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Perry Rhodan-Paket 27: Die Gänger des Netzes - Perry Rhodan-Heftromane 1300 bis 1349

Perry Rhodan Redaktion

 

Verlag Perry Rhodan digital, 2011

ISBN 9783845329666 , 3000 Seiten

Format ePUB

Kopierschutz frei

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59,99 EUR


 

1.


Gegenwart: Eirene

 

Ich hatte die Nacht hindurch kaum geschlafen – hin und wieder ein paar Minuten Halbschlummer, von wirren Träumen durchsetzt, mehr nicht. Das machte die Aufregung. Einen Tag wie den heutigen gab es nur einmal im Leben. Es war noch dunkel draußen; aber ich spürte, dass ich nicht mehr würde einschlafen können. Ich saß aufrecht im Bett und starrte in die Finsternis. Hatte ich Angst? Ich wusste es nicht. Irgend etwas war da, das mir auf den Magen drückte und mich unsicher machte. Es gab nichts, wovor ich mich hätte zu fürchten brauchen. Aber heute begann ein neuer Abschnitt meines Lebens. Heute, so hatte Perry gesagt, wurde es ernst.

Wenn ich hier sitzen blieb und über die Zukunft grübelte, dann war ich bald ein Nervenbündel. Ich brauchte Ablenkung. Ich sprang auf. Die Beleuchtung schaltete sich automatisch ein. Die Tür zum Hygieneraum öffnete sich selbsttätig. Für ein Bad hatte ich keine Geduld. Ich sprühte mich ab und kroch in die Kleider, die ich mir am gestrigen Abend zurechtgelegt hatte. Ich sollte etwas essen, sagte ich mir. Der Tag beginnt mit einem anständigen Frühstück, war Gesils Wahlspruch. Aber ich hätte nichts hinuntergebracht.

Ich trat hinaus auf den Flur. Das Haus war weitläufig. Das bisschen Geräusch, das ich machte, würde die Eltern nicht wecken. Vor dem Kalender, der in der Nähe des Hinterausgangs an der Wand hing, blieb ich stehen. Die Leuchtziffern zeigten den 15. September 445, 10.33 Uhr. Meine Gedanken wanderten. Ich versuchte, mir vorzustellen, wie es dort aussah, wo jetzt wirklich dieses Datum geschrieben wurde. Terrania, eine große, schöne Stadt auf einem Planeten namens Erde. Ich hatte beide nie gesehen – weder den Planeten noch die Stadt. Sie lagen vierzig Millionen Lichtjahre entfernt. Den Kalender hatte Perry an Bord der ZUGVOGEL mitgebracht – damals, vor mehr als fünfzehn Jahren, als er auf Sabhal landete. Wir auf Sabhal hatten unsere eigene Zeitrechnung. Es gab keinen 15. September, und vor allen Dingen war es jetzt nicht 10.33 Uhr. Der Kalender war ein Erinnerungsstück, für Perry wohl sogar ein Mahnmal. Er verkörperte seinen Entschluss, eines Tages zur Erde noch einmal zurückzukehren.

Die Tür zur Garagenhalle öffnete sich lautlos. Drei Fahrzeuge standen in der Halle: eines für jedes Mitglied der Familie. Ich kletterte in meinen Gleiter, eine kleine, wendige Maschine, die mir die Eltern vor einem Jahr zu meinem 15. Geburtstag geschenkt hatten.

»So früh schon unterwegs?«, empfing mich die freundliche Stimme des Autopiloten.

»Nicht früh genug für mich«, antwortete ich. »Weißt du, was heute für ein Tag ist?«

»Natürlich weiß ich das«, sagte der Autopilot. »Heute ist dein Geburtstag. Du wirst sechzehn Jahre alt nach der eigenartigen Zeitrechnung, die man in diesem Haus betreibt.«

»Und? Sonst nichts?«, fragte ich enttäuscht.

