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Kurzfilm-Drehbücher schreiben - Die ersten Schritte zum ersten Film

Axel Melzener

 

Verlag Sieben Verlag, 2011

ISBN 9783864430039 , 196 Seiten

Format PDF, ePUB, OL

Kopierschutz Wasserzeichen

Geräte

8,99 EUR


 

2. Inhaltliche Ausformung


Den richtigen Ansatz finden


„Die Illustration“

Der illustrative Kurzfilm stellt die Bebilderung eines Tondokumentes dar. Das akustische Element dient als Grundlage, auf der die Story aufbaut. Populärste Form dürfte das narrativ orientierte Musikvideo sein, das einen Song mit einer visuellen Darbietung anreichert (etwa „Wake Me Up When September Ends“ von Green Day, das einen U.S.-Soldaten im Irakkrieg und seine schwangere Frau, die zu Hause auf ihn wartet, zeigt). Hollywood-Starregisseur und Ex-Disney-Animator Tim Burton startete seine Karriere mit einem solchen Projekt: „Vincent“ (1982). Der Puppentrickfilm ist die Illustration eines an Edgar Allen Poes Werke angelehnten, augenzwinkernden Gruselgedichtes, das Burton selbst verfasste. Als Sprecher konnte Vincent Price – an den der gesamte Film eine Hommage ist – gewonnen werden. Ähnlich verfuhr Filmemacher Phil Hunt, der sich in „Ah Pook is Here“ (1994) eines Gedichtes von William S. Burroughs annahm und den Versuch wagte, Burroughs’ Poesie in Bilder zu kleiden. Als Sprecher fungierte der legendäre Dichter selbst; handwerklich umgesetzt wurde der Film, wie „Vincent“, im Stop-Motion-Verfahren.

„Ah Pook is Here“ – © Phil Hunt

 Experimentell

 Arbeiten mit Vorlage

 Häufig Animationsfilm

 Visuelle Ebene ist wichtiger als Handlung

 Ästhetisch-atmosphärisches Ordnungsprinzip

 Freies Spiel mit Raum und Zeit

 Viele Szenen

„Das Psychogramm“

Unter einem Psychogramm verstehen wir einen Film, der den inneren Zustand einer Figur veräußerlicht und uns Einblicke in das Seelen- und Gefühlsleben oder die spezifische Denkweise einer Person gewährt. Das Geschehen wird dabei entweder aus der Perspektive des Protagonisten geschildert oder – wie in einem beobachtenden Dokumentarfilm – neutral von der Kamera wiedergegeben.

Dies ist in „Bara Prata Lite“ (1997) von Lukas Moodysson der Fall; dem Psychogramm eines einsamen, arbeitslosen älteren Mannes, der auf der verzweifelten Suche nach menschlichen Kontakten zu drastischen Mitteln greift.

Eine andere Perspektive nimmt Roy Anderssons „Härlig är jorden“ (1991) ein, ein Film über Schuld und Verdrängung. Der Protagonist, ein emotional gestörter Immobilienmakler um die vierzig, ist sich der Gegenwart des Publikums dabei voll bewusst. Er wendet sich direkt an den Zuschauer und erzählt ihm in 15 Bildern sein Leben. Das Psychogramm legt wenig Wert auf Handlung, dafür viel auf facettenreiche Charaktere.

 Dokumentarischer Ansatz

 Character driven, fußt auf (nicht unbedingt sympathischen, aber) komplexen Figuren

 Meistens Spielfilm

 Plotverlauf eher nebensächlich, im Vordergrund steht das Innenleben einer Person

 Inszenatorisch-darstellerisches Ordnungsprinzip

 Genre meist Drama

 Offenes oder tragisches Ende, das Ausweglosigkeit/pessimistische Grundstimmung unterstreicht

„Der verfilmte Witz“

Jeder kennt Witze, die ungefähr so anfangen: „Ein Deutscher, ein Amerikaner und ein Franzose stehen auf dem Eiffelturm …“ – oder urbane Legenden wie die Sache mit der Spinne in der Yuccapalme, die ein Freund eines Freundes angeblich selbst erlebt hat. Derlei Konstellationen eignen sich wunderbar zur Umsetzung im Kurzfilm.

