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Zwänge bei Kindern und Jugendlichen

Christoph Wewetzer

 

Verlag Hogrefe Verlag GmbH & Co. KG, 2004

ISBN 9783840917394 , 144 Seiten

Format PDF, OL

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21,99 EUR

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Christoph Wewetzer

2 Epidemiologie der juvenilen Zwangsstörung
2.1 Prävalenz und Inzidenz (S. 22-23)

Anfang der 50er Jahre wurden Zwangsstörungen (OCD) noch als sehr seltene Krankheitsbilder angesehen. So ging Rüdin (1953) von einer Prävalenz in der Bevölkerung von 0,05 % aus. Nach neueren Untersuchungen kann von einer Sechs-Monats-Prävalenzrate um 1% bis 2% (Rasmussen et al. 1992; Nestadt et al. 1994; Weissman et al. 1994) und von Lebenszeitprävalenzraten von 2,5 % (Karno et al. 1988/USA; Robins et al. 1984/ USA) bis 3% (Bland et al. 1988/Kanada, Jenike 2001) ausgegangen werden. Somit gehören Zwänge im Erwachsenenalter zu den häufigsten psychischen Störungen (Eaton et al. 1989).

Auch bei Kindern und Jugendlichen wird die Prävalenz heute höher eingeschätzt als früher. Neuere epidemiologische Studien bei Kindern und Jugendlichen, die sich auf nichtklinische Stichproben begründeten, erfassten Prävalenzraten von 0,35 % bis 3,56 % (Flament et al. 1988; Valleni-Basile et al. 1994; Zohar et al. 1992; Carter & Pollock 2000). Studien mit einer selektiven Stichprobe von älteren Jugendlichen kamen auf Prävalenzraten von 2,1 % (Reinherz et al. 1993) und 2,5% (Douglass et al. 1995). Alle genannten Studien wurden auf der Basis der DSM-III- oder DSM-III-R-Kriterien durchgeführt. In einer klinischen Stichprobe zeigten die Studien von Hollingsworth et al. (1980) und Thomsen et al. (1991) eine Verbreitung der Zwangsstörung bei 1,2 % und 1,33 % der kinder- und jugendpsychiatrischen Patienten. Die offensichtlich höheren Prävalenzraten in neueren Studien stehen im Kontrast zu Ergebnissen früherer Studien. In einer kinder- und jugendpsychiatrischen Stichprobe fand Judd (1965) eine Prävalenzrate von 0,2 %. Die viel höhere Inanspruchnahme-Prävalenz könnte eine höhere Sensibilität und Professionalität in der Diagnostik, eine verbesserte klinische Versorgung oder aber auch eine Zunahme dieses Krankheitsbildes bedeuten.

Grundsätzlich sind epidemiologische Prävalenzuntersuchungen bei Zwangskranken schwierig, da gerade Kinder und Jugendliche, die unter einer Zwangsstörung leiden, aus Scham versuchen, ihre Zwangssymptome zu verheimlichen (Thomsen 1994). Eine neuere epidemiologische Erhebung in Großbritannien fand bei 5- bis 15-Jährigen eine gewichtete Gesamtprävalenz von 0,25 % (Heyman et al. 2001) mit einer Zunahme der Erkrankungsrate in der weiteren Adoleszenz. Die Autoren schlossen aus den vergleichsweise niedrigen Zahlen für das Kindesalter, dass die Mehrheit der kindlichen Fälle unentdeckt und damit auch unbehandelt blieb. Die erste Studie zu der Inzidenzrate aus einer nicht-klinischen Population mit einer Stichprobe von 3.283 Jugendlichen, vorgenommen von Valleni-Basile et al. (1996), konnte eine Ein-Jahres-Inzidenzrate von manifest Zwangserkrankten von 0,7 % aufzeigen und von Jugendlichen mit einer subklinischen Symptomatik von 8,4 %. Allerdings war die Untersuchungsmethodik ursprünglich darauf hin ausgerichtet, depressiv Erkrankte zu „screenen", so dass man, da die Sensitivität des Verfahrens für die Zwangsstörung nicht in vollem Ausmaß gegeben war, von Minimalzahlen ausgehen muss. Die vergleichbaren Prävalenzen bei Kindern und Jugendlichen einerseits und Erwachsenen andererseits, verweisen darauf, dass juvenile Zwangsstörungen nicht immer einen kontinuierlichen Verlauf nehmen müssen, da dies mit über das Alter ansteigenden Prävalenzraten einhergehen müsste. Anderseits geben die eher geringen Unterschiede zwischen Lifetime- und Punktprävalenzen auch Hinweise auf eine hohe Persistenz des Störungsbildes.

2.2 Erkrankungsalter

Wie dargestellt, war die Lehrmeinung lange Zeit so, dass die Zwangsstörung nur sehr selten in der Kindheit oder im Jugendalter ihren Anfang nimmt. Heute weiß man, dass ein Drittel bis weit über die Hälfte aller Erwachsenen als Kinder oder Jugendliche schon unter Zwängen gelitten haben (Karno & Golding 1988; Rasmussen & Eisen 1992; Pauls et al. 1995; Rapoport 2000). Nach Rasmussen und Tsuang (1986) ist von einer zweigipfligen Erkrankungsinzidenz auszugehen. Mit einem ersten Maximum zwischen dem 12. und 14. Lebensjahr und einem zweiten Maximum um das 20. bis 22. Lebensjahr. Darüber hinaus berichteten die Autoren von einem im Durchschnitt früheren Beginn der Krankheit bei männlichen Kindern, was in späteren Berichten von Swedo et al. (1989) und Hanna (1995) bestätigt wurde. In einer aktuellen prospektiven Untersuchung an 55 Kindern und Jugendlichen mit einer Zwangsstörung von Klampfl und Wewetzer (in Vorbereitung) lag das Alter bei Erkrankungsbeginn bei im Mittel 11,3 Jahren und der Zeitpunkt der Vorstellung in einer Klinik im Mittel bei 12,8 Jahren. Insgesamt wird das Ersterkrankungsalter in Studien an erwachsenen Patienten um das 21. Lebensjahr datiert, Geschlechtsunterschiede lassen sich kaum feststellen (Winkelmann et al. 1994).