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Dieser Mann macht mich verrückt! - Roman

Susan Elizabeth Phillips

 

Verlag Blanvalet, 2013

ISBN 9783641107550 , 512 Seiten

Format ePUB

Kopierschutz Wasserzeichen

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9,99 EUR


 

2


Blue konzentrierte sich darauf, ihre Atemzüge zu zählen, und hoffte, das würde sie beruhigen. Aber die Panik verebbte nicht. Verstohlen musterte sie den attraktiven Mann an ihrer Seite. Erwartete er wirklich, sie würde ihm glauben, dass er schwul war? Klar, er trug diese Schwulenstiefel, und er sah verdammt gut aus. Trotzdem strahlte er genug heterosexuelle Megawatt-Ströme aus, um die ganze weibliche Bevölkerung dieses Landes zu entflammen. Was er zweifellos tat, seit er den mütterlichen Schoß verlassen, sein Spiegelbild in der Brille des Geburtshelfers erblickt und der Welt fröhlich zugewinkt hatte …

Eigentlich hielt ich Montys Verrat für den schrecklichen Höhepunkt meines Lebens, das sich immer schneller zur Katastrophe entwickelt. Doch nun war sie Dean Robillards Gnade ausgeliefert. Niemals wäre sie ins Auto eines Profi-Footballspielers gestiegen, hätte sie ihn erkannt. Sein fast nackter, unglaublich muskulöser Körper prangte auf allen Plakatwänden und warb für End Zone, eine Herrenunterwäsche, mit dem denkwürdigen Slogan: »Bringen Sie Ihren Hintern in die richtige Zone.« Erst neulich hatte sie sein Bild in der People-Ausgabe mit den Porträts der fünfzig schönsten Menschen gesehen. Auf diesem Foto wanderte er in einem Smoking mit hochgekrempelten Ärmeln barfuß über einen Strand. Obwohl sie sich nicht erinnerte, für welches Team er spielte, stand jedenfalls fest: Er gehörte zur Kategorie der Männer, um die sie einen weiten Bogen machte. Nicht, dass ihr solche Typen ständig über den Weg liefen. Aber jetzt stand er zwischen ihr, einem Obdachlosenheim und einem Schild mit der Aufschrift: »Für ein Stück Brot male ich, was Sie wollen.«

Wie sie vor drei Tagen herausgefunden hatte, war ihr Sparkonto mit dem Achttausend-Dollar-Notgroschen ebenso leergeräumt worden wie das Girokonto. Nun hatte Monty noch ihre letzten zweihundert Dollar gestohlen. In ihrer Brieftasche steckten noch ganze acht Dollar. Sie besaß nicht einmal eine Kreditkarte, was ein schwerwiegendes Versäumnis war. Seit sie erwachsen war, hatte sie es geschafft, niemals mittel- und hilflos dazustehen. Bis jetzt.

»Warum sind Sie nach Rawlins Creek gefahren, Dean?« Blue versuchte den Eindruck zu erwecken, sie würde nur Konversation machen. In Wirklichkeit wollte sie Informationen sammeln, um festzustellen, woran sie mit ihm war.

»Weil ich ein Taco Bell-Schild gesehen habe. Leider ist mir bei der Begegnung mit Ihrem Liebhaber der Appetit vergangen.«

»Mit meinem Ex.«

»Das begreife ich nicht. Sobald ich den Kerl sah, wusste ich – das ist ein Loser. Hat Ihnen das keiner Ihrer Freunde in Seattle erklärt?«

»Ich war oft unterwegs.«

»Verdammt, danach hätten Sie jeden Fremden an einer x-beliebigen Tankstelle fragen können.«

»Hinterher ist man immer schlauer.«

Er warf ihr einen kurzen Blick zu. »Jetzt fangen Sie gleich zu weinen an, nicht wahr?«

Bis sie verstand, was er meinte, dauerte es eine Weile. »Keine Bange, ich bin sehr tapfer«, erwiderte sie mit kaum merklichem Sarkasmus.

