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Ein feuriger Verehrer - Roman

J.D. Robb

 

Verlag Blanvalet, 2010

ISBN 9783641040444 , 560 Seiten

Format ePUB

Kopierschutz Wasserzeichen

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9,99 EUR


 

1


In dieser besonderen Nacht starb unbemerkt ein Bettler unter einer Bank im Greenpeace Park. Einem Geschichtsprofessor wurde wegen der Kreditchips im Wert von zwölf Dollar, die er in der Tasche hatte, einen Meter vor seiner Haustür die Kehle durchgeschnitten. Eine Frau stieß einen letzten erstickten Schrei aus, ehe sie unter den trommelnden Fäusten ihres Liebhabers endgültig in sich zusammensank.

Und, als wäre das nicht genug, streckte der Tod seinen knochigen Finger noch einmal aus und stach ihn heiter einem gewissen J. Clarence Branson, dem fünfzigjährigen Mitinhaber der Branson-Werkzeug-und-Spielwaren-GmbH, mitten zwischen die Augen.

Er war ein wohlhabender Mann gewesen, ledig und erfolgreich, der als Miteigentümer eines großen interplanetarisch tätigen Unternehmens mit gutem Grund vergnügt durchs Leben gegangen war. Gemeinsam mit seinem älteren Bruder hatte er bereits in der dritten Generation die Welt und ihre Satelliten mit Branson'schem Handwerkszeug und elektronischen Spielsachen versorgt und dank der erzielten Gewinne im großen Stil gelebt.

Und so war er auch gestorben.

J. Clarences Geliebte hatte ihn mit einer seiner eigenen tragbaren Kombi-Schraub- und Bohrmaschinen an die Wand gedübelt, die Tat der Polizei gemeldet und hatte, ein Glas teuren Rotwein in den Händen, bewegungslos im Sessel sitzend abgewartet, bis die Besatzung eines Streifenwagens am Ort des Geschehens eingetroffen war.

Auch während Lieutenant Eve Dallas die Leiche untersuchte, saß sie gelassen in dem hochlehnigen Sessel vor einem künstlichen Kaminfeuer und nippte an ihrem Getränk.

»Er ist mausetot«, informierte sie Eve kühl. Ihr Name war Lisbeth Cooke, und sie war in der PR-Abteilung des Unternehmens ihres verstorbenen Geliebten angestellt. Sie war vierzig Jahre alt, elegant und attraktiv und eindeutig gut in ihrem Job. »Der Branson 8000 ist ein hervorragendes Produkt – das kombinierte Gerät wurde so entworfen, dass es sowohl den Ansprüchen des Profis als auch denen des Hobbyhandwerkers genügt. Es bohrt und versenkt die Schrauben gleichzeitig, ist sehr leistungsstark und äußerst akkurat.«

»Aha.« Eve spähte in das Gesicht des Opfers. Es wirkte gepflegt und attraktiv, wenn auch ein verletzter, traurig überraschter Ausdruck darin eingemeißelt war. Blut tränkte die Brust seines blauen Samthausmantels und bildete eine rot schimmernde Pfütze auf dem Boden. »Auf alle Fälle hat die Maschine ihre Stärke eindeutig bewiesen. Klären Sie Ms Cooke über ihre Rechte auf, Peabody.«

Während ihre Assistentin ihrer Anordnung Folge leistete, sprach Eve den Todeszeitpunkt und die Todesursache auf Band. Trotz des freiwilligen Geständnisses der Täterin wurde die Waffe routinemäßig als Beweisstück einbehalten, die Leiche untersucht und der Tatort vorschriftsmäßig gesichert.

Eve bedeutete den Leuten von der Spurensicherung, dass sie sich an die Arbeit machen könnten, überquerte den dunkelroten Teppich und nahm Lisbeth gegenüber vor dem anheimelnden Feuer Platz. Statt sofort etwas zu fragen, wartete sie auf die Reaktion der modisch gekleideten brünetten Frau, deren gelber Seidenoverall mit beinahe fröhlich leuchtend roten Blutflecken besprenkelt war.

Außer eines höflich fragenden Blickes jedoch sagte sie keinen Ton.

»Tja … Wollen Sie mir vielleicht erzählen, wie es dazu kam?«

»Er hat mich betrogen«, erklärte Lisbeth tonlos. »Und dafür habe ich ihn getötet.«

Eve blickte in die grauen Augen ihres Gegenübers und nahm darin Verärgerung, nicht aber Schock oder Gewissensbisse wahr. »Haben Sie gestritten?«

»Wir haben noch kurz miteinander geredet.« Lisbeth hob ihr Weinglas an ihren dunkelrot geschminkten Mund. »Das heißt, vor allem habe ich geredet. J.C. war ein schwacher Mensch.« Sie zuckte mit den Schultern, und die Seide ihres Anzugs raschelte dabei leise. »Das habe ich nicht nur akzeptiert, sondern fand es in gewisser Weise sogar rührend. Aber wir hatten eine Übereinkunft. Ich habe ihm drei Jahre meines Lebens geschenkt.«

Jetzt beugte sie sich mit zornblitzenden Augen vor. »Drei Jahre, in denen ich andere Interessen, andere Arrangements, andere Beziehungen hätte verfolgen können. Aber ich war treu. Er hingegen nicht.«

Sie atmete tief ein, lehnte sich wieder zurück und hätte fast gelächelt. »Und jetzt ist er tot.«

»Ja, so viel ist klar.« Eve hörte grauenhafte Saug-und Klatschgeräusche, mit denen ihre Leute den langen Stahlbohrer von Fleisch und Knochen lösten. »Ms Cooke, haben Sie den Bohrer in der Absicht mitgebracht, ihn als Waffe zu verwenden?«

