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Bloodlines - Magisches Erbe

Richelle Mead

 

Verlag LYX, 2013

ISBN 9783802591464 , 400 Seiten

Format ePUB

Kopierschutz Wasserzeichen

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11,99 EUR

Für Firmen: Nutzung über Internet und Intranet (ab 2 Exemplaren) freigegeben

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Kapitel 1


Es war nicht das erste Mal, dass man mich wegen einer wichtigen Mission aus dem Bett gezerrt hatte. Allerdings war es das erste Mal, dass man mich einer derart persönlichen Befragung unterzog.

»Sind Sie noch Jungfrau?«

»Was?« Ich rieb mir verschlafen die Augen, nur für den Fall, dass alles eine Art bizarrer Traum war und gleich verschwinden würde. Ein dringender Anruf hatte mich vor fünf Minuten aus dem Bett geholt, und jetzt hatte ich etwas Mühe, mich zurechtzufinden.

Ms Terwilliger, meine Geschichtslehrerin, beugte sich näher zu mir heran und wiederholte die Frage mit einem eindringlichen Flüstern: »Ich wollte wissen, ob Sie noch Jungfrau sind.«

»Ähm, ja …«

Ich war jetzt hellwach und sah mich ängstlich in der Lobby meines Wohnheims um, ob auch niemand diesen verrückten Wortwechsel mithören konnte. Doch ich brauchte mir keine Sorgen zu machen. Abgesehen von einer gelangweilt wirkenden Schülerin am Empfang auf der anderen Seite des Raumes war die Lobby leer, wahrscheinlich weil kein normaler Mensch zu dieser nachtschlafenden Zeit auf sein würde. Als mich Ms Terwilligers Anruf geweckt hatte, hatte sie verlangt, dass ich mich wegen einer Sache auf »Leben und Tod« hier mit ihr traf. Über mein Privatleben verhört zu werden war allerdings nicht ganz das gewesen, was ich erwartet hatte.

Sie trat zurück und seufzte erleichtert auf. »Ja, natürlich. Natