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Totes Meer - Roman

Brian Keene

 

Verlag Heyne, 2010

ISBN 9783641038724 , 383 Seiten

Format ePUB

Kopierschutz Wasserzeichen

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7,99 EUR

  • Illuminati
    Der kleine Drache Kokosnuss und seine Abenteuer
    Kakerlaken
    Rotkehlchen
    Die Tore der Welt - Roman
    Leichenraub - Roman
    Eragon - Das Vermächtnis der Drachenreiter
    Eragon - Der Auftrag des Ältesten
  • Eragon - Die Weisheit des Feuers

     

     

     

     

     

     

     

     

 

 

ZWEI
Sobald ich wohlbehalten in meinem Haus war, überprüfte ich alles, um sicherzugehen, dass während meiner Abwesenheit nichts hereingekommen war. Ich nagelte die Balken wieder an die Vordertür. Es war nicht völlig sicher, würde aber für eine Nacht reichen, solange ich mich ruhig verhielt und niemanden auf meine Anwesenheit aufmerksam machte. Zu viel Gehämmere würde Zombies und Plünderern meinen Aufenthaltsort verraten. Ehrlich gesagt hätte ich mich nicht länger mit meinen Barrikaden beschäftigen können, selbst wenn ich es gewollt hätte. Ich war erschöpft, sowohl körperlich als auch emotional, und weinte, während ich die billigen Nägel in die schweren Holzbalken schlug. Verzögerte Schockreaktion. Mentaler Breakdown. Vielleicht ein bisschen von beidem. Aber tief in mir wusste ich, dass ich nicht um Alan oder sonst jemanden weinte. Ich weinte um mich. Ich war nie besonders selbstmitleidig gewesen, aber diesmal fühlte ich es.
Ich war wieder allein.
Ich beschloss, es sicher genug zu haben und den Rest am Morgen zu erledigen. Ich fühlte mich ausgelaugt, schwach und schmutzig. Ich versuchte mich zu erinnern, wann ich das letzte Mal geduscht hatte, und konnte es nicht. Katzenwäsche mit Schwamm und Regenwasser ist einfach nicht dasselbe.
In der Dunkelheit aß ich eine Dose eingelegtes Obst. Ich hatte nicht viel Appetit, zwang mich aber zu essen, sogar die Ananasstücke, die ich nicht ausstehen konnte. Wie kommt es nur, dass sich in jeder Dose Fruchtcocktail, egal, welche Marke, immer zu viel Ananas finden, aber nie genug Kirschen? Wobei es mit Dosenobst wohl sowieso auf absehbare Zeit vorbei sein wird. Falls die Menschheit je wieder auf die Beine kommt, wird es wichtigere Dinge geben, um die wir uns kümmern müssen. Während ich den Saft aus der Dose trank, dachte ich an all die Lebensmittel, die ich auf der Straße zurückgelassen hatte. Früher oder später würde ich wieder rausgehen müssen. Entweder verhungern oder plündern. Tag oder Nacht – es war egal, wann ich ging. Die Gefahr wäre dieselbe. Heute Nacht war es Alan gewesen. Beim nächsten Mal konnte es mich treffen. Doch darüber wollte ich im Moment nicht nachdenken.
Nackt und durch die Spätsommerhitze völlig verschwitzt schmiss ich mich auf mein feuchtes, dreckiges Laken. Das Kopfkissen stank, sogar gegenüber dem Mief, der von außen ins Haus drang. Das Kissen roch wie ich – nach Schmutz und Schweiß, Hoffnungslosigkeit und Verzweiflung. Ich hatte keine Möglichkeit, Wäsche zu waschen, und das Wasser war zu kostbar, um es dafür zu verwenden. Also lag ich da und wälzte mich herum. Im Dunkeln konnte ich nicht lesen, und es schien mir zu riskant, die Taschenlampe zu benutzen. Es gab sowieso nichts Richtiges zu lesen, selbst wenn ich bereit gewesen wäre, Licht zu machen. Nur einen Stapel überfälliger Rechnungen und Kündigungen