»Nein, er gehörte J.C. Er hat sich ab und zu als Heimwerker versucht. Anscheinend auch heute«, überlegte sie mit einem beiläufigen Blick in Richtung des Leichnams, der von den Leuten der Spurensicherung wie in einem abstrusen Ballett von der Wand genommen wurde. »Ich sah ihn auf dem Tisch liegen und dachte, tja, das ist geradezu perfekt. Also habe ich ihn in die Hand genommen, eingeschaltet und benutzt.«

Leichter konnte die Frau es ihr nicht mehr machen, dachte Eve und stand wieder auf. »Ms Cooke, meine Beamten werden Sie mit auf die Wache nehmen. Dort reden wir dann weiter.«

Gehorsam trank Lisbeth den Rest ihres Weins, stellte das Glas zur Seite und erklärte: »Ich hole nur schnell meinen Mantel.«

Peabody schüttelte den Kopf, als Lisbeth einen knöchellangen schwarzen Nerzmantel über den blutbespritzten Seidenanzug warf und so nonchalant, als ginge sie nicht ins Gefängnis, sondern auf einen eleganten Ball, zwischen zwei Beamten das Apartment verließ.

»Mann, was es alles gibt. Erst nagelt sie den Typen an die Wand, und danach serviert sie uns den Fall auf dem Silbertablett, indem sie uns von sich aus alles genau erzählt.«

Eve schlüpfte in ihre Lederjacke, steckte ihren Untersuchungsbeutel in die Tasche und befreite ihre Hände mit einem Lösungsmittel von dem Blut und der Versiegelungsflüssigkeit. Die Spurensicherung würde erst noch ihre Arbeit beenden und den Tatort sichern, wenn sie das Haus verließ. »Trotzdem kriegen wir sie nie im Leben wegen Mordes dran. Natürlich war es Mord. Aber ich gehe jede Wette ein, dass sie innerhalb der nächsten achtundvierzig Stunden auf Totschlag oder etwas noch Banaleres plädieren wird.«

»Totschlag?«, fragte Peabody entgeistert, als sie hinter ihrer Vorgesetzten den gefliesten Fahrstuhl betrat. »Also bitte, Dallas. Damit kommt sie nie im Leben durch.«

»Und ob.« Eve blickte in Peabodys dunkle, ernste Augen, studierte ihr von dem adretten Rundschnitt und der Uniformmütze gerahmtes kantiges Gesicht, und es tat ihr beinahe Leid, dass sie ihrer Untergebenen den unverrückbaren Glauben an die Unfehlbarkeit des Rechtssystems zu nehmen gezwungen war. »Wenn bewiesen werden kann, dass der Bohrer tatsächlich dem Opfer selbst gehört hat, hat sie keine Waffe mitgebracht. Weshalb also nicht von einem Tötungsvorsatz ausgegangen werden kann. Jetzt wird sie noch von Stolz und Wut beherrscht, aber spätestens, wenn sie ein paar Stunden in einer Zelle gesessen hat, wird sich ihr Überlebensinstinkt melden, und sie wird nach einem Anwalt rufen, der, da sie clever ist, ebenfalls clever sein wird.«

»Ja, aber sie hatte eindeutig die Absicht, ihn zu töten. Das haben wir auf Band.«

Weshalb es dem Gesetzestext zufolge zweifelsohne Mord gewesen war. Doch so sehr Eve an die Gesetze glaubte, wusste sie, dass ihre Auslegung oft großen Freiraum bot. »Das braucht sie auch nicht zurückzunehmen. Es genügt bereits, wenn sie die Sache ein wenig ausschmückt. Wenn sie zum Beispiel behauptet, sie hätten gestritten, und sie wäre am Boden zerstört gewesen oder schlichtweg erregt. Möglicherweise erklärt sie ja sogar, er hätte sie bedroht und in einem Moment der Leidenschaft – oder der Angst – hätte sie sich den Bohrer vom Tisch geschnappt.«

Eve trat aus dem Fahrstuhl und durchquerte das mit rosafarbenen Marmorsäulen und seidig schimmernden, künstlichen Bäumen kostbar geschmückte, großzügige Foyer. »Vorübergehende Unzurechnungsfähigkeit«, fuhr sie fort. »Vielleicht sogar Notwehr, obwohl das totaler Schwachsinn ist. Aber Branson war circa einen Meter fünfundachtzig groß und hat locker neunzig Kilo gewogen, während sie selbst knapp einen Meter sechzig misst und kaum mehr als fünfzig Kilo wiegt. Es könnte also funktionieren. Dann ruft sie unter Schock sofort die Polizei. Sie versucht weder davonzulaufen noch die Tat zu leugnen. Sie nimmt die Verantwortung auf sich, was ihr bei den Geschworenen sicher ein paar Punkte einbringt. Das weiß der Staatsanwalt ebenso, weshalb er von vornherein auf Totschlag statt auf Mord plädieren wird.«

»Wie ätzend.«

»Sie wird dafür hinter Gitter kommen«, meinte Eve, als sie hinaus in die Kälte traten, die genauso bitter war wie die betrogene Geliebte, die von ihnen festgenommen worden war. »Sie wird ihren Job verlieren und jede Menge für ihren Anwalt zahlen müssen. Man muss eben nehmen, was man kriegen kann.«

Peabody blickte zu dem vor der Tür stehenden Leichenwagen. »Dabei ist der Fall hier sonnenklar.«

»Es ist oft so, dass gerade die vorgeblich simplen Fälle am kniffeligsten sind.« Mit einem schmalen...