Im Mittelpunkt der Story steht immer eine einzelne, häufig absurde Situation, in der ein Konflikt auf ungewöhnliche Weise aufgelöst wird. Der Ansatz erinnert damit am ehesten an einen Sketch, wie man ihn in Comedy-Shows findet. Zwei Elemente sind von grundlegender Bedeutung für den „verfilmten Witz“: eine originelle Ausgangssituation, die sofort die Aufmerksamkeit des Zuschauers weckt, und eine gepfefferte Pointe, die den Film völlig plausibel, aber zugleich überraschend enden lässt. Diese Überraschung wird meist dadurch erzeugt, dass eine der handelnden Figuren aus dem Rahmen fällt, mit bisherigen Verhaltensmustern bricht oder schlicht und einfach eine irrwitzige, unerwartete Aktion durchführt. Damit der Witz kein oberflächlicher Spaß bleibt, enthält die Auflösung häufig eine moralische Botschaft oder die Situation wird in den Dienst eines drängenden Themas gestellt. Sowohl „Schwarzfahrer“ (1989) als auch „The Lunch Date“ (2000) sind pointenreiche Umsetzungen urbaner Legenden, die etwas über unsere Gesellschaft auszusagen haben. Es hat sich erwiesen, dass die Ausgangssituation umso stärker ist, je alltäglicher sie auf den ersten Blick wirkt – Skurrilität um der Skurrilität willen führt meist zu einem weniger glaubhaften Ergebnis.

„Der verfilmte Witz“ ist meist gemäß einer klassischen Dramaturgie aufgebaut und erfordert dadurch mehr Sorgfalt beim strukturellen Aufbau als andere hier genannte Ansätze.

 Meistens Spielfilm

 Abgerundete Figuren, durchdachte Dramaturgie

 Handlung ist wichtiger als visuelle Ebene

 Äußerer Konflikt wichtiger als innerer Konflikt

 Narratives Ordnungsprinzip

 Benötigt originelle Grundidee und grandiose Pointe

 Genre meistens Komödie

 Raum und Zeit stark verdichtet (eine oder zwei Locations, häufig Echtzeiterzählung)

 Zwei Charaktere bestimmen die Handlung

 Wenige Szenen

Pepe Danquarts „Schwarzfahrer“ – © Trans-Film

„Am Scheideweg“

Der Schriftsteller Ernest Hemingway verfasste nicht nur zahlreiche Romane, die zu Klassikern wurden, sondern war auch ein Meister der Kurzgeschichte. Sein Erfolgsrezept beim Entwurf von short stories war, Charaktere in einem Moment zu zeigen, der ihr weiteres Leben für immer verändern würde. Besonders gerne mochte Hemingway Initiationsgeschichten; vor allem Erzählungen über Jungen, die durch ein besonderes Ereignis zum Mann reifen.

Der Kurzfilmansatz des „Scheideweges“ folgt genau diesem Prinzip: Er zwingt die Hauptfigur, eine wichtige Entscheidung zu treffen und sich dadurch zu verändern. Die Story schildert einen Erkenntnisprozess, der aus einer bestimmten Situation erwächst.

Das transformative Element, die Charakterwandlung, ist konstituierender Bestandteil dieses Ansatzes: Die Figur muss nach ein paar Minuten anders aus der Geschichte hervorgehen, als sie hineingegangen ist. Eine grundlegende Wandlung in so begrenzter Zeit zu erzählen, ist nicht einfach. Florian Gallenbergers Oscar preisgekrönter Kurzfilm „Quiero Ser“ lässt sich dazu 35 Minuten Zeit. Er schildert den Überlebenskampf zweier mexikanischer Brüder, die sich als Straßensänger durchs Leben schlagen. Als der ältere, impulsivere Bruder den jüngeren, klügeren Bruder bestiehlt, beschließt Letzterer, vom Vertrauensbruch zutiefst enttäuscht, eigene Wege zu gehen – was dramatische Konsequenzen für beide Charaktere hat.

Im 5-minütigen Pixar-Kurzfilm „Presto“ weitet sich ein Konflikt um eine Mohrrübe zu einer komischen Machtprobe zwischen einem Zauberer und seinem weißen Karnickel aus, der das zukünftige Verhältnis von Requisit und Besitzer verändern wird.

 Character driven, Entwicklung einer einzelnen Figur steht im Mittelpunkt

 Innerer Konflikt ist wichtiger als äußerer Konflikt

 Gleichermaßen als Spiel- und Animationsfilm beliebt

 Narratives Ordnungsprinzip

 Genre häufig Drama oder Komödie

 Starke Geschlossenheit von Raum und Zeit (nur eine Location, Erzählung in Echtzeit)

 Höhepunkt ist die Entscheidung der Figur; das Ende deutet die Konsequenzen der Entscheidung an

 Wenige Szenen

„Das unerwartete Abenteuer“

Die größten Abenteuer beginnen oft ganz unspektakulär – aber wenn der Stein einmal ins Rollen geraten ist, können die unglaublichsten Dinge geschehen. Es ist die berühmte Geschichte vom Mann, der nur mal eben Zigaretten holen will, dabei verschwindet und sich zehn Jahre später aus Südamerika bei seiner Familie mit den Worten „Du glaubst nicht, was mir passiert ist …“ meldet.

Wichtig für einen Kurzfilm, der ein „unerwartetes Abenteuer“ erzählt, ist eine hohe Ereignisfülle; es muss „viel...