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Perry Rhodan-Paket 26: Chronofossilien - Vironauten (Teil 2) - Perry Rhodan-Heftromane 1250 bis 1299

Perry Rhodan Redaktion

 

Verlag Perry Rhodan digital, 2012

ISBN 9783845329659 , 3000 Seiten

Format ePUB

Kopierschutz frei

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59,99 EUR


 

Wir dagegen haben uns gefunden

In des Äthers sterndurchglänztem Eis,

Kennen keine Tage, keine Stunden,

Sind nicht Mann noch Weib, nicht jung noch Greis.

Still zu eurem zuckenden Leben nickend,

Still in die sich drehenden Sterne blickend

Atmen wir des Weltraums Winter ein,

Sind befreundet mit dem Himmelsdrachen,

Kühl und wandellos ist unser ewiges Sein,

Kühl und sternhell unser ewiges Lachen.

– Hermann Hesse, »Die Unsterblichen«

 

1.

 

Hier am Rand der Welt war der Strom der Zeit ein stehendes Gewässer: Dunkel und glatt wie ein erblindeter Spiegel, bleiern erstarrt zur ewigen Gegenwart. Hier am Rand der Welt war die Zeit besiegt.

Aber vielleicht, dachte Myzelhinn, vielleicht war der Sieg über die Zeit in Wirklichkeit unsere größte Niederlage. Vielleicht ist die Unsterblichkeit der eigentliche Feind des Lebens, eine Krankheit, die nicht einmal durch den Tod geheilt werden kann.

Myzelhinn stand hoch über den endlosen Weiten der Lichtebene auf dem einzigen Turm der Letzten Bastion, die in majestätischer Pracht Ebene und Abgrund trennte, und zu seinen Füßen rauschte die Brandung eines purpurroten Ozeans.

Königsblau leuchteten die Mauern der Bastion, purpurn glühte der Ozean, und darüber lag – wie ein durchscheinendes Tuch, aus dem Licht der Sterne gesponnen – ein Schleier aus goldener Helligkeit.

Hier auf dem Turm, auf halber Höhe zwischen Meer und Wolkendecke, war es still. Irgendwo landeinwärts wühlte ein Atmosphärewirbel die Luft auf und blies Wind über die Ebene. Die frische Brise kühlte Myzelhinns Gesicht, aber nicht seine brennenden Augen.

Wie schon so oft wandte er die Blicke in jene Richtung, in der er den Grenzwall wusste. Das Tiefenland war flach wie ein Brett, und keine Erdkrümmung schuf die Illusion der Endlichkeit in Form eines Horizonts; die Luft war klar und durchsichtig wie poliertes Glas, und kein Dunst trübte die Sicht; dennoch blieben die Berge seinen Blicken verborgen.

Über eine Milliarde Kilometer lagen zwischen der letzten Bastion und den Bergen; selbst das rasende Licht brauchte eine volle Stunde für diesen weiten Weg. Und noch ein Jahr dazu, wenn es Starsen erreichen wollte. In der Ferne versank alles in Dunst, in dem das Goldlicht des Schöpfungsbergs verschlungene Muster zeichnete.

Aber Myzelhinns Augen waren keine gewöhnlichen Augen.

Ihr Blick brannte den Nebel und die tanzenden Muster fort. Ihr Blick befahl der Luft, durchlässig und klar wie Vakuum zu werden, und ihr Blick befahl dem Raum, zu schrumpfen und den langen Weg der Photonen abzukürzen, und die Luft und der Raum gehorchten.

