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Kinder brauchen Freunde - Soziale Fertigkeiten fördern (Leben Lernen, Bd. 229) - Gruppentherapie bei AD(H)S und anderen Verhaltensauffälligkeiten

Marion Schmitman Pothmann, Tanja Feichter, Sara Kress

 

Verlag Klett-Cotta, 2013

ISBN 9783608104004 , 230 Seiten

2. Auflage

Format ePUB

Kopierschutz Wasserzeichen

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27,99 EUR

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Teil A Theoretische Grundlagen


1. Wie gelingt soziales Miteinander?


Gute Freunde, ein stabiles soziales Netz oder eine Gemeinschaft, die auch durch Krisenzeiten trägt, sind Kennzeichen für gutes soziales Miteinander. Der Wunsch nach solch tragender Gemeinschaft verbindet nicht nur Kinder und Eltern, er zieht sich wie ein roter Faden durch die Lebenswege beinahe aller Menschen.

So eindeutig wünschenswert gelungenes Miteinander ist, so komplex und herausfordernd ist der Weg dahin. Viele Versuche, gute Freundschaften aufzubauen, führen nicht zum gewünschten und ersehnten Ziel.

Mit großem Interesse wird daher von verschiedensten Personengruppen die Frage nach einem gelingenden sozialen Miteinander gestellt und diskutiert. Kinder (und nicht nur diese) fragen sich, wie sie Freunde finden können. Eltern überlegen sich verzweifelt, wie sie ihrem Kind aus sozialer Isolation helfen können, Lehrerinnen und Lehrer, wie eine stabile Klassengemeinschaft entstehen kann. Politiker diskutieren, wie Jugendliche in die Gesellschaft integriert werden können. Noch lange könnte eine solche Liste fortgeführt werden. Sie zeigt, wie wichtig gesundes soziales Miteinander für jeden Einzelnen, aber auch für Familien oder Gruppen und letztendlich für die gesamte Gesellschaft ist.

Der wichtigste Schlüssel zur Beantwortung dieser Fragen liegt in gesunden sozialen Fertigkeiten. Ist ein Kind in der glücklichen Lage, über diese zu verfügen, so gelingt es in der Regel schon sehr früh, gute soziale Kontakte aufzubauen. Kinder finden Freunde, die mit ihnen durch »dick und dünn« gehen. Durch diese erfahren sie Bestätigung und Korrektur. In der Gemeinschaft fühlen sie sich gestärkt, lernen voneinander und entwickeln sich gemeinsam weiter. Gleichzeitig entstehen wohlwollende Beziehungen zu Erwachsenen, die Kinder erfahren Wertschätzung und Anerkennung. In dem Wissen, akzeptiert zu sein, wagen es die Kinder, sich Herausforderungen zu stellen, sie erhalten Feedback und Korrektur. Die Erfahrung, in der Gemeinschaft mit seinen Stärken und Schwächen nicht nur akzeptiert, sondern geliebt zu sein, ist guter Nährboden für die Entwicklung eines gesunden Selbstwertes. Kinder entdecken, was in ihnen steckt, und wachsen weit über sich hinaus.

In Anbetracht der vielen sozialen Konflikte klingen diese Ausführungen von gelungenem sozialen Miteinander beinahe wie eine Utopie! Aber es ist keine! Trotz der vielen Kinder und Jugendlichen (und auch Erwachsenen), bei denen Defizite im sozialen Miteinander im Vordergrund stehen, erlebe ich in der Arbeit mit Familien nicht wenige Kinder, die durch gesunde soziale Kontakte getragen sind. Dass hierin kaum zu ersetzende Ressourcen liegen, zeigt sich besonders, wenn diese Kinder in psychische Notsituationen geraten. Staunend kann man erleben, dass selbst schwere Schicksalsschläge, wie beispielsweise der Tod eines Elternteiles, mit dieser Ressource besser bewältigt werden.

Niebank und Petermann (2002) stellen soziale Fertigkeiten als Schutzfaktor vor psychosozialen Krisen oder psychischen Erkrankungen dar. Kinder mit gesunden sozialen Fertigkeiten werden nicht nur schneller wieder gesund, sondern auch seltener krank. Ihre Entwicklung verläuft in der Regel ungestörter. Studien zeigen beispielsweise, dass hingegen Jugendliche mit schwachen sozialen Fertigkeiten mit höherer Wahrscheinlichkeit drogenabhängig werden (Greene et al., 1999), von der Schule ausgeschlossen werden oder einen kriminellen Lebensweg einschlagen. Die Entwicklung und Aufrechterhaltung von psychischen Störungen im Kindes- und Jugendalter wird begünstigt (Petermann & Groen, 2006).

Kindern zu gesundem sozialen Miteinander zu verhelfen, stellt somit geradezu eine Pflicht für alle dar, die in der Verantwortung für Kinder und Jugendliche stehen. In der Förderung von sozialen Fertigkeiten liegt nicht nur die Chance, Kindern aus der Not der Einsamkeit zu helfen und somit auch deren Familien deutlich zu entlasten, sondern sie stellt auch eine sehr effektive Form dar, der Entwicklung psychischer Störungen entgegenzuwirken.

Dass die Vermittlung sozialer Fertigkeiten eine sehr zufriedenstellende und schöne Aufgabe ist, liegt sicherlich daran, dass die Kinder selber Freude daran haben, in diesem Bereich Fortschritte zu erzielen. Oftmals sind recht schnell bereits kleine Veränderungen zu beobachten. Diese Erfahrung spiegelt sich in Studienergebnissen wider, die zeigen, dass beispielsweise durch soziale Kompetenztrainings deutliche Effekte erzielt werden können. Es wird allerdings auch deutlich, dass die Effekte sehr stark von der Art der Interventionen abhängen und nicht alle Therapieansätze gleichermaßen wirkungsvoll sind.