und ein paar veraltete Zeitschriften, von denen es keine weiteren Ausgaben mehr geben würde. Es ist schon erstaunlich, wie bedeutungslos und trivial die Leitartikel in Time Magazine oder Newsweek werden, Geschichten, die einmal so wichtig waren. Entrückt, wie längst Vergangenes. Ich besaß einen iPod, dessen Batterie noch funktionierte, aber ich konnte keine Musik hören, wenn niemand Wache hielt. (Alan und ich hatten in Schichten geschlafen, auch tagsüber. So war sichergestellt, dass immer einer von uns wach war und aufpasste.) Ich konnte nicht lesen, konnte nicht Musik hören und wollte nicht nachdenken. Hinzu kamen die drückenden Augusttemperaturen und die Angst und Unsicherheit, die ich fühlte. Ich war am Arsch. Ich glaubte nicht, dass ich würde schlafen können, aber schließlich tat ich es doch. Tief und fest.
Ich erinnere mich nicht an meine Träume. Nicht in dieser Nacht und auch in keiner anderen. Ich konnte mich noch nie an meine Träume erinnern. Früher war ich immer irgendwie eifersüchtig geworden, wenn andere Leute mir von ihren Träumen erzählten. Der langweiligste Schwachsinn der Welt, aber trotzdem haben sie mich immer fasziniert. Ich fragte mich, ob meine auch so waren. Selbst ihre Albträume fesselten mich. Jetzt musste ich dafür nur nach draußen schauen. In East Baltimore wimmelte es vor Albträumen, und genug davon konnte ich mein Eigen nennen. Stinkende, verwesende Leichen liefen in den Straßen Amok, verloren Körperflüssigkeiten und Gliedmaßen. Die Rinnsteine waren voller Eingeweide. Bei all dem Gestank und der Gefahr grenzte es an ein Wunder, dass ich überhaupt schlief.
Ein Schrei weckte mich. Ruckartig fuhr ich hoch, riss die Augen auf und klammerte mich an das Laken. Das Geräusch war bereits verklungen, und ich fragte mich, ob es real gewesen war oder ich es mir eingebildet hatte. Vielleicht wurde ich mir endlich meiner Träume bewusst. Aus reiner Gewohnheit drehte ich mich um, um auf dem Wecker nachzusehen, wie spät es war, aber der funktionierte natürlich nicht. Da ich keine Armbanduhr hatte und auch sonst keine Möglichkeit, die Uhrzeit herauszufinden, beschloss ich, es noch einmal mit Schlafen zu versuchen.
Dann roch ich Rauch. Brennendes Holz, schmelzendes Plastik... vielleicht auch verbranntes Fleisch. Ich sah mich um. Mein Puls raste. Durch das Schlafzimmerfenster drang ein orangefarbenes Glühen. Ich hatte es sowohl von innen als auch von außen mit Brettern vernagelt, die Fensterläden und die Vorhänge zugezogen, doch an den Rändern drang ein wenig Licht durch. Wieder hallte ein Schrei durch die Nacht. Nun setzte ich mich ganz auf und stellte die nackten Füße auf den Boden. Es war jetzt noch heißer im Zimmer – heißer als zu dem Zeitpunkt, als ich eingeschlafen war. Ich lauschte nach weiteren Schreien, hörte aber stattdessen ein knisterndes Geräusch.
Rauch. Licht. Hitze. Knistern.
Feuer...
Ich sprang aus dem Bett und rannte ins Wohnzimmer. In einem der Bretter, mit denen ich mein Panoramafenster vernagelt hatte, war in der Mitte ein kleines Astloch. Es war nicht so groß, dass die Zombies reinschauen konnten, aber groß genug, dass ich den Garten und die Straße dahinter einsehen konnte. Alan und ich hatten es dazu benutzt, die Nachbarschaft auszukundschaften, um sicherzugehen, dass die Luft rein war und unsere Verteidigung halten würde. Immer noch nackt, kniete ich mich vor das Guckloch und schaute hinaus. Der