»Heute«, sagte der Autopilot, und seine Stimme klang richtig feierlich, »ist der Tag deiner Initiierung. Heute erhältst du den Abdruck des Einverständnisses.«

»So ist es«, bestätigte ich und kam mir dabei recht wichtig vor. »Deswegen bin ich aufgeregt. Ich möchte eine Spazierfahrt machen.«

»Einverstanden. Wohin soll's gehen?«

»Das übliche Ziel«, sagte ich. »Ich muss mit Bwimi reden.«

»Bwimi«, sagte der Autopilot abfällig. »Ich an deiner Stelle würde mich nicht so oft mit ihm unterhalten. Der Kerl hat doch nur ein halbes Gehirn im Kopf.«

»Sei still«, wies ich ihn zurecht. »Bwimi ist mein Freund.«

 

*

 

Unter mir lag die Stadt Hagon in ihrer frühmorgendlichen Lichterpracht. Hagon war, was man andernorts eine Großstadt genannt hätte. Die Zahl ihrer Einwohner betrug 800.000. Viele davon waren schon hiergewesen, als Gesil und Perry auf Sabhal eintrafen. Aber ich wusste von Berichten aus unparteiischer Quelle, dass Perry und seine Freunde kräftig dazu beigetragen hatten, die Siedlung zu vergrößern und neue Siedler nach Hagon zu bringen. Hagon war Zentrum und Heimatbasis der Organisation, die sich DIE GÄNGER DES NETZES nannte und die von heute Mittag an in meinem Leben eine entscheidende Rolle spielen würde. Ich war ein wenig stolz darauf, dass die Stadt ihre jetzige Ausdehnung und Einwohnerzahl nicht zuletzt meinem Vater verdankte.

Der Verlauf der Straßen war durch schwebende Lampen gekennzeichnet. Es war Spätsommer in Malu. Im Herbst, im Winter und zu Beginn des Frühjahrs würde die nächtliche Straßenbeleuchtung nicht gebraucht werden. Moorga, unsere Sonne, stand am Rand des großen Kugelsternhaufens Parakku. Die Bahn des Planeten Sabhal verlief so, dass während der letzten Monate des alten und während der ersten des neuen Jahres das Sternenmeer Parakkus am Nachthimmel erschien. Dann gab es, was die Helligkeit anbelangte, zwischen Tag und Nacht keinen Unterschied mehr. Der Anblick der riesigen Sternmengen war atemberaubend. Ich freute mich auf den Augenblick, an dem Parakku wieder über dem Nachthorizont erscheinen würde.

Am Strand der großen Bucht endeten die Lichter wie abgeschnitten. Ein paar Molen stachen Hunderte von Metern in das schwarze Wasser hinaus. Ihre Beleuchtungen sahen aus wie winzige Perlenschnüre. Der Gleiter nahm Fahrt auf, sobald er die Stadt hinter sich gelassen hatte, und schoss steil in die Höhe. Er wandte sich ostwärts, dem rötlichen Schimmer entgegen, der den nahenden Morgen ankündigte.

In 35 Kilometern Höhe schoss ich über die Benda-See dahin. Der Überschallschock, den der Gleiter auslöste, war unten auf Meeresniveau nur noch als halblautes Rumoren zu hören. Der Gleiter bewegte sich mit einer Geschwindigkeit von über 500 km/h. An der Südostspitze des Kontinents Malu, an dessen Südküste die Stadt Hagon lag, war er auf Nordkurs eingeschwenkt. Der Flug bis zu dem Ort, an dem Bwimi und seine Sippe hausten, würde knapp zwei Stunden dauern.

Zu meiner Rechten tauchte die Sonne aus dem Meer. Moorgas mächtiger Glutball war ein prächtiges, goldenes Rot. Mittags dagegen, wenn die Sonne in der Nähe des Zenits stand, war sie von schimmerndem Weiß und wesentlich kleiner. Perry hatte mir einmal erklärt, wie der Effekt entstand. Es hatte etwas damit zu tun, wie die Sonnenstrahlen ihren Weg durch die Atmosphäre fanden, wie viel sie gebeugt wurden und von ihrer Lichtenergie unterwegs verloren. Solche Dinge konnte ich nur schwer behalten. Außerdem gefiel mir unsere Sonne so, wie sie war – auch ohne Erklärung.

