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Die Sterne lügen nicht - Eine linguistische Analyse der Textsorte Pressehoroskop. E-BOOK

Katja Furthmann

 

Verlag Vandenhoeck & Ruprecht Unipress, 2006

ISBN 9783862340293 , 546 Seiten

Format PDF, OL

Kopierschutz Wasserzeichen

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95,00 EUR


 

"Kapitel 7: Prinzipien der Formulierungsadäquatheit (S. 277-278)

Sun sign columns are perhaps one part astrology and nine parts style.
GEOFFREY DEAN, ARTHUR MATHER Sun Sign Columns: An Armchair Invitation, 1997

Das Prinzip der Pseudoindividualisierung – so wurde schon zu Beginn der Arbeit aufgezeigt – zwingt die Kommunikatoren des Horoskops dazu, Texte zu produzieren, die simultan zwei scheinbar einander ausschließende Aufgaben erfüllen und miteinander vereinbaren: An ein Massenpublikum gerichtet, sollen sie einerseits möglichst allgemein bleiben und ein möglichst breites Spektrum divergierender Situationen und Erfahrungen abdecken, andererseits jedem einzelnen Leser etwas »Persönliches« mitteilen, da dieser sich ja wesentlich von der Intimität suggerierenden Direktadressierung leiten lässt.

In der massenmedialen Kommunikationssituation ist die Vermittlung von sehr spezifischen Informationen, Voraussagen und Ratschlägen für die Textemittenten also nicht nur äußerst riskant, da sich solche Propositionen verbreitet als falsch oder nicht anwendbar herausstellen können, sondern aufgrund der Anonymität, Unbegrenztheit und Heterogenität des Publikums schlichtweg unmöglich. Erschwerend kommt hinzu, dass die einzelnen Rezipienten des Publikums unterschiedliche Erwartungshaltungen einnehmen und dem Horoskop insgesamt wie auch den einzelnen sprachlichen Handlungen und Handlungsverkettungen des Horoskops verschiedene Funktionen zuschreiben können (vgl. Kap. 5.2). Gefordert ist eine Sprache, die den Ansprüchen der Kollektivität wie der Individualität gleichermaßen gerecht werden kann.

Die Verfasser von Horoskopen müssen einen geschickt kalkulierten, geradezu kunstvollen Spagat zwischen größtmöglicher Allgemeinheit, Unspezifik und Vagheit auf der einen Seite und der notwendigen Präzision und Spezifik auf der anderen Seite vollführen, sie müssen »… soweit verschwommen sich ausdrücken, daß selbst falsche Behauptungen zu den Lebensumständen des Lesers einigermaßen stimmen und nicht gar zu leicht desavouiert werden« (ADORNO 1962: 148 f.).

Als oberstes Kommunikationsprinzip für Produzenten von Horoskopen in der Presse gilt es also, solche Formulierungen zu wählen, die »bei scheinhafter Deutlichkeit« zugleich allgemein, offen und mehrfach interpretierbar sind, so dass Obligationen weitestgehend vermieden werden und ein »interpretatives Hintertürchen« (MATTHES/SCHÜTZE, zit. nach PRESCH 1985: 133) offen bleibt.91 Nur wenn mehrere Schlüsse und Interpretationen möglich sind, sind Horoskope für ein Massenpublikum anwendbar. Pressehoroskope unterscheiden sich in dieser Hinsicht kaum von astrologischen Beratungssitzungen, für die HEEREN/MASON (1984: 202) das Dilemma zwischen Allgemeinheit und Spezifik ebenfalls konstatieren:

»While clients would prefer to have visionary utterances be as specific as possible, readers know that the less specific their statements, the less likely disconfirmation becomes.« Ein Fehlen dieser interpretativen Rückzugsmöglichkeit würde sich negativ auswirken: Da die Aussagen mit hoher Wahrscheinlichkeit falsifiziert würden, wäre auf Rezipientenseite verstärkt mit ablehnenden Reaktionen zu rechnen; Misstrauen oder gar Verärgerung des Lesepublikums können sich wiederum negativ auf die Reputation des (wenngleich meist anonymisierten) Textproduzenten und der Zeitschrift auswirken, möglicherweise sogar vom zukünftigen Kauf abhalten."