»Sie müssen mir nichts vormachen. Reden Sie sich alles von der Seele, das ist die beste Methode, ein gebrochenes Herz zu heilen.«

Nein, Monty hatte sie nur in Wut gebracht und ihr Herz ganz sicher nicht gebrochen. Aber er hatte ihre Konten nicht abgeräumt. Ihr Angriff auf ihn war eine Überreaktion gewesen. Das wusste sie. Schon zwei Wochen nach dem Anfang der Beziehung hatte sie gemerkt, dass sie seine Freundschaft vorziehen würde, und ihn von der Bettkante geschubst. Gewiss, sie teilten einige Interessen. Trotz seiner Egozentrik hatte sie seine Gesellschaft geschätzt. Sie waren zusammen ausgegangen, ins Kino und in Galerien, und einer hatte den anderen bei der Arbeit unterstützt. Obwohl sie seine Neigung zur Melodramatik kannte, hatten seine verzweifelten Anrufe aus Denver sie alarmiert.

»Ich habe ihn nicht geliebt«, sagte sie. »Von der Liebe halte ich nichts. Wir haben uns nur umeinander gekümmert. Und wenn er anrief, klang er immer schlimmer. Schließlich hatte ich Angst, er würde sich umbringen. Freunde sind mir wichtig. Deshalb konnte ich ihn nicht im Stich lassen.«

»Mir sind Freunde auch wichtig. Aber wenn einer Probleme hat, steige ich in ein Flugzeug, statt alle meine Sachen zu packen und umzuziehen.«

Seufzend zog Blue einen Gummiring aus einer Jeanstasche und band ihr Haar wieder zu einem zerzausten Pferdeschwanz zusammen. »Ich wollte ohnehin nicht mehr in Seattle bleiben, sondern woanders leben. Natürlich nicht in Rawlins Creek.«

Sie fuhren an einem Schild vorbei, das Schafe zum Verkauf anbot. In Gedanken zählte sie ihre besten Freunde auf und überlegte, wen sie anpumpen könnte. Bedauerlicherweise hatten sie alle was gemeinsam – gütige Herzen und kein Geld. Prinias Säugling war schwer krank, Mr. Grey kam mit den paar Dollars von der Sozialversicherung kaum über die Runden, Mai hatte sich noch immer nicht von dem Feuer erholt, bei dem ihr Studio zerstört worden war, und Tonya unternahm gerade einen Rucksacktrip durch Nepal. Also war sie auf das Mitgefühl eines Fremden angewiesen. Ihre Kindheit schien sich zu wiederholen. Und sie hasste diese viel zu vertraute Angst.

»Erzählen Sie mir was von sich, Bibermädchen.«

»Ich bin Blue.«

»Schätzchen, wenn ich Ihren fragwürdigen Geschmack hätte, was Männer angeht, würde ich sicher auch im Blues versinken.«

»Nein, ich heiße wirklich Blue. Blue Bailey.«

»Klingt irgendwie falsch.«

»Während meine Mutter meine Geburtsurkunde ausfüllte, war sie ein bisschen deprimiert. Ursprünglich wollte sie mich Harmony nennen. Aber da brach der Aufstand in Südafrika aus, in Angola war der Teufel los …« Sie zuckte die Achseln. »Da fand sie, auf dieser Welt wäre kein Platz für eine kleine Harmony.«

»Offenbar hatte Ihre Mutter ein ausgeprägtes soziales Gewissen.«

Blue lachte wehmütig. »O ja …« Das soziale Gewissen ihrer Mutter hatte die leeren Bankkonten verursacht.

