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Klärungsorientierte Psychotherapie der dependenten Persönlichkeitsstörung

Rainer Sachse, Janine Breil, Meike Sachse, Jana Fasbender

 

Verlag Hogrefe Verlag GmbH & Co. KG, 2013

ISBN 9783840925153 , 114 Seiten

Format PDF, OL

Kopierschutz Wasserzeichen

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19,99 EUR


 

Verschiedene Autoren gehen davon aus, dass sich wiederholende Erfahrungen, sowohl kognitiv als auch affektiv verarbeitet werden, und die Schlussfolgerungen aus diesen Erfahrungen in kognitiven und affektiven Schemata gespeichert werden (Barnard, 1985; Barnard & Teasdale, 1991; Teasdale, 1993, 1996, 1997, 1999; Teasdale & Barnard, 1993; Perrig et al., 1993). Affektive Schemata sind damit Verdichtungen affektiver Erfahrungen und bilden sich wie kognitive Schemata in der Biographie. Da kognitive und affektive Verarbeitungsprozesse parallel ablaufen, kann angenommen werden, dass Erfahrungen meist zu Mischschemata führen, die sowohl kognitive als auch affektive Anteile enthalten.

Nach Teasdale (1999) erfolgen die affektiven Verarbeitungen eher implizit (dem Bewusstsein schwer zugänglich) und holistisch. Die Aktivierung affektiver Schemata oder affektiver Schemaanteile führt zu Affekten, wie zu einem diffusen Gefühl, z.B. dass etwas nicht stimmt, und zu körperlichen Reaktionen wie Spannung im Nacken, Druck auf der Brust, u.ä. Die Person hat subjektiv den Eindruck, dass diese Stimmungen und körperlichen Reaktionen etwas bedeuten. Dementsprechend scheinen Affekte mit dem identisch zu sein, was Gendlin (1981) als „felt sense“ bezeichnet.

Affekte kommen also durch die Aktivierung idiosynkratischer, affektiver Schemata zustande und erfordern keine kognitiven Analysen. Sie müssen von Emotionen wie Wut, Trauer, Freude o.ä., deren Anzahl begrenzt und die klar voneinander abgrenzbar und benennbar sind, unterschieden werden. Während Emotionen auf komplexe, sukzessive Verarbeitungsprozesse zurückgehen und diese Verarbeitungsprozesse für jede Emotion grob festgelegt sind, gibt es für Affekte keine Taxonomie und ihre Anzahl ist potenziell unbegrenzt. Da affektive Schemata und affektive Schemaanteile in einem anderen Repräsentations-Code vorliegen als kognitive Schemata, können Personen diese nicht valide repräsentieren. Entsprechend können sie nicht durch neue Erfahrungen, die in einem kognitiven Code gespeichert sind, verändert werden. Dies verkompliziert die Bearbeitung dieser Schemata bzw. Schemaanteile.

3.2.2 Beziehungsschemata

Ein zentrales Beziehungsschema von Personen mit dependenter Persönlichkeitsstörung lautet: Beziehungen sind nicht verlässlich! Die Person ist davon überzeugt, dass Beziehungen jederzeit aufgekündigt werden können und dass sie plötzlich, ohne Warnung verlassen werden kann, sodass sie sich nicht darauf vorbereiten und auch nicht mehr rechtzeitig etwas dagegen unternehmen kann. Die Person glaubt auch, dass Beziehungen nicht belastbar sind, sodass Streitigkeiten, Konflikte, Meinungsverschiedenheiten bereits dazu führen können, dass der Partner die Beziehung verlässt. Die Schemata lauten somit:
• Beziehungen sind nicht verlässlich.
• Beziehungen sind nicht belastbar.
• Du kannst jederzeit (und ohne Warnung) verlassen werden.
• Du kannst nichts dagegen tun.
• Konflikte gefährden die Beziehung.

Unserer Erfahrung nach sind die auf der zweiten Schema-Ebene befürchteten Konsequenzen im Kern Verlassen sein und Einsamkeit: „Wenn ich verlassen werde, dann bin ich einsam und vernichtet.“ Das Gefühl ist so, als würde man mitten im All zwischen zwei Galaxien ausgesetzt; man fühlt sich nicht nur allein, man fühlt sich vollständig verloren. Alleinsein wird als Katastrophe empfunden, weil diese Schemata mit den negativen Affekten aktiviert werden. Dies ist der Hintergrund und nicht der objektive Tatbestand, allein zu sein.

Diese Annahmen haben bestimmte Implikationen, welche das Erleben und Verhalten der Person beeinflussen. Zum einen entwickelt sich auch bei länger bestehenden Beziehungen im Kern kein Gefühl, dass die Beziehung stabiler wird. Personen mit dependenter Struktur erleben nicht, dass sie mit der Fortentwicklung des Beziehungsstandes eine Art Sicherheitspuffer haben. Selbstverständlich kann jede Beziehung in die Brüche gehen, aber ohne die genannten Überzeugungen entwickelt eine Person ein Gefühl für den Stand der Beziehung und fühlt sich sicherer, je länger die Beziehung besteht und je besser es gerade in der Beziehung läuft. Dieses Gefühl kann dependenten Personen fehlen. Oder sie haben den Eindruck, sich nicht auf das eigene Gefühl verlassen zu können.