Himmel stand in Flammen, leuchtete orange, rot und gelb. Die Häuser gegenüber qualmten, das ganze Viertel brannte lichterloh. Mein Haus war kein richtiges Reihenhaus, aber im Umkreis von ein paar Blocks waren sich die Häuser in Größe und Form alle sehr ähnlich – kleine, heruntergekommene Schuhkartons mit nur einem Schlafzimmer und winzigen Gärten. Sie standen eng zusammen, und die Flammen sprangen von einem Haus auf das nächste über. Die Straße war voller Rauchwolken – und Flüchtlingen, lebenden und toten, die vor dem Inferno davonliefen.
Es war schrecklich und surreal. Die Parade der Überlebenden kam zuerst. Einige waren nackt oder trugen nur Unterwäsche, andere waren im Schlafanzug, und ein paar wenige trugen Survivalkleidung: Kevlarwesten, Springerstiefel, Tarnkleidung und so was. Alle versuchten, der Flammenhölle zu entkommen. Alles in allem waren es ungefähr zwei Dutzend. Ich fragte mich, wo sie alle herkamen. Ich hatte die ganze Zeit geglaubt, Alan und ich wären die einzigen Lebenden in der näheren Umgebung, aber offenbar hatte ich falschgelegen. Es war ein seltsames Gefühl, zu wissen, dass meine Nachbarn, während ich mich in meinem Haus eingeschlossen hatte, dasselbe getan hatten, sich in Kellern und auf Dachböden versteckt und darauf gewartet hatten, was als Nächstes passieren würde, ständig kämpfend, um einen weiteren Tag zu überleben. Ich hatte mich einsam und elend gefühlt, und währenddessen hatten diese Leute wahrscheinlich genauso empfunden.
Die meisten von ihnen waren zu Fuß unterwegs, einige ohne Schuhe. Sie rannten die Straße entlang, ohne zurückzusehen. Die Survivaltypen hatten Sturmgewehre bei sich. Ich war nicht sicher, was für welche, aber es war die Art, die man immer in Filmen sieht. Andere umklammerten Waffen oder Habseligkeiten, doch die meisten Menschen der flüchtenden Menge hatten nichts bei sich. Ein schwarzer Lexus wand sich hupend zwischen ihnen hindurch, der Fahrer versuchte verzweifelt, an ihnen vorbeizukommen. Ein Mann, der angezogen war, als wollte er auf die Jagd gehen, wirbelte herum und schoss dreimal auf die Windschutzscheibe. Schreiend liefen die Menschen um ihn herum auseinander. Gelassen ging der Mann auf das Auto zu, öffnete die Tür, warf den Fahrer auf die Straße und schob sich hinter das Lenkrad. Ein anderer Mann raste auf einem Motorrad vorbei, das er geschickt zwischen den Menschen hindurchlenkte.
Dann kamen die Toten. Sie waren überwiegend menschlich, aber es waren auch ein paar Tiere darunter. Einigen der Zombies fehlten Körperteile. Andere hatten große, hässliche Wunden, aus denen Blut und Eiter nossen – Verletzungen, die eigentlich tödlich sein sollten. Einer Leiche, die kein Hemd trug, fehlte der gesamte Unterleib. Ein paar Knorpelstränge hingen bis in den Schambereich. Die weit geöffnete Bauchhöhle war leer – keine Organe, nur rosa Fleisch und Knochen. Ich fragte mich, ob sie immer noch nach lebendem Fleisch gierte, und falls es so war, was passierte, wenn sie gefressen hatte. Wie konnte sie irgendetwas verdauen, wenn sie keinen verdammten Magen mehr hatte? Wie konnten sie Nahrung verarbeiten, wenn sie tot waren? Und warum fraßen sie sich nicht gegenseitig, statt an den Lebenden herumzukauen?
Ein nackter toter Mann trat aus einer Gasse und ging durch meinen Garten. Er war mit Dreck und Blut bedeckt, und seine Haut war bläulich, wie ein Bluterguss. Irgendwas anderes an ihm war...