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Kultursoziologie - Paradigmen - Methoden - Fragestellungen

Monika Wohlrab-Sahr

 

Verlag VS Verlag für Sozialwissenschaften (GWV), 2010

ISBN 9783531923000 , 402 Seiten

Format PDF, OL

Kopierschutz Wasserzeichen

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26,96 EUR


 

V. Beobachtungen kultureller und kultursoziologischer Beobachtung (S. 339-340)

Kultur als Beobachtungsform

Wolfgang Ludwig Schneider


I. „Kultur“ in den Geistes- und Sozialwissenschaften

Wenn von „Kultur“ die Rede ist, fällt es zunächst schwer zu sagen, was nicht darunter fällt. Archäologen etwa zählen dazu nicht nur schriftliche Dokumente, Monumente oder Kunstwerke, sondern auch Werkzeuge und alle möglichen Gegenstände des alltäglichen Gebrauchs. Will man wissen, wie der Begriff „Kultur“ eingegrenzt werden kann, dann muss man danach fragen, was er ausschließt, d.h. wovon denn jemand, der von „Kultur“ spricht, das dadurch Bezeichnete zu unterscheiden wünscht. Je nach dem, was als Gegenbegriff verwendet wird, verändert sich die Abgrenzung und damit die Bedeutung des Ausdrucks „Kultur“. Die hier wohl prominentesten Gegensatzpaare sind „Kultur“ versus „Natur“ sowie „Kultur“ versus „Gesellschaft“.

„Kultur“ versus „Natur“ – diese Unterscheidung findet sich etwa in der philosophischen Anthropologie (Gehlen, Plessner), der daran anknüpfenden Wissenssoziologie (Berger/Luckmann) und im Strukturalismus (Lévi-Strauss). Von „Kultur“ ist dabei die Rede, wenn es um Verhaltensweisen und Interaktionsmuster geht, die nicht durch Instinkte gesteuert oder auf dem Wege der Konditionierung erworben werden, sondern durch sinnhafte Orientierung und Symbole reguliert sind.

„Kultur“ erstreckt sich hier auf den gesamten Bereich subjektiv bzw. objektiv sinnstrukturierten Verhaltens. Wo immer vom Erleben oder Handeln einzelner Akteure, von sozialen Beziehungen oder von gesellschaftlichen Zusammenhängen geredet wird, ist dann auch notwendig „Kultur“ im Spiel.2 Der Kulturbegriff erscheint insofern als zentrales Element einer allgemeinen Theorie des Sozialen. „Kultur“ versus „Gesellschaft“ – diese Distinktion nimmt bereits in der älteren geisteswissenschaftlichen und soziologischen Thematisierung von Kultur eine zentrale Position ein (vgl. Rehberg 1986), so u.a. bei Dilthey, Scheler, Mannheim und Weber.

Auch in der weiteren Entwicklung der Soziologie setzt sich dieser Trend fort: So unterscheidet Mertons Anomietheorie (1949) zwischen Sozialstruktur und kultureller Struktur, Habermas (1976) unternimmt eine „Rekonstruktion des historischen Materialismus“, die mit Weber, Parsons u.a. gegen Marx den Einfluss kultureller (und hier besonders: normativer) Strukturen auf die evolutionäre Herausbildung komplexerer Gesellschaftsformationen bis hin zur modernen Gesellschaft betont. Luhmann (1980–1995) konfrontiert die Transformation der gesellschaftlichen Differenzierungsform mit der Ideenevolution unter dem Titel „Gesellschaftsstruktur und Semantik“. Bei allen Unterschieden in der genaueren Bestimmung der Begriffe und ihrer Beziehung zueinander wird Kultur hier jeweils im Kontext von Gesellschaftstheorie thematisiert und die Frage nach Beziehungen der Determination bzw. der Kovariation von Kultur und Sozialstruktur aufgeworfen.