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Spiel mit dem Mörder - Roman

J.D. Robb

 

Verlag Blanvalet, 2010

ISBN 9783641040390 , 608 Seiten

Format ePUB

Kopierschutz Wasserzeichen

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9,99 EUR

  • Im Tod vereint - Roman
    Der Kuss des Killers - Roman
    Der Tod ist mein - Roman
    Ein feuriger Verehrer - Roman
    Mord ist ihre Leidenschaft - Roman
    Der Liebesschwur - Roman
    Sündige Rache - Roman
    Eine unzüchtige Lady - Roman
 

 

1


Für Mord gab es immer ein Publikum.

Die Menschen zeigten Entsetzen oder Schadenfreude, Sarkasmus oder stille Trauer, stets aber waren sie von diesem ultimativen Verbrechen derart fasziniert, dass es sowohl in der Realität als auch in der Fiktion regelmäßig ein ergiebiges Thema war.

Über die Jahrhunderte hinweg hatte man mit Mord die Theater zuverlässig bis an den Rand gefüllt. Schon im alten Rom hatte das Kolosseum dadurch wahre Menschenmassen angelockt, dass man Gladiatoren hatte einander in blutige Stücke hacken lassen, oder dass man den Leuten die Langeweile mit einer Matinee vertrieb, in der man unglückliche Christen, um das grölende Publikum zu unterhalten, gegen hungrige Löwen antreten ließ.

Da der Ausgang dieser ungleichen Kämpfe ziemlich sicher abzusehen gewesen war, hatten die Zuschauer das Amphitheater eindeutig nicht deshalb bis auf den letzten Platz gefüllt, um zu sehen, ob vielleicht zur Abwechslung doch einmal ein Christ gewann. Sie hatten das zu erwartende Ergebnis und all das damit einhergehende Blutvergießen eindeutig gewollt.

Anschließend waren die Leute heimgegangen und hatten sich nicht nur darüber freuen können, dass man sie bestens unterhalten hatte, sondern auch, dass ihnen selbst nicht das geringste Leid geschehen war. Durch die Ermordung eines anderen Menschen wurden die eigenen Probleme, die man eventuell hatte, angenehm relativiert.

Die Natur des Menschen und sein unstillbares Verlangen nach dieser Form der Unterhaltung hatte sich in den letzten zwei Jahrtausenden nicht wesentlich verändert. Selbst wenn man kurz vor Winterende 2059 nicht mehr Christen gegen Löwen kämpfen ließ, verkaufte Mord sich nach wie vor sehr gut.

Wenn auch auf eine deutlich zivilisiertere Art.

Familien, junge Paare, Schöngeister und Landeier, sie alle standen an den Ticketschaltern Schlange und gaben bereitwillig ihr schwer verdientes Geld aus, damit man sie mit dem Gedanken an Mord und Totschlag unterhielt.

Die Ahndung wirklicher Verbrechen, vorzugsweise Mord, war Lieutenant Eve Dallas' Geschäft. Heute Abend aber saß sie auf einem bequemen Stuhl in einem bis auf den letzten Platz besetzten Haus und verfolgte interessiert, wie man auf der Bühne das schmutzige Geschäft des Mords betrieb.

»Er war es.«

»Hm?« Roarke fand die Reaktion seiner Gattin auf das Schauspiel mindestens genauso interessant wie das Stück selbst. Sie hatte sich auf ihrem Stuhl nach vorn gebeugt, ihre Arme auf dem schimmernden Geländer der Privatloge gekreuzt und verfolgte, nachdem der Vorhang zu Beginn der Pause heruntergelassen worden war, mit hellwachen, leuchtend braunen Augen, was dort unten geschah.

»Dieser Vole. Er hat die Frau getötet. Er hat ihr des Geldes wegen den Schädel eingeschlagen. Stimmt's?«

Roarke schenkte ihnen beiden eisgekühlten Champagner ein. Er war sich nicht sicher gewesen, ob es ihr gelingen würde, einen Abend lang Mord als etwas Unterhaltsames zu sehen, und es freute ihn zu sehen, dass sie wie gebannt verfolgte, was auf der Bühne geschah. »Möglich.«

»Du brauchst gar nichts zu verraten. Ich weiß es sowieso.« Eve ergriff das Glas, das er ihr reichte, und betrachtete versonnen sein Gesicht.

Ein unbestreitbar umwerfend attraktives Gesicht. Es wirkte wie von Zauberhand gemeißelt, und die überwältigende maskuline Schönheit seiner Züge rief garantiert im Innern jeder Frau sofortige Sehnsucht wach. Eine dichte, dunkle Mähne rahmte seinen elegant geformten Schädel; und als er sie ansah, spielte der Hauch eines Lächelns um seinen festen, vollen Mund. Er streckte eine Hand aus und strich liebevoll mit seinen langen, schlanken Fingern über eine Strähne ihres Haars.

Bei einem Blick in seine Augen, seine leuchtend, ja beinahe lodernd blauen Augen, stolperte wie zu Anfang auch heute noch ihr Herzschlag.

Es war peinlich, dass sie sich von diesem Mann lediglich durch seinen Blick derart aus der Fassung bringen ließ.

»Was starrst du mich so an?«

»Es macht mir einfach Spaß, dich anzusehen.« Auch mit dieser schlichten Feststellung, gesprochen mit dem ihm eigenen, leichten, melodischen, irischen Akzent, brachte er sie völlig aus dem Konzept.

