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Cosimas Kinder - Triumph und Tragödie der Wagner-Dynastie

Oliver Hilmes

 

Verlag Siedler, 2010

ISBN 9783641041229 , 320 Seiten

Format ePUB

Kopierschutz Wasserzeichen

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6,99 EUR


 

"Ehe Wider Willen (S. 129-130)

Der Gnadenlose

Maximilian Harden war einer der wenigen deutschen Journalisten, die eine Macht bedeuteten.«1 Dieser Satz stammt von einem anderen großen Publizisten, nämlich von Kurt Tucholsky, und erscheint eher als Untertreibung. Harden wurde vielmehr gefürchtet, und das Instrument seiner Furchterregung war die von ihm gegründete Wochenzeitung »Die Zukunft«. Es lohnt sich, einen kurzen Exkurs zu unternehmen und einen Blick auf das Bild des Mannes zu werfen, der die Geschichte der Wagners erheblich beeinflussen sollte. Der am 20. Oktober 1861 in Berlin geborene Felix Ernst Witkowski, so Hardens Geburtsname, stammte aus einer jüdischen Kaufmannsfamilie und begann seine Karriere zunächst als Schauspieler.

Er tingelte mit einer Wandertruppe durch Deutschland und spielte in verschlafenen Nestern vom Schwank bis zum klassischen Drama so gut wie alles. Doch der große Erfolg blieb aus. Die Zeit als Schauspieler hat ihn trotz des Scheiterns geprägt: Hier erwarb er sich einen untrüglichen Sinn für Theatralik und Pose, für den bühnenreifen Aufbau und die dramatische Zuspitzung einer Geschichte. Mitte der 1880er Jahre wandte er sich dem Journalismus zu und schrieb unter anderem für das linksliberale »Berliner Tageblatt«.

Die ökonomische Abhängigkeit von Verlegern und die damit verbundene Notwendigkeit zu Kompromissen frustrierten Harden zunehmend. Er wollte unabhängig sein, um frei von jeder Kontrolle und Rücksichtnahme schreiben zu können. Mit Geld, das er sich bei seinem Bruder lieh, verwirklichte er sein Ideal. Am 1. Oktober 1892 – kurz vor Hardens 31. Geburtstag – erschien die erste Nummer der »Zukunft«. Die Startauflage betrug 6000 Exemplare, später wurden 20 000 Hefte verkauft, zeitweilig gingen sogar Woche für Woche 70 000 Exemplare über den Ladentisch.

Das Unternehmen schrieb bald schwarze Zahlen und warf im Laufe der Zeit so viel Geld ab, dass der Journalist eine schicke Villa im Berliner Grunewald beziehen konnte. Was an Maximilian Harden so faszinierte, war sein neuer Stil. Seine Texte wirken auf heutige Leser pompös, gestelzt und häufig schwer verständlich. Man muss sich in den meisterhaften Satzbau etwas einlesen, um ein Stilprinzip des Autors zu erkennen: Er spielte gewissermaßen über Bande.

Hardens Stärke lag in der leisen und beinahe beiläufigen Bemerkung. Geradezu nebenbei führte er die Leser durch kunstvoll geformte Satzkaskaden zum Wesentlichen. Kurt Tucholsky verglich den berühmten Kollegen mit einer Schlange, deren Gift zunächst nur kitzelte und Wundrötungen hervorrief – letzten Endes aber absolut tödlich wirkte. »Wenn Schriftsteller Analogien im Tierreich haben –: dieser war eine Schlange. Schön, gefährlich, giftig, böse, im Jagdeifer herrlich anzusehen, nimmersatt.« Hardens Gift, um bei diesem Bild zu bleiben, war sein Wissen. Tucholsky: »Zu Harden floß der breite Strom der Information, die Abwässer des Klatsches, die Springbäche der witzigen Verleumdungen … er wußte alles."