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Sündige Rache - Roman

J.D. Robb

 

Verlag Blanvalet, 2010

ISBN 9783641040406 , 576 Seiten

Format ePUB

Kopierschutz Wasserzeichen

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9,99 EUR


 

1


Sie stand im Purgatorium und betrachtete den Tod. Das vergossene Blut, die hervorquellenden Gedärme, die ein Zeichen waren für die grausam wilde Schadenfreude, mit der er über einen Menschen hereingebrochen war. Mit dem Jähzorn eines Kindes, voller Hitze, blinder Leidenschaft und gleichgültiger Brutalität.

Mord war kaum jemals ein sauberes Geschäft. Egal, ob der Täter planvoll vorgegangen war oder wild und impulsiv. Er hinterließ jedes Mal Unordnung und Dreck, den zu beseitigen die Aufgabe von anderen war.

Ihre Aufgabe war es, den Trümmerhaufen zu besteigen, die Einzelteile aufzuheben, sorgfältig zu prüfen, wie sie zueinander passten, und ein Bild des Lebens zusammenzusetzen, das gestohlen worden war. Weil sich nur auf diesem Weg ein Bild des Mörders finden ließ.

Jetzt, in den frühen Morgenstunden eines Frühlingstags im Jahr 2059, knirschte unter ihren Stiefeln ein Meer aus gesplittertem Glas. Ihre kühlen, braunen Augen nahmen die geborstenen Spiegel, die zerbrochenen Flaschen, das gesplitterte Holz, die eingeschlagenen Wandbildschirme und die verkratzten, verbogenen Trennwände zwischen den Tischen wahr. Das kostbare Leder und die teuren Stoffe, mit denen die Barhocker und die bequemen Stühle bezogen gewesen waren, hingen in bunten Fetzen auf den Boden herab.

Was einmal ein luxuriöses Striplokal gewesen war, war nur noch ein wirres Durcheinander teuren Mülls.

Was einmal ein Mensch gewesen war, lag als Opfer hinter der breiten, geschwungenen Bar in seinem eigenen Blut.

Lieutenant Eve Dallas ging neben ihm in die Hocke. Sie war Polizistin, und deswegen gehörte er jetzt ihr.

»Männlich. Schwarz. Ende dreißig. Massive Traumata an Kopf und Körper. Mehrfache Knochenbrüche.« Sie nahm ein Thermometer aus dem Untersuchungsbeutel und maß die Körpertemperatur des Toten sowie die Temperatur im Raum. »Sieht aus, als hätte ihn schon der Schädelbruch das Leben gekostet, aber das hat dem Täter offensichtlich nicht genügt.«

»Er hat regelrechtes Kleinholz aus dem armen Kerl gemacht.«

Eve quittierte diesen Einwurf ihrer Assistentin mit einem leisen Knurren. Sie schaute auf die Überreste eines gut gebauten Mannes in den besten Jahren, der einen guten Meter fünfundachtzig groß, um die hundert Kilo schwer und anscheinend ziemlich durchtrainiert gewesen war.

»Was sehen Sie, Peabody?«

Automatisch wechselte der Officer das Standbein, blickte nachdenklich auf das Tohuwabohu und erklärte: »Das Opfer … nun, es hat den Anschein, als wäre das Opfer von hinten angegriffen worden. Wenn er nicht bereits beim ersten Schlag umgefallen ist, war er zumindest betäubt. Dann hat der Killer weiter auf ihn eingedroschen, unkontrolliert. Dem verspritzten Blut und der Hirnmasse zufolge wurde er zunächst mit Schlägen auf den Kopf traktiert. Dann, während er vermutlich ohnmächtig am Boden lag, weiter malträtiert. Ein paar von den Verletzungen wurden ihm auf jeden Fall nach Eintreten des Todes zugefügt. Wahrscheinlich ist der Metallschläger, der auf dem Boden liegt, die Mordwaffe gewesen. Der Täter muss sehr stark gewesen sein und stand möglicherweise unter Drogen. Leute, die zum Beispiel Zeus genommen haben, neigen zu Gewaltexzessen, wie hier anscheinend einer stattgefunden hat.«

»Ungefährer Todeszeitpunkt war vier Uhr«, erklärte Eve, wandte den Kopf und musterte ihre Assistentin.