»Ach, ja?« Sie legte ihren Kopf ein wenig schräg. Es war wunderbar entspannend, den ganzen Abend lang nichts anderes zu tun, als das Zusammensein mit ihrem Gatten zu genießen, dachte sie, als er mit seinen Lippen über ihre Knöchel strich, und fragte leise: »Willst du etwa irgendwelche Spielchen mit mir spielen?«

Ohne sie aus den Augen zu lassen, stellte er sein Glas ab und strich mit den Fingerspitzen an ihrem langen Bein hinauf in Richtung ihrer Hüfte, wo der Schlitz in ihrem engen Rock zusammenlief.

»Du bist ja pervers. Vergiss es.«

»Du hast darum gebeten.«

»Du hast nicht das geringste Schamgefühl.« Lachend drückte sie ihm sein Champagnerglas wieder in die Hand. »Mindestens die Hälfte der Leute, die in deinem schicken Theater sitzen, glotzen uns momentan durch ihre Operngläser an. Sie alle wollen den berühmten Roarke einmal mit eigenen Augen sehen.«

»Sie gucken nicht auf mich, sondern auf diese wunderschöne Frau vom Morddezernat, die mich eingefangen hat.«

Als sie wie erwartet schnaubte, beugte er sich vor, biss leicht in ihre weiche Unterlippe und bekam dafür zu hören: »Wir sollten vielleicht Eintrittskarten verkaufen, wenn du so weitermachst.«

»Wir sind praktisch noch immer frisch verheiratet. Und es ist durchaus akzeptabel, wenn sich ein frisch verheiratetes Paar in der Öffentlichkeit küsst.«

»Als ob dich interessieren würde, ob etwas akzeptabel ist.« Sie legte eine Hand auf seine Brust und schob ihn ein Stückchen von sich fort. »Du hast also heute Abend ein volles Haus. Allerdings hatte ich kaum was anderes erwartet.« Sie ließ ihren Blick erneut über die Zuschauerränge wandern und musste unumwunden zugeben, dass sie - obwohl sie keine Ahnung von Architektur oder Innendekoration hatte - gebannt war von dem eleganten Ambiente. Wahrscheinlich hatte Roarke wieder einmal nur die allerbesten Leute engagiert, damit der alte Bau die Pracht von einst zurückgewann.

Während der Pause schlenderten die Menschen durch das riesige, mehrgeschossige Theater und füllten das Gebäude mit ihren aufgeregten und fröhlichen Stimmen. Einige Besucher hatten sich - um einen zu einem Kriminalstück passenden Ausdruck zu verwenden - echt todschick gemacht, andere liefen lässig in Airboots und altmodischen, überdimensionalen kugelsicheren Westen herum, wie man sie in diesem Winter allerorten sah.

Mit seinen hohen, handbemalten Wänden, den kilometerlangen roten Teppichen und den vergoldeten Bögen hatte man das Theater entsprechend Roarkes anspruchsvollen Vorgaben restauriert. Alles, was ihm gehörte, wurde entsprechend seinen Vorstellungen gestaltet - und, ging es Eve flüchtig durch den Kopf, ihm gehörte so gut wie alles, was im bekannten Universum zu besitzen war.

Daran hatte sie sich noch immer nicht gewöhnt, und sie hegte ernste Zweifel, ob es ihr jemals tatsächlich gefallen würde. Doch gehörte dieser Reichtum einfach zu Roarke dazu, und sie hatte versprochen, im Guten wie im Bösen seine Partnerin zu sein.

In dem Jahr seit ihrem Kennenlernen hatten sie von beidem mehr als genug erlebt.

»Ein wirklich tolles Haus. Die Holographie-Modelle haben bei weitem keinen derartigen Eindruck auf mich gemacht.«

»Modelle zeigen nur die Struktur und gewisse Elemente, die man für die Schaffung einer bestimmten Einrichtung braucht. Ein Theater benötigt zusätzlich Menschen, ihren Geruch und ihre Geräusche, damit es voll zur Wirkung kommt.«

»Das glaube ich dir gern. Weshalb hast du ausgerechnet dieses Stück für die Eröffnung ausgesucht?«

»Es ist eine faszinierende Geschichte, und, wie die meisten wirklich guten Geschichten, hat sie ein Thema, das völlig zeitlos ist. Liebe, Verrat und Mord, all das in einem vielschichtigen, undurchsichtigen Paket. Und die Besetzung ist fantastisch.«

»Schließlich hast du die Akteure auch persönlich ausgesucht. Trotzdem hat Leonard Vole den Mord begangen.« Sie blinzelte zu dem sanft schimmernden, rot-goldenen Vorhang, als könnte sie den Tathergang deutlich dahinter sehen. »Seine Frau ist supercool. Ich bin sicher, dass sie noch irgendetwas vorhat. Der Anwalt ist ebenfalls nicht schlecht.«

»Verteidiger«, verbesserte ihr Mann. »Das Stück spielt Mitte des zwanzigsten Jahrhunderts in London. Dort haben die Angeklagten in Strafverhandlungen speziell ausgebildete Verteidiger gehabt.«

»Wie auch immer. Die Kostüme sind echt klasse.«

»Und vor allem authentisch. So liefen die Leute in den fünfziger Jahren des letzten Jahrhunderts wirklich rum. Als Zeugin der Anklage verfilmt wurde, war es ein Riesenhit. Auch damals hatten sie phänomenale Schauspieler engagiert.« Roarke hatte eine Vorliebe für die alten Schwarz-Weiß-Streifen des frühen und mittleren zwanzigsten Jahrhunderts, und natürlich hatte er diesen Film daheim auf DVD.

Manche Menschen...