Hinzu kommt die Überzeugung, sich keinen dauerhaften Kredit erarbeiten zu können. Alles, was man für den Partner tut, reicht um das aktuelle, zu diesem Zeitpunkt drohende Verlassen werden, zu vermeiden, es führt aber nicht dazu, dass das Beziehungskonto einen positiven Stand aufweist.

Die zweite Annahme ist: Beziehungen sind nicht solidarisch!

Die Person glaubt, dass Partner nicht da sind, wenn man sie braucht, man kann sich nicht einfach darauf verlassen, dass man Unterstützung bekommt, wenn man sie benötigt. Die Schemata lauten:
• Wenn ich Hilfe brauche, bekomme ich keine.
• Ich erhalte keinen Schutz.
• Ich bin auf mich allein gestellt.
• Keiner ist auf meiner Seite.
• Keiner kümmert sich um mich.

3.3 Spielebene

3.3.1 Kompensatorische Schemata

Die dependenten Klienten bilden kompensatorische Schemata aus, weil sie davon ausgehen, dass sie als Person keine Verlässlichkeit und keine Solidarität erhalten und somit annehmen, dass sie dies durch eigenes Handeln herstellen müssen. Die kompensatorischen Schemata (vgl. Sachse, Breil & Fasbender, 2009; Sachse, Fasbender & Breil, 2009; Sachse, Sachse & Fasbender, 2010) umfassen:
• Normative Schemata: Diese geben an, was die Person tun sollte oder muss bzw. nicht tun darf und spezifizieren damit Richtlinien für eigenes Handeln.
• Regel-Schemata: Diese definieren, was eine Person von anderen Personen erwartet.

Kompensatorische Schemata definieren damit gleichzeitig interaktionelle Ziele, die erreicht werden sollen. 3.3.1.1 Normative Schemata

Die normativen Schemata von Klienten mit dependenter Persönlichkeitsstörung beziehen sich vor allem auf Aspekte, die dazu dienen, die Verlässlichkeit von Beziehungen zu erhöhen, Beziehungen nicht zu gefährden und sich Unterstützung zu sichern. Die dabei verfolgten, übergreifenden, interaktionellen Ziele sind:
1. „Vermeide um jeden Preis, verlassen und allein gelassen zu werden!“
2. „Binde den Partner so fest wie möglich an Dich!“
3. „Bring den Partner dazu, ständig für Dich da zu sein, an Deiner Seite zu sein!“

Es bilden sich so Schemata wie:
• Vermeide auf jeden Fall Konflikte und Auseinandersetzungen!
• Ordne Dich Deinem Partner unter!
• Versuche, es Deinem Partner immer Recht zu machen!
• Tu nichts, was Deinen Partner verärgert!
• Wichtig ist, was der Partner will, Deine Bedürfnisse spielen keine Rolle!
• Sei absolut solidarisch mit Deinem Partner!
• Sei solidarisch, dann sind andere auch solidarisch! Manchmal gibt es auch Schemata wie:
• Grenz Dich nicht ab!
• Verteidige Dein Territorium nicht!

3.3.1.2 Regel-Schemata

Klienten mit dependenter Persönlichkeitsstörung weisen kaum Regel-Schemata auf, da das Setzen und Durchsetzen von Regeln sehr stark mit Konflikten und Auseinandersetzungen verbunden ist, was die Klienten stark vermeiden. Allerdings haben die Klienten meist zwei eher implizite Erwartungen:
1. Die Erwartung, dass eine Beziehung verlässlicher wird, wenn man sich dem Partner unterordnet.
2. Die Erwartung, dass ein Partner solidarisch ist, wenn man sich selbst solida risch verhält.

Aus diesen Erwartungen können sich manchmal Regeln ergeben:
• Ich erwarte 100% Verlässlichkeit.
• Ich erwarte unzerbrechliche Treue.
• Mein Partner darf die Beziehung nie infrage stellen.

Aus der Enttäuschung dieser impliziten Erwartungen kann dann auch Ärger entstehen, wenn Partner sich nicht solidarisch verhalten oder die Beziehung infrage stellt. Meist reagieren dependente Klienten jedoch höchstens enttäuscht und dann eher mit Angst oder Traurigkeit. Dies weist daraufhin, dass sich keine Regeln im eigentlichen Sinne ausgebildet haben. Es zeigt sich, dass der Kern der normativen Schemata nicht Altruismus ist, was die Klienten aber meist von sich glauben und was sie auch explizit behaupten, sondern dass es um ein „quid pro quo“ geht: „Tue ich das alles für Dich, dann bleibst Du bei mir und an meiner Seite.“