Wie üblich war Peabodys Uniform frisch gestärkt und ordentlich gebügelt, und ihre Kopfbedeckung saß genau im rechten Winkel auf ihrem dunklen Haar. Sie hat gute Augen, dachte Eve, und obwohl sie angesichts der Szene, die sich ihnen nach Betreten des Lokals geboten hatte, etwas bleich geworden war, hielt sie tapfer durch.

»Motiv?«

»Sieht wie ein Raubmord aus.«

»Warum?«

»Die Kasse wurde aufgebrochen, und es ist nichts mehr drin.«

»Mmm-hmm. Wahrscheinlich wird an einem schicken Ort wie diesem überwiegend mit Kreditkarte bezahlt, aber ein bisschen Bargeld war bestimmt im Haus.«

»Zeus-Süchtige begehen schon für ein paar Münzen einen Mord.«

»Das ist natürlich richtig. Aber was hat unser Opfer in einem Privatclub allein mit einem Süchtigen gemacht? Weshalb hätte er jemanden, der auf Zeus ist, hinter die Theke lassen sollen? Und …« Sie hob mit ihren versiegelten Fingern eine kleine Silbermünze auf, die in der Blutlache neben dem Toten schwamm, »weshalb hätte ein Süchtiger das hier liegen lassen sollen? Rund um das Opfer sind eine ganze Reihe Münzen auf dem Fußboden verstreut.«

»Vielleicht hat er sie fallen gelassen.« Gleichzeitig jedoch kam Peabody auf den Gedanken, dass sie irgendetwas übersah.

»Vielleicht.«

Nacheinander hob Eve dreißig Münzen von der Erde auf, gab sie in eine Tüte und drückte diese ihrer Assistentin in die Hand. Dann griff sie nach dem Schläger. Blut und Hirnmasse besudelten das zirka sechzig Zentimeter lange, solide gearbeitete Stück.

Dies war kein Spielzeug, dachte sie. Dies war als Waffe gedacht.

»Das Ding ist aus gutem, solide verarbeitetem Metall. So etwas liegt garantiert nicht irgendwo herum, wo ein Süchtiger es findet. Wahrscheinlich hat es ständig hier gelegen, und zwar hinter der Bar. Das hat der Täter offenbar gewusst. Wahrscheinlich hat unser Opfer seinen Mörder gekannt. Eventuell haben sie noch etwas zusammen getrunken, nachdem der Laden bereits offiziell geschlossen war.«

Sie kniff die Augen zusammen und stellte sich die Szene vor. »Vielleicht haben sie Streit miteinander bekommen, und dieser Streit ist eskaliert. Vielleicht aber war unser Killer auch schon wütend, als er hier erschien. Er wusste, wo der Schläger lag. Kam hinter die Bar. Das hatte er auch vorher schon ab und zu gemacht, weshalb sich unser Freund hier nichts Schlimmes dabei denkt. Er ist völlig sorglos, er kehrt seinem Mörder den Rücken zu …«

Sie nahm selbst die Position ein, die das Opfer seiner Lage und den Blutspritzern zufolge innegehabt zu haben schien. »Beim ersten Schlag kracht er mit dem Gesicht gegen den Spiegel an der Wand. Sehen Sie sich die Schnittwunden in seiner Stirn und seinen Wangen an. Sie stammen eindeutig nicht von umherfliegenden Splittern. Dafür sind sie viel zu lang und viel zu tief. Er schafft es, sich noch mal umzudrehen, und deshalb trifft der Killer ihn beim zweiten Mal von vorn. Die Wucht des Schlags schleudert ihn wieder herum, er klammert sich an die Regale, reißt sie mit sich herunter, und die Flaschen krachen auf den Boden. In diesem Moment trifft ihn der dritte Schlag, der seinen Schädel platzen lässt wie die Schale von einem Ei.«

