden.

Da wirkte man angezogen wie ausgezogen. So etwas liebte Silva natürlich, und bei ihrer wirklich perfekten Figur konnte sie sich so etwas erlauben.

Das Telefon meldete sich. Es war ein altmodischer, schwarzer Apparat, der jetzt wieder in Mode gekommen war. Sie hatte ihn neben dem Sofa auf die Couch gestellt, brauchte nur den Arm auszustrecken, um den Hörer abzunehmen.

Die Geste wirkte wie einstudiert. Nach dem dritten Läuten nahm sie den Hörer ab, warf dabei ihre blonde Mähne zurück, an der nichts gegelt oder gestylt war, und meldete sich mit einem leicht rauchig klingenden »Hallo …«

Sie hörte ein Lachen und erstarrte. Das Geräusch schnitt wie ein Messerstich in ihre Seele. Plötzlich wußte sie, wer dieser Anrufer war, obwohl sie ihn noch niemals zuvor gesehen hatte.

Der Mann bereitete ihr Furcht. Seine Stimme war so kalt und grausam, und er hatte ihr Dinge versprochen, über die sie nicht länger nachdenken wollte.

Das Lachen klang aus. Dafür hörte sie die Frage des Anrufers. »Wie geht es dir, Süße?«

»Was interessiert Sie das?« Am liebsten hätte sie aufgelegt, davor allerdings war sie schon bei ähnlichen Anrufen gewarnt worden.

»Ich bin eben ein netter Mensch!«

Über diese Lüge kam Silva nicht hinweg. Sie bekam sogar einen roten Kopf. »Was wollen Sie von mir?«

»Die erste Rate, Schätzchen!«

Silva blieb still. Ihre Gedanken rasten. Sie wußte, nein, sie ahnte, wer dahintersteckte, aber...