Nach und nach, in visionärer Deutlichkeit, schälte sich das zerklüftete Massiv des Grenzwalls aus dem golddurchglühten Nebel. Wie ein grimmiges, metallenes Ungeheuer, das unter seiner eigenen Last zusammengebrochen war, erstreckte sich der Grenzwall von einem Rand des Tiefenlands zum anderen: Eine titanische Mauer zwischen der Lichtebene und der grauen Wildnis von Ni, eine Barriere von so unvorstellbaren Ausmaßen wie das Tiefenland selbst. Die zerklüfteten Hänge und die gezackten Kämme des Walls reichten bis hinauf zur Tiefenkonstante und vereinten sich dort mit der lückenlosen Wolkendecke; Wolken, die vom Berg der Schöpfung bis zur verlorenen Stadt am anderen Ende der Welt den Himmel verhüllten.

Goldlicht brach sich myriadenfach an Klippen aus Silber und Chrom, an eisernen Graten und kupfernen Steilwänden, an Simsen aus Stahl und Bronzemoränen. Flöze aus Uran teilten mit dunklen Strichen Hänge aus blitzendem Zinn; Gletscher aus schillernder Formenergie kalbten lautlos an Wismutbergen; und weit im Osten stürzte ein strudelnder Quecksilberfluss in eine Schlucht aus purem Zirkonium.

Und dort der Pass.

Der Platinpass, der einzige Pass über den Grenzwall.

Myzelhinns Vision verblasste. Das gigantische Gebirge versank wieder im goldenen Nebel der Lichtebene.

Myzelhinn hatte gesehen, was er sehen wollte: die drei Kundschafter – und das Holt ...

Sie kommen, dachte Myzelhinn. Sie haben vollbracht, was noch keinem vor ihnen geglückt ist: Sie haben die wahnsinnigen Wächter der Grube passiert und sind mit dem Tiefenfahrstuhl hinunter nach Starsen gelangt; sie haben die Mauer um Starsen überwunden und sind durch die kosmischen Weiten des Tiefenlands gewandert; sie haben das Vagenda erreicht und sind als Gefangene der Grauen Lords nach Ni gereist; sie haben den Verlockungen der Macht und dem Gift des Graueinflusses widerstanden und sind aus den Kerkern der Lordrichter geflohen; und nun haben sie den Platinpass überquert und sind auf dem Weg zum Rand der Welt, zur Letzten Bastion, zum Berg der Schöpfung ... und Zorn ist in ihren Herzen.

Weil sie unwissend sind ...

Eine Bewegung am Fuß der königsblauen Trutzmauern erregte Myzelhinns Aufmerksamkeit. Er beugte sich über die niedrige Brüstung des Turmes und spähte in die Tiefe. Ein drei Meter langer Wurm mit milchweißer Haut, von einem faustgroßen, pulsierenden Organ golden durchschimmert, glitt durch die Fluten aus flüssiger Formenergie. Ein Lla Ssann. Er schien nach einem Weg in die Letzte Bastion zu suchen.

Myzelhinn erkannte ihn sofort.

Suu Oon Hoo, der letzte Tiefenschwimmer, der mit den Vitalenergieströmen des Vagendas zur Lichtebene gelangt war. Nur Suu Oon Hoo konnte so närrisch sein und hoffen, dass sich die Tore der Bastion für ihn öffneten.

Plötzlich entdeckte ihn der Lla Ssann.

Ich verachte dich, wisperte Hoos telepathische Stimme in Myzelhinns Bewusstsein. Ich verachte dich für deinen Verrat, für dieses Verbrechen, das beispiellos in der Geschichte der Tiefe und des Hochlands ist. Ich verfluche dich und deinesgleichen für das, was ihr den Völkern der Tiefe angetan habt. Ihr seid schlimmer als die Grauen Lords, schlimmer als der Tod. Es gibt keine Worte, um das wahre Ausmaß eures Verbrechens zu beschreiben. All die Äonen haben die Völker der Tiefe euch treu gedient, und zum Lohn für ihre Dienste habt ihr sie dem Graueinfluss geopfert. Ich wünschte, ich könnte euch alle töten ...!

Aber nichts und niemand kann uns töten, dachte Myzelhinn. Wir haben den Tod besiegt.

