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Kanzler, Krisen, Koalitionen - Von Konrad Adenauer bis Angela Merkel

Arnulf Baring, Gregor Schöllgen

 

Verlag Pantheon, 2010

ISBN 9783641042189 , 352 Seiten

Format ePUB

Kopierschutz Wasserzeichen

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8,99 EUR


 

"Konsolidierung? (S. 204-205)

Gerhard Schröder und Angela Merkel

2002- 2006   

Kannte Gerhard Schröder sein Zeitmaß? In der Wahlnacht vom 22. auf den 23. September 2002 sah es zunächst so aus, als würde ihm der Wähler die Entscheidung abnehmen: Nach den ersten Hochrechnungen machte sich in den Parteizentralen von CDU und CSU Feierstimmung breit - zu früh, wie sich noch in der Nacht herausstellte. Und in dem Maße, in dem sich die Miene des Beinahe-Kanzlers Edmund Stoiber von einer Hochrechnung zur nächsten verdüsterte, hellte sich diejenige des Amtsinhabers auf.

In kleinem Kreis hatte er die seismischen Schwingungen des Wählerwillens verfolgt, und dann stand fest: Gerhard Schröder hatte geschafft, was kaum einer mehr für möglich gehalten hätte. Denn daß es sich bei dem hauchdünnen Erfolg der rot-grünen Koalitionäre, die zusammen gut 47 Prozent einfuhren, vor allem um einen Sieg des Kanzlers handelte, war auch in den Reihen seiner innerparteilichen Kritiker unumstritten. Kein Wunder, daß Schröder den Wahlausgang des September 2002 als seinen größten Triumph betrachtete.

Bis zur Erschöpfung hatte er gekämpft. Ob das gereicht hätte, wären ihm nicht günstige Umstände zu Hilfe gekommen, steht in den Sternen. So aber konnte sich der Kanzler seit Mitte August in den Fluten des sogenannten Jahrhunderthochwassers medienwirksam als Krisenmanager in Szene setzen und dabei vor allem in den neuen Bundesländern punkten. Die braunen Fluten der Elbe und ihrer Nebenflüsse ließen für einen Augenblick ein Gefühl der Solidarität aufkommen, das in Deutschland viele Jahre vermißt worden war. Schröder erkannte die Gunst dieser Stunde, und während die Pegelstände langsam sanken, hob er ein neues Thema in die Schlagzeilen.

Daß sein Kalkül aufging, daß er sich erneut als Steuermann in schwerer See präsentieren und dabei die Deutschen hinter sich scharen konnte, lag an der unerwarteten Hilfe, die der Kanzler von der anderen Seite des Atlantik erhielt: Denn gerade in diesen Wochen des Herbstes 2002 ließ der amerikanische Präsident George W. Bush keinen Zweifel an seiner Entschlossenheit, den irakischen Diktator Saddam Hussein aus dem Amt zu jagen - zur Not auch im Alleingang und ohne ein hinreichendes Mandat der Vereinten Nationen.

Es war nicht das vordergründige Ziel, die Beseitigung der Terrorherrschaft in Bagdad, es waren die Methoden und Attitüden, aber auch die eigentlichen Absichten der Washingtoner Administration, die diesseits des Atlantik, auch in Deutschland, nicht durchweg auf Verständnis stießen. Viele Europäer waren gegen einen Krieg, der erklärtermaßen dazu beitragen sollte, die Karten in der Weltpolitik neu zu mischen. Und so hatte der Kanzler schon Anfang August die heiße Phase des Wahlkampfes mit der Warnung vor einer »Spielerei mit Krieg und militärischer Intervention« eröffnet, um sich dann wenige Tage vor der Wahl endgültig festzulegen: »Unter meiner Führung«, erklärte Schröder am 13. September 2002 vor dem Bundestag, »wird sich Deutschland an einer militärischen Intervention nicht beteiligen.«

Daß diese Festlegung Schröder den knappen Vorsprung auf der Zielgeraden des Wahlkampfes gebracht hat, ist wahrscheinlich. Jedenfalls scheiterte aber der Versuch, mit der Irak-Krise einen Stimmungsumschwung auch auf Länderebene herbeizuführen. Die Wahlen in Niedersachsen und Hessen gingen im Februar 2003 haushoch verloren - selbst in Hannover, wo Schröder von 1994 bis zu seinem Wechsel ins Kanzleramt sogar ohne Koalitionspartner hatte schalten und walten können. Mit Blick auf die jeweils mehr als zehnprozentigen Verluste für seine Partei sprach Schröder dann auch von den »bittersten Niederlagen meines Lebens«."