Damit die Förderung für die Kinder den gewünschten Erfolg bringt und es für die Therapeutin oder den Therapeuten tatsächlich eine befriedigende und schöne Aufgabe wird, ist eine gezielte und effektive Planung der Förderung notwendig. Um dies leisten zu können, ist detailliertes Wissen über die verschiedenen Aspekte sozialer Fertigkeiten und deren Entwicklung erforderlich, ebenso die Kenntnis von theoretischen Erklärungsansätzen. Das soll durch die folgenden Kapitel vermittelt werden.

1.1 Grundlagen: Soziale Fertigkeiten


Hinter dem Begriff soziale Fertigkeiten verbirgt sich ein breite Anzahl verschiedenster Verhaltensweisen, Fähigkeiten und Fertigkeiten, die zusammengefasst als soziale Kompetenz eines Menschen bezeichnet werden. Eine einheitliche Definition von sozialer Kompetenz und sozialen Fertigkeiten zu finden, ist ein hoffnungsloses Unterfangen, was sicher an der Vielseitigkeit dieser Konzepte liegt. Wie sieht sozial kompetentes Verhalten aus? Ein und dasselbe Verhalten eines Menschen kann in einer Situation äußerst sozial kompetent sein, während es in anderen Situationen völlig unangemessen erscheint. So ist es beispielsweise sozial kompetent, wenn ein Kind in einer Kirche mit leiser Stimme spricht. Geht es aber in der Schule darum, ein Referat zu halten, ist eine leise Stimme ein Anzeichen für mangelnde soziale Kompetenz.

Das vorliegende Verständnis von sozialer Kompetenz orientiert sich an Kanning (2002), der sozial kompetentes Verhalten als Verhalten definiert, das in einer spezifischen Situation dazu beiträgt, die eigenen Ziele zu verwirklichen, wobei gleichzeitig die soziale Akzeptanz des Verhaltens gewahrt wird.

Sozial kompetentes Verhalten beinhaltet also immer mindestens zwei Aspekte: eigenes und fremdes. Als sozial kompetent gilt ein Verhalten erst dann, wenn es einem Menschen gelingt, in ausgewogenem Maße eigene Bedürfnisse und Ziele sowie die von seinen Mitmenschen bzw. der Umgebung zu berücksichtigen.

Unter sozialen Fertigkeiten werden all diejenigen Verhaltensweisen und Fähigkeiten zusammengefasst, die ein Kind benötigt, um sich sozial kompetent zu verhalten. Hierzu gehören die Fähigkeiten, sich und andere gut wahrzunehmen, eigene Gefühle zu steuern, Konflikte lösen zu können, mit anderen gut zu kommunizieren, sich pro-sozial zu verhalten und vieles mehr. Kanning (2003) durchsuchte Fachliteratur nach Beschreibungen von sozialen Fertigkeiten und fand ca. 100 verschiedene Aspekte.

Caldarella und Merrel (1997) fassten verschiedene Aspekte nach umfassender Sichtung der Literatur in fünf Dimensionen zusammen.

Fünf Dimensionen sozialer Fertigkeiten nach Caldarella & Merrel, 1997

Welche dieser Fertigkeiten und Fähigkeiten gefördert werden sollten und in welcher Reihenfolge dies bestenfalls geschehen könnte, lässt sich aus den theoretischen Ansätzen ableiten, die die Entwicklung sozial kompetenten Verhaltens beschreiben.

1.2 Entstehung sozialer Fertigkeiten


Zur Erklärung, wie soziale Fertigkeiten in der gesunden Entwicklung entstehen, existieren viele unterschiedliche theoretische Ansätze, die sich leider nicht zu einer einzigen vorherrschenden Theorie vereinen lassen. Viele dieser Ansätze sind allerdings eher spekulativer Natur und nicht wissenschaftlich fundiert. Eine Ausnahme stellt die Theorie zur sozial-kognitiven Informationsverarbeitung von Crick und Dodge (1994) dar. Diese wurde vielfach wissenschaftlich überprüft und ist weltweit anerkannt. Die aufgrund des kognitiven Ansatzes zu gering berücksichtigten emotionalen Aspekte lassen sich im Nachhinein gut integrieren. Neben der Beschreibung der gesunden Entwicklung sozialer Fertigkeiten lassen sich Erklärungen ableiten, wie es zu fehlerhafter Entwicklung kommen kann. Es können konkrete Punkte identifiziert werden, an denen die Förderung sinnvollerweise ansetzen sollte.

1.2.1 Theorie zur sozial-kognitiven Informationsverarbeitung

Bei der Theorie zur sozial-kognitiven Informationsverarbeitung handelt es sich um ein Stufenmodell. Es werden sechs Schritte beschrieben, die zwischen dem ersten Schritt der Wahrnehmung einer sozialen Situation und dem konkreten Verhalten der Person nacheinander vonstatten gehen und zur Entstehung sozial kompetenter Verhaltensweisen beitragen. Es wird davon ausgegangen, dass diese Verarbeitungsschritte größtenteils unbewusst, mit sehr hoher Geschwindigkeit nacheinander durchlaufen werden.

In Anbetracht der Tatsache, dass unendlich viele dieser Prozesse gleichzeitig ablaufen, wird deutlich, dass die Verarbeitung sozialer Informationen äußerst komplex ist und große Herausforderungen mit sich bringt. Somit wird deutlich, dass die Entwicklung auch äußerst störanfällig ist.

Die folgende Abbildung soll einen ersten Überblick über die Verarbeitungsschritte geben, bevor auf diese detaillierter eingegangen...