Und er wandte sich ab, drehte dem zornerfüllten Gewisper des Lla Ssann den Rücken zu, und war mit zwei Schritten bei dem Schacht, der tausend Meter in die Tiefe reichte. Der Schacht glühte im königsblauen Licht der Psi-Energie, die unter dem Willen Myzelhinns die Festigkeit von molekulargehärtetem Stahl angenommen hatte, und mit einem weiteren Schritt stürzte er sich in die Tiefe.

Kein Kraftfeld bremste seinen Sturz; kein Sicherheitsmechanismus griff ein, um ihn vor dem tausend Meter tiefen Fall und dem Tod am Grund des Schachtes zu bewahren. Nackte, glatte Wände, die senkrecht nach unten führten – das war alles.

Trotzdem stürzte er nicht, sondern sank sacht.

Denn die Schwerkraft weigerte sich, ihren eigenen Gesetzen zu gehorchen, und die Luft wurde dichter und dichter, bildete aus eigenem Antrieb ein schützendes Polster unter Myzelhinns Körper, und der Boden wurde weich und federnd, um seinen Gast so zu empfangen, wie er es verdient hatte.

Dienstbeflissene Elemente ...

Ein Lächeln, bitter und melancholisch zugleich, spielte um Myzelhinns Lippen.

Verstehst du nun, Suu Oon Hoo?, dachte er. Begreifst du nun, wie unerfüllbar dein Wunsch ist? Wie willst du jemand töten, der Raum und Zeit, Materie und Energie zu seinen Verbündeten hat? Wie willst du jemand töten, wenn die Waffe, die du auf ihn abfeuerst, versagt? Wenn das Gift, das du ihm einflößt, zu Wasser wird? Wenn die Bombe, die ihn verbrennen soll, statt Feuer Blumen gebiert? Wenn sich deine eigene Mordlust in Liebe verwandelt, sobald du deinem Opfer gegenüberstehst?

Myzelhinn neigte den Kopf und lauschte.

Stille erfüllte die Bastion. Schon vor langer Zeit war die Stille in den Gewölben der Psi-Festung eingezogen. All die vielen Stimmen, die einst die königsblauen Säle mit Leben erfüllt hatten, waren verklungen. Und bald würde die Stille der einzige Bewohner der Bastion sein.

Aber noch war es nicht soweit.

Noch war das Werk nicht vollendet.

Er dachte wieder an Suu Oon Hoo, und er seufzte. Dieser Hass ...! Es schmerzte, so von Hass verfolgt zu werden; Hass, der den Tiefenschwimmer dazu trieb, die Gefahren des Purpurmeers auf sich zu nehmen, um jene zu töten, die er für Verräter hielt ... Was wussten die Lla Ssann schon von Verrat? Sie sahen nur die Oberfläche: Das Vagenda versiegt, das Tiefenland grau ... weil Verrat im Spiel war. Sie sahen sich auf ungeheuerliche Weise hintergangen, und sie reagierten auf die einzige Weise, die ihnen möglich war: mit verzweifeltem Hass.

Und die Lla Ssann, die Hüter des Vagendas, die wie die Tiziden, die Jaschemen, die Chylinen und die Archivare von Schatzen zu den ältesten und zuverlässigsten Getreuen gehörten, versuchten in ihrem Zorn das Unmögliche – jene zu töten, für die der Tod nur ein leeres Wort war.

Myzelhinn lachte, und sein Gelächter hallte kühl von den glühenden Wänden, der pulsierenden Decke, wanderte auf verborgenen Wegen durch den gewaltigen Komplex der Bastion.

Nicht einmal die Jaschemen, die so klug und mächtig waren, dass sie ungezählte Tiefenjahre lang aus eigener Kraft dem Graueinfluss und den Angriffen der Lords widerstanden hatten ... nicht einmal sie hatten herausgefunden, warum Myzelhinn und die anderen seiner Art gegen jede Gefahr gefeit waren.

Mit schnellen Schritten...