Als er den Kopf nach hinten wandte, entdeckte sie ein winziges Loch in seinem Ohrläppchen. »Dieses Malzeug im Kofferraum … Hobby oder Beruf?«

»Mein Beruf. Ich porträtiere Kinder und Haustiere.«

»Ist es denn nicht schwierig, eine Klientel aufzubauen, wenn man ständig herumfährt?«

»Eigentlich nicht. Ich suche mir eine Gegend, wo betuchte Leute wohnen, und werfe Flugblätter, die mit einem meiner Bilder bedruckt sind, in die Briefkästen. Meistens klappt das ganz gut. Aber nicht in Städten wie Rawlins Creek. Da gibt’s keine Luxusvillen.«

»Was das Biberkostüm erklärt. Übrigens, wie alt sind Sie?«

»Dreißig. Und – nein, ich lüge nicht. Für mein Aussehen kann ich nichts.«

»Safe net.«

Verwirrt zuckte Blue zusammen, als eine körperlose weibliche Stimme ertönte.

»Ich melde mich nur, um zu fragen, ob Sie Hilfe brauchen«, gurrte die Stimme, und Dean lenkte den Aston auf die langsame Fahrspur.

»Elaine?«

»Nein, hier spricht Claire. Heute hat Elaine frei.« Die Stimme drang aus den Lautsprechern des Autos.

»Hi, Claire. Mit Ihnen habe ich schon lange nicht mehr geplaudert.«

»Ich musste meine Mom besuchen. Wie läuft’s auf der Straße? Ist der Verkehr nett zu Ihnen?«

»Keine Klagen.«

»Falls Sie Richtung Chicago fahren, warum schauen Sie nicht in St. Louis vorbei? Ich habe ein paar Steaks in der Gefriertruhe. Mit Ihrem Namen drauf.«

Dean klappte die Sonnenblende herunter. »Wie gut Sie zu mir sind, meine Süße, wie großzügig …«

»Für meinen liebsten Safe Net-Kunden ist mir nichts zu teuer.«

Nachdem er die Verbindung unterbrochen hatte, verdrehte Blue die Augen. »Lassen Sie die Frauen Schlange stehen und verteilen Nummern? Welch eine Verschwendung …«

Auf dieses Spiel ging er nicht ein. »Haben Sie nicht das Bedürfnis, sich irgendwo anzusiedeln?«

»Dafür ist die Welt zu groß, und ich habe noch viel zu wenig davon gesehen. Vielleicht werde ich sesshaft, wenn ich vierzig bin. Ihre Freundin hat Chicago erwähnt. Wollten Sie nicht nach Tennessee fahren?«

»Doch. Aber ich wohne in Chicago.«

Jetzt erinnerte sie sich, er spielte bei den Chicago Stars. Sehnsüchtig inspizierte sie das imposante Armaturenbrett des Sportwagens und den Schalthebel. »Ich würde gern mal fahren.«

»Für Sie wäre es völlig ungewohnt, ein Auto zu steuern, das nicht qualmt.« Er schaltete das Satellitenradio ein, eine Kombination aus altem Rock und neueren Songs ertönte.

Auf den nächsten Meilen lauschte sie der Musik und versuchte die Landschaft zu würdigen. Aber sie machte sich zu große Sorgen, und sie brauchte dringend eine Ablenkung. Sollte sie Dean ärgern und fragen, was er bei einem Mann am attraktivsten fand? Nein, es war vorteilhafter, wenn sie dieses Thema nicht überstrapazierte und das Schwulenmärchen aufrechterhielt. Trotzdem erlag sie der Anfechtung und schlug ihm vor, einen Sender mit Streisand-Songs zu suchen.

»Obwohl ich nicht unhöflich sein will – wir Jungs in der Schwulenszene haben diese alten Klischees langsam satt.«

Sie tat ihr Bestes, um Zerknirschung zu heucheln. »Tut mir leid.«

»Okay, ich nehme Ihre Entschuldigung an.«

Aus dem Radio tönte U2, dann Nirwana. Blue zwang sich, den Kopf im Takt zu bewegen, damit Dean nicht merkte, wie deprimiert sie war. Etwas später begleitete er Nickelback mit einem sanften, ziemlich eindrucksvollen Bariton, danach Coldplay bei »Speed of Sound«.

Als Jack Patriot »Why Not Smile?« intonierte, wechselte Dean den Sender.

»Stellen Sie...