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Bloodlines - Die goldene Lilie

Richelle Mead

 

Verlag LYX, 2012

ISBN 9783802590436 , 384 Seiten

Format ePUB

Kopierschutz Wasserzeichen

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11,99 EUR

Für Firmen: Nutzung über Internet und Intranet (ab 2 Exemplaren) freigegeben

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Kapitel 1

Ist es nicht unheimlich, in einer stürmischen Nacht in einen unterirdischen Bunker geführt zu werden? Nicht für mich.

Dinge, die ich erklären und anhand von Daten definieren kann, erschrecken mich nicht. Deswegen betete ich mir im Stillen Tatsachen vor, während ich immer tiefer und tiefer unter das Straßenniveau hinabstieg. Der Bunker war ein Relikt aus dem Kalten Krieg, gebaut zum Schutz in einer Zeit, als die Leute ständig mit einem Atomangriff rechneten. Über Tage war das Gebäude als Optikergeschäft getarnt. Reine Fassade. Nicht im Mindesten unheimlich. Und der Sturm? Einfach ein Naturphänomen: Wetterfronten, die aufeinanderstießen. Und wenn man Angst hatte, in einem Sturm verletzt zu werden, war es tatsächlich ziemlich klug, unter die Erde zu gehen.

Also nein. Dieser scheinbar bedrohliche Ausflug machte mir nicht im Mindesten Angst. Alles beruhte doch auf vernünftigen Fakten und reiner Logik. Damit kam ich zurecht. Doch es war der Rest meines Jobs, mit dem ich ein Problem hatte.

Und vielleicht war das auch der Grund, warum mich stürmische Ausflüge in den Untergrund kaltließen. Wenn man die meiste Zeit unter Vampiren und Halbvampiren lebt, sie zu ihren Blutquellen transportiert und ihre Existenz vor dem Rest der Welt geheim hält na ja, das verschafft einem irgendwie eine einzigartige Perspektive auf das Leben. Ich hatte blutige Vampirschlachten miterlebt und magische Kunststückchen gesehen, die jedem mir bekannten Gesetz der Physik hohnsprachen. Mein Leben war ein ständiger Kampf darum, das Entsetzen vor dem Unerklärlichen zu unterdrücken, und zugleich der verzweifelte Versuch, eine Erklärung dafür zu finden.

»Pass auf, wo du hintrittst«, sagte mein Führer zu mir, als wir noch eine Betontreppe hinunterstiegen. Alles, was ich bisher gesehen hatte, bestand aus Beton die Wände, der Boden und die Decke. Die graue, raue Oberfläche absorbierte das Neonlicht, das uns den Weg erhellen sollte. Es war trostlos, kalt und auf eine unheimliche Weise still. Der Führer schien meine Gedanken zu erraten. »Seit der Errichtung haben wir Verbesserungen und Erweiterungen vorgenommen. Du wirst es sehen, sobald wir den Hauptteil erreichen.«

Aber sicher. Endlich öffnete sich die Treppe auf einen Flur mit mehreren geschlossenen Türen. Die Wände mussten immer noch aus Beton sein, aber die Türen hier waren modern und hatten elektronische Schlösser, an denen entweder rote oder grüne Lämpchen brannten. Mein Begleiter führte mich zur zweiten Tür auf der rechten Seite, einer mit grünem Lämpchen, und ich trat in einen ganz normalen Vorraum, der etwa wie ein Aufenthaltsraum aussah, den man in jedem modernen Büro fand. Grüner Teppich bedeckte den Boden wie ein wehmütiger Versuch, Gras nachzuahmen. Die Wände waren von einem Braun, das die Illusion von Wärme schenkte. Auf der gegenüberliegenden Seite stand ein mit Zeitschriften übersäter Tisch vor einem gut gepolsterten Sofa und zwei Sesseln. Das Beste von allem war jedoch, dass der Raum eine Theke mit einer Spüle zu bieten hatte und eine Kaffeemaschine.

»Mach es dir gemütlich!«, forderte mich mein Führer auf. Ich schätzte, dass er ungefähr in meinem Alter war, achtzehn, aber sein Versuch, sich einen lückenhaften Bart stehen zu lassen, ließ ihn jünger erscheinen. »Sie werden dich bald holen kommen.«

Ich hatte die Kaffeemaschine keine Sekunde aus den Augen gelassen. »Kann ich mir einen Kaffee kochen?«

»Sicher«, antwortete er. »Ganz, wie du willst.«

Er ging, und ich rannte praktisch zur Theke. Der Kaffee war bereits gemahlen er sah allerdings aus, als wäre das ebenfalls noch während des Kalten Krieges geschehen. Solange er jedoch Koffein enthielt, war mir alles andere egal. Hals über Kopf hatte ich einen Flug von Kalifornien genommen, und obwohl ich einige Stunden Zeit gehabt hatte, mich zu erholen, war ich jetzt immer noch schläfrig. Meine Augen brannten. Ich stellte die Kaffeemaschine an und ging dann in dem Raum auf und ab. Die Zeitschriften lagen kunterbunt durcheinander, daher rückte ich sie ordentlich zurecht. Unordnung konnte ich nicht ertragen.