Weit im Osten war für kurze Zeit die Küste des Kontinents Faleh zu sehen. Dann lag wieder nur Meer ringsum: der große Nordozean. Ich wurde schläfrig. Das stete, sanfte Summen des Antigravtriebwerks wirkte auf mich wie ein Wiegenlied. Es war warm in der kleinen Kabine. Ich hätte einen Kaffee gebrauchen können. Aber so vornehm, dass er Speisen und Getränke reichte, war mein Gleiter nicht eingerichtet.

»Die Küste von Panahan kommt in Sicht«, sagte der Autopilot.

Ich richtete mich auf und blickte voraus. Panahan war der große Polarkontinent. In Panahan lebten nur Tiere und Pflanzen. Es wurde dort mitunter bitterkalt, und manchmal fiel sogar Schnee. Das ist eine weiße, pulvrige Substanz, die aus gefrorenem Wasser besteht. Ich mochte das weite Land, weil es mir das Gefühl vermittelte, wirklich allein zu sein. In früheren Jahren, als ich noch unsicher war und mit mir selbst nichts anzufangen wusste, ließ ich mich oft von einem Freund dort hinauf in die Tundra fliegen: von Obeah, von Geoffry, oder manchmal nahm mich auch Gucky per Telesprung mit. Seit einem Jahr benützte ich meinen eigenen Gleiter. Aber ich war jetzt nicht mehr unsicher; ich wusste auch, wohin mein Weg führte. Die Einsamkeit liebte ich deswegen noch immer.

Dichtbewaldetes Land zog unter mir dahin. Breite Ströme wälzten sich dem Nordmeer entgegen. In Küstennähe bestand der Wald meist aus Laubbäumen. Einige davon hatten sich zu verfärben begonnen und leuchteten im goldenen Rot des Herbstes. Je weiter nordwärts wir kamen, desto deutlicher nahmen Nadelhölzer überhand. Sie wurden kleiner, als wir uns dem Pol näherten. Der Wald wirkte ruppig; die Lichtungen wurden immer größer.

Und schließlich hörte der Baumwuchs vollends auf. Unter mir lag die ewige Tundra, das gelbgrüne Land, das den Weißfüchsen gehörte.

Der Gleiter neigte sich nach unten und verringerte die Geschwindigkeit. Ich sah auf die Uhr. Es war Zeit für meinen Anruf.

Gesil meldete sich. Es gab keine Bildverbindung.

»Fast habe ich es mir gedacht«, sagte sie. »Bwimi ruft?«

»Ja«, antwortete ich. »Ich muss ihn noch einmal sprechen, bevor ich ... bevor ich ...«

»Drück dich nicht davor, Eirene«, ermahnte sie mich freundlich. »Bevor du den Abdruck des Einverständnisses bekommst, heißt es.«

»Ja.« Ich kam mir dumm vor, weil ich Hemmungen empfand, die Worte auszusprechen. »Ich bin auf jeden Fall pünktlich zurück.«

»Ich weiß«, sagte Gesil. »Du wirst sie nicht warten lassen.«

Die Verbindung erlosch. Zwischen Gesil und mir bedurfte es nicht vieler Worte. Jede wusste, was in des anderen Gedanken vorging. Es kam oft vor, dass wir uns nur mit Blicken verständigten. Mein Verhältnis zu Perry war anders. Er liebte das Exakte, das Präzise. Er fand es mitunter schwer, sich in die Psyche einer Frau zu versetzen – ebenso, wie es für mich schwierig war, dem Lauf seiner Gedanken zu folgen. Das bedeutete nicht, dass ich mich mit der Mutter besser verstand als mit dem Vater. Nur die Art der Kommunikation war eine andere.

Der Gleiter bewegte sich in geringer Höhe über das flache Land. Voraus tauchte ein eigenartig geformter Hügel auf. Das war die Markierung, nach der ich mich seit Jahren richtete.

»Lande an der...