Sie ging abermals in die Hocke, setzte sich auf die Fersen und fuhr mit ihren Überlegungen fort. »Danach drischt der Killer wie ein Wahnsinniger weiter auf ihn ein und verwüstet anschließend das Lokal. Entweder aus Wut oder weil er Spuren verwischen will. Aber er war selbstbeherrscht genug, um dann noch mal hierher zurückzukommen, sein Werk zu betrachten und den Schläger dort fallen zu lassen, wo alles begonnen hat.«

»Er wollte, dass es aussah wie ein Raub? Er wollte, dass wir denken, dass irgendein Junkie im Vollrausch auf das Opfer eingedroschen hat?«

»Nur kann es, falls unser Opfer kein totaler Idiot gewesen ist, unmöglich so gewesen sein. Haben Sie die Leiche und den Tatort schon gefilmt?«

»Ja, Madam.«

»Dann drehen wir den Toten jetzt mal um.«

Als Eve den Leichnam wendete, klirrten die gebrochenen Knochen wie zerbrochenes Geschirr. »O verdammt. Gott verdammt.«

Sie zog einen verschmierten Dienstausweis aus der Pfütze halb trockenen Bluts, wischte ihn mit ihrem Daumen ab und erklärte tonlos: »Er war einer von uns.«

»Er war Polizist?« Peabody trat einen Schritt nach vorn, und plötzlich senkte sich vollkommene Stille über den zuvor mit leisem Murmeln angefüllten Raum. Die Leute von der Spurensicherung, die den Bereich hinter der Theke untersuchten, hielten in der Arbeit inne.

Ein halbes Dutzend Gesichter wandte sich den beiden Frauen zu.

»Detective Taj Kohli.« Grimmig stand Eve auf und wiederholte: »Er war einer von uns.«

Peabody ging durch den verwüsteten Raum zu Eve, die zusah, wie der Leichnam von Detective Kohli für den Transport ins Leichenschauhaus in einen schwarzen Beutel umgebettet wurde. »Ich habe ein paar erste Informationen eingeholt, Dallas. Er war auf dem hundertachtundzwanzigsten Revier und dort bei der Drogenfahndung eingesetzt. War seit acht Jahren dabei. Kam vom Militär. Siebenunddreißig Jahre. Verheiratet. Zwei Kinder.«

»Irgendwelche Auffälligkeiten in Zusammenhang mit seiner Arbeit?«

»Nein, Madam. Seine Akte ist völlig sauber.«

»Lassen Sie uns rausfinden, ob er undercover hier war oder ob dies nur ein normaler Nebenjob für ihn gewesen ist. Elliott? Ich will die Disketten aus sämtlichen Überwachungskameras.«

»Es gibt keine«, erklärte der Mann von der Spurensicherung ihr aufgebracht. »Sie sind alle weg. Es gibt jede Menge Kameras in diesem Haus, aber dieser Hurensohn hat keine übersehen. Wir haben also nicht das Geringste in der Hand.«

»Hat seine Spuren gut verwischt.« Eve stemmte die Hände in die Hüften und drehte sich einmal um sich selbst. Das Lokal erstreckte sich über drei Etagen. Ganz unten gab es eine Bühne, und die größere der beiden Tanzflächen in den beiden oberen Geschossen wurde von einer Reihe von Separees gesäumt. Für eine vollständige Überwachung würden also mindestens ein Dutzend Kameras gebraucht.

»Er hat das Lokal gekannt«, schloss sie aus der Information, dass keine dieser Kameras von dem Täter übersehen worden war. »Oder er ist ein Sicherheitsexperte. Tarnung«,...