Dann setzte ich mich auf das Sofa, wartete auf den Kaffee und fragte mich einmal mehr, worum es bei diesem Treffen gehen mochte. Ich hatte einen guten Teil meines Nachmittags hier in Virginia damit verbracht, zwei Funktionären der Alchemisten den Stand meines gegenwärtigen Auftrags zu erläutern. Ich lebte in Palm Springs, angeblich als Oberschülerin in einem privaten Internat, und sollte ein Auge auf Jill Mastrano Dragomir haben, eine Vampirprinzessin, die sich versteckt halten musste. Sie am Leben zu erhalten, bedeutete nicht weniger, als ihre Leute von einem Bürgerkrieg abzuhalten der die Menschen ganz bestimmt auf die übernatürliche Welt aufmerksam machen würde, die knapp unter der Oberfläche des modernen Lebens lauerte. Es war eine außerordentlich wichtige Mission für die Alchemisten, daher überraschte es mich nicht besonders, dass sie einen Bericht haben wollten. Was mich allerdings schon überraschte, war, dass das nicht einfach am Telefon geschehen konnte. Mir war schleierhaft, welcher andere Grund mich in diese Einrichtung geführt haben sollte.

Der Kaffee war durchgelaufen. Ich hatte die Maschine nur auf drei Tassen eingestellt, wahrscheinlich reichte das, um den Abend durchzustehen. Gerade hatte ich meine Styroportasse gefüllt, da öffnete sich die Tür, ein Mann trat ein und ich ließ den Kaffee beinah fallen.

»Mr Darnell«, sagte ich und stellte die Kanne auf die Heizplatte zurück. Meine Hände zitterten. »Wie wie schön, Sie wiederzusehen, Sir.«

»Gleichfalls, Sydney«, erwiderte er mit einem gezwungenen, steifen Lächeln. »Du bist ohne jeden Zweifel erwachsen geworden.«

»Danke, Sir«, sagte ich und wusste nicht recht, ob das ein Kompliment war oder nicht.

Tom Darnell war etwa so alt wie mein Vater und hatte braunes Haar mit silbernen Strähnen. Sein Gesicht wies mehr Falten auf als bei unserer letzten Begegnung, und seine blauen Augen zeigten einen Ausdruck des Unbehagens, den ich bisher nicht von ihm kannte. Er nahm unter den Alchemisten einen hohen Rang ein und hatte sich seine Position mit entschlossenen Taten und einer grimmigen Arbeitsmoral verdient. Als ich noch jünger gewesen war, war er mir immer überlebensgroß erschienen, selbstbewusst und Ehrfurcht gebietend. Wie er zu mir stand, wagte ich nicht vorauszusagen. Schließlich war ich dafür verantwortlich, dass die Alchemisten seinen Sohn verhaftet und eingesperrt hatten.

»Ich weiß es zu schätzen, dass du den ganzen Weg hergekommen bist«, fügte er hinzu, nachdem einige Sekunden peinlichen Schweigens verstrichen waren. »Ich weiß, es sind lange Flüge, vor allem am Wochenende.«

»Überhaupt kein Problem, Sir«, sagte ich und hoffte, selbstbewusst zu klingen. »Ich helfe Ihnen gern bei was immer Sie wünschen.« Ich fragte mich nach wie vor, was genau das sein mochte.

Er musterte mich einige Sekunden lang und nickte dann knapp. »Du bist sehr pflichtbewusst«, sagte er. »Genau wie dein Vater.«

Ich gab keine Antwort. Diese Bemerkung war als Kompliment gedacht, aber ich fasste sie nicht wirklich so auf.

Tom räusperte sich. »Also gut. Lassen wir das. Ich will dir nicht größere Unannehmlichkeiten bereiten als unbedingt notwendig.«

Wieder fing ich diese nervöse, jetzt fast schon unterwürfige Schwingung auf. Warum sollte er sich so viel Gedanken um meine Gefühle machen? Nach dem, was ich seinem Sohn Keith angetan hatte, hätte ich eher Zorn oder Anschuldigungen erwartet. Tom öffnete die Tür und bedeutete mir, wieder auf den Flur hinauszutreten.

»Darf ich meinen Kaffee mitnehmen, Sir?«

»Natürlich.«

Er führte mich zu einer anderen der geschlossenen Türen. Ich umklammerte meinen Kaffee wie eine Sicherheitsleine und war jetzt viel verängstigter als noch beim Betreten dieses Gebäudes. Diesmal war es eine Tür mit einem roten Lämpchen, und Tom zögerte, bevor er sie öffnete.

»Du sollst wissen dass das, was du getan hast, außerordentlich mutig war«, sagte er, ohne mir in die Augen zu schauen. »Ich weiß, du und Keith, ihr seid Freunde gewesen seid es noch. Es kann nicht leicht gewesen sein, ihn zu melden. Es zeigt, mit welcher Hingabe du deine Arbeit erledigst das ist bestimmt nicht immer einfach, wenn persönliche Gefühle im Spiel sind.«

Keith und ich waren nie Freunde gewesen, weder jetzt noch damals, aber ich glaubte, Toms irrtümliche Annahme verstehen zu können. Keith hatte einen Sommer lang bei meiner Familie gelebt. Und später hatten er und ich in Palm Springs zusammengearbeitet. Mir war es überhaupt nicht schwergefallen, ihn wegen seiner Verbrechen anzuzeigen. Tatsächlich hatte es mir sogar Spaß gemacht. Doch angesichts des erschütterten Ausdrucks auf Toms Gesicht wusste ich, dass ich besser den Mund halten sollte.

Ich schluckte. »Na ja. Unsere Arbeit ist wichtig, Sir.«

Er schenkte mir ein trauriges Lächeln. »Ja. Allerdings.«

Die Tür verfügte über ein Sicherheitsschloss mit Tastenfeld. Tom tippte ungefähr zehn Ziffern ein, dann klickte das Schloss. Er drückte die Tür auf, und ich folgte ihm hinein. In dem nüchternen, schwach erleuchteten Raum befanden sich bereits drei Personen, daher bemerkte ich zunächst nicht, was da sonst noch war. Ich wusste...