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Akute und therapieresistente Depressionen - Pharmakotherapie - Psychotherapie - Innovationen

Michael Bauer, Anne Berghöfer, Mazda Adli

 

Verlag Springer-Verlag, 2005

ISBN 9783540280491 , 600 Seiten

2. Auflage

Format PDF, OL

Kopierschutz Wasserzeichen

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109,99 EUR

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27 Elektrokrampftherapie (H.W. Folkerts, D.Eser, T.C. Baghai) (S. 348-349)

Das Hauptindikationsgebiet der Elektrokrampftherapie (auch Elektrokonvulsionstherapie, im Folgenden kurz »EKT« genannt) sind sog. therapieresistente (pharmakotherapieresistente) Depressionen. Die Wirksamkeit der EKT bei pharmakotherapieresistenten Depressionen liegt zwischen 50 und 75% in Abhängigkeit vom Grad der Therapieresistenz. Sie nimmt – im Gegensatz zu anderen Behandlungsformen – mit steigendem Alter nicht ab. Durch eine individuelle auf den einzelnen Patienten bezogene Durchführung der EKT kann die Wirksamkeit verbessert und die Verträglichkeit gesteigert werden. Nach Beendigung der EKT-Serie bedarf es einer (medikamentösen) Erhaltungstherapie, wobei in vielen Fällen Kombinationen zwischen Antidepressiva und sog. Mood-Stabilizern erforderlich sind. Bei einzelnen Patienten besteht auch die Indikation zu einer Erhaltungs-EKT-Serie (in Kombination mit Pharmakotherapie).

27.1 Behandlungshäufigkeit

Die EKT hat in den letzten Jahren international sowie auch national wieder an klinischer Bedeutung gewonnen (Fink 2001a). So stieg die Anzahl der in den USA behandelten Patienten von ca. 33.000 im Jahr 1980 auf ca. 100.000 Patienten im Jahr 2000. In Deutschland war ebenfalls eine leichte Zunahme des EKT-Einsatzes zwischen 1992 und 1994 (von 895 auf 1050, im Mittel wurden 985 Patienten pro Jahr behandelt) zu verzeichnen Müller et al. 1998).

Die gleiche Beobachtung konnte an der Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie der Universität München gemacht werden. In den Jahren 1995 bis 2002 fand eine Verdoppelung der mit einer EKT behandelten Patientenzahlen statt, hierbei ist allerdings die selektivere Zuweisung von Patienten aus Krankenhäusern der Region zu berücksichtigen. Im Jahr 2002 wurden z. B. 4,34% aller stationären psychiatrischen Patienten mit einer EKT behandelt, eine Rate, die allerdings immer noch deutlich unter der in nordeuropäischen Ländern berichteten liegt.

In Österreich wird die EKT ebenfalls seltener eingesetzt. An der Wiener Universitätsklinik erhielten 2,87% der stationären Patienten zwischen 1994 und 1995 eine EKT (Tauscher et al. 1997; Frey et al. 2001b).

Genaue Zahlen für ganz Deutschland sind nicht bekannt. Die Anzahl der in Deutschland mit EKT behandelten Patienten dürfte aber ebenfalls leicht gestiegen sein; die Anzahl wird vorsichtig mit ca. 1500–2000 Patienten/Jahr geschätzt. Die Gründe für den Anstieg der mit EKT behandelten Patienten sind vielfältig. Ein wichtiger Aspekt diesbezüglich ist, dass es trotz aller Fortschritte der Pharmakotherapie als auch der Psychotherapie nach wie vor einen, wenn auch begrenzten, Anteil an Patienten gibt, die von den bekannten übrigen Therapiemaßnahmen nicht profitieren und bei denen die Elektrokrampftherapie dann dringlich zu erwägen ist. Die EKT stellt bei richtiger Indikation die am schnellsten und häufigsten wirksame Therapieform dar; dies gilt in besonderem Maße für therapieresistente, vor allem pharmakotherapieresistente Depressionen (Folkerts 1999, 2000; American Psychiatric Association 2001; Abrams 2002a).

27.2 Wirkmechanismen

Eine umfassende Erklärung der Wirkmechanismen der EKT ist bei heutigem Wissenstand nach wie vor nicht möglich und daher Gegenstand intensiver Forschung (Fink 2001a; Wahlund u. von Rosen 2003; Scharfetter et al. 2004). Dies ist jedoch nicht verwunderlich, wenn man bedenkt, dass es bisher kein umfassendes neurobiologisches Erklärungsmodell der depressiven, manischen und katatonen Syndrome gibt. Es wurden allerdings zahlreiche Modelle zum antidepressiven und antikatatonen Wirkmechanismus der EKT entwickelt.

Gesichert ist die Modulation der Neurotransmitterfreisetzung von Dopamin, Serotonin und Noradrenalin durch EKT (Fochtmann 1994; Wahlund u. von Rosen 2003). Zudem kommt es zu Veränderungen von Rezeptoren der Neurotransmitter (â-Rezeptoren 5-HT2-Rezeptoren, 5-HT1A-Rezeptoren, NMDA-Rezeptoren) (Newman et al. 1998; Rosen et al. 2003). Allerdings sind die bisher publizierten Befunde teilweise widersprüchlich. Es gab z. B. Berichte sowohl über eine erhöhte (Mann 1998; Newmann et al. 1998) als auch über eine verminderte Aktivität der präsynaptischen 5- HT1A-Rezeptoren nach EKT (Gur et al. 2002). Neuere Befunde im Tiermodell weisen auch auf eine Erhöhung der Aktivität von 5-HT3-Rezeptoren nach einer EKT-Behandlung hin (Ishihara u. Sasa 2001).

Es gibt Hinweise, dass EKT den im Rahmen der Depression gestörten kortikalen Glutamat- Glutamin-Metabolismus normalisiert (Pfeiderer et al. 2003). Beschrieben ist eine Zunahme von neurotrophen Faktoren: brain derived neurotrophic factor (BDNF), neurotrophin-3 (NT-3), nerv growth factor (NGF), glial cell derived neurotrophic factor (GDNF), broblast growth factor 2 (FGF2). Tierexperimentell konnte ähnlich wie nach einer antidepressiven Pharmakotherapie auch nach einer EKT-Serie als Zeichen einer vermehrten Proteinproduktion eine Induktion der Messenger-Ribonukleinsäure (mRNA) für BDNF (Nibuya et al. 1995) sowie für NGF und FGF2 vor allem im frontalen Kortex gezeigt werden (Kondratyev et al. 2001). Zusätzlich wurden Veränderungen im Bereich der Gene bzw. der Transkriptionsfaktoren (Altar et al. 2004) beschrieben. Weiterhin gibt es aus den letzten Jahren neue Erkenntnisse zur Neuroplastizität im Hippocampus mit einer Moosfasersprossung und Befunden zur Neurogenese (»Geburt neuer Neurone«). Insbesondere diese Befunde verdienen Beachtung. Falls es sich bestätigen würde, dass durch EKT (nicht aber durch andere Behandlungen wie durch Psychopharmaka) neue Neurone entstehen, wäre dies von besonderer Bedeutung.

Auch konnte mit SPECT-Untersuchungen (Single-Photon-Emissions-Computertomographie) festgestellt werden, dass die Blutperfusion (CBF, cerebral blood flow) im rechten Temporallappen und beidseits im parietalen Kortex nach EKT bei Patienten mit majorer Depression zunahm (Mervaala et al. 2001). Es wurde gezeigt, dass der CBF nach einem generalisierten Anfall zunächst ansteigt; die Erhöhung der Krampfschwelle ist dann jedoch mit einer Erniedrigung des zerebralen Blutflusses assoziiert (Duncan 1992). Vor allem bei unilateraler Stimulusapplikation rechts wurde der Therapieerfolg der EKT mit dem Ausmaß der Änderung der Krampfschwelle im Verlauf der EKT-Serie assoziiert (Sackeim 1999). Dieser antikonvulsive Effekt der EKT wird auf die Erhöhung der GABAergen Neurotransmission zurückgeführt.

Eine reduzierte kortikale GABA-Konzentration bei depressiven Patienten konnte durch EKT erhöht werden (Mervaala et al. 2001; Sanacora et al. 2003). Nicht der Krampfanfall selbst, sondern die postiktale Suppression bzw. die inhibitorische Gegenregulation des Gehirns spielt möglicherweise für die therapeutische Wirkung der EKT mit eine Rolle.

Schließlich ist auch der Einfluss der EKT auf verschiedene Hormonsysteme, z. B. auf die Hypothalamus- Hypophysen-Nebennieren-(HPA-)Achse, und der Zusammenhang zum therapeutischen Ansprechen noch nicht abschließend geklärt. Durch eine EKT werden zunächst akut die ACTH- und Kortisolsekretion erhöht, im weiteren Verlauf einer Behandlungsserie kommt es dann aber zu einer Downregulierung der HPA-Achse.

Eine umfangreiche Darstellung des aktuellen Wissensstands ist bei Scharfetter et al. (2004) zu finden. Eine abschließende Bewertung, welche der oben genannten Wirkprinzipien (einzeln oder auch in Kombination miteinander) tatsächlich für die nachweisbare Wirkung der EKT von Bedeutung sind, steht aber noch aus.