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Das Individuum im Widerspruch - Zur Theoriegeschichte des modernen Individualismus.

Hans-Ernst Schiller

 

Verlag Frank & Timme, 2006

ISBN 9783865960894 , 362 Seiten

Format PDF, OL

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2.Kapitel Individuelles und transzendentales Ich bei Fichte (S. 79-80)

„Wer bin ich denn eigentlich, d.i. was für ein Individuum? Und welches ist der Grund, dass ich der bin? Ich antworte: ich bin von dem Augenblicke an, da ich zum Bewusstsein gekommen, derjenige, zu welchem ich mich mit Freiheit mache, und bin es darum, weil ich mich dazu mache." Fichtes Platz in der Theoriegeschichte des modernen Individuums – und in der Philosophiegeschichte überhaupt – ist durch die Idee gesichert, das transzendentale Ich, das Kant als den höchsten Vereinigungspunkt des Wissens ausgezeichnet hatte, zum Ausgangspunkt einer „Deduktion" zu nehmen, in der sich die Einheit der Vernunft unter dem Primat des Praktischen vollziehen sollte. Aber schon bevor diese Idee Fichte klar vor Augen getreten war, hatte er in seiner Rechtfertigung der französischen Revolution eine Theorie individueller Emanzipation entwickelt, die bereits Züge der späteren Philosophie aufweist und deren Widersprüche ahnen lässt.

Fichte geht es in seinem Beitrag zur Berichtigung der Urteile des Publikums über die Französische Revolution zunächst darum, die Rechtmäßigkeit einer Revolution, verstanden als Abänderung der Staatsverfassung, im allgemeinen zu prüfen. Dazu bedarf es eines Maßstabs, der nach Fichte nur im Ich des Denkenden selbst gefunden werden kann. Dies ist zunächst eine formelle Aussage, die den Anspruch auf die Selbständigkeit des eigenen Urteils eines jeden erhebt, und somit Manifestation dessen, was wir den moralischen Individualismus genannt haben.

Das individuelle Ich ist aber nicht nur das Prüfende, sondern zugleich auch der Prüfstein, insofern nämlich, als seine Freiheit „Endzweck jedes Einzelnen" ist. Dieser Freiheit dienen Bildung und Kultur, die selbsttätige Bearbeitung der inneren und äußeren Natur. Die Förderung der Kultur (als Tauglichmachung des Natürlichen zur Freiheit eines jeden), oder m.a.W. der Fortschritt, ist auch der Endzweck des Staates: „der Staat (muss) den höchsten Endzweck jedes einzelnen befördern." Nach diesem Maßstab ergibt sich mühelos, unter welchen Bedingungen eine Revolution gerechtfertigt ist.

„Dass, wenn wirklich Kultur zur Freiheit der einzige Endzweck der Staatsverbindung sein kann, alle Staatsverfassungen, die den völlig entgegen gesetzten Zweck der Sklaverei Aller, und der Freiheit eines Einzigen (...) zum Endzwecke haben, der Abänderung nicht nur fähig seien, sondern auch wirklich abgeändert werden müssen, ist nun erwiesen (...)."

Neben dieser material-praktischen gibt es im Beitrag auch eine formale, vertragstheoretische Begründung für die Auflösbarkeit jeder Staatsverfassung. Fichte meint, dass jeder Verrag widerrufbar sei und kein Wille sich auf seine Unabänderlichkeit festlegen könne. Dies gilt natürlich auch für den „Bürgervertrag", mit dem sich einzelne zu einem Staat zusammenschließen. Aus dem Recht jedes Einzelnen, aus dem Staat gleichsam „auszutreten", folgt das kollektive Recht mehrerer zu einer Revolution. Weder verliere der Einzelne sein Recht zum Aufenthalt auf einem bestimmten Gebiet noch sein Eigentum, das nicht erst durch den Staat verliehen werde, sondern welches– ganz im Geiste Lockes – auf seiner Tätigkeit und dem Eigentum an sich selbst beruht. Menschenrechte, zu denen das Eigentum in diesem Sinne gehört, sind völlig unabhängig vom Bürgervertrag – und müssen folglich, wie Fichte explizit erwähnt, auch für die Juden gelten, denen er das Bürgerrecht abzuerkennen empfiehlt. Zur generell staatskritischen Einstellung des jungen Fichte passt im übrigen auch seine Idee vom Absterben des Staates, das in Abhängigkeit von einer fortschreitenden, freilich nie abschließbaren Moralisierung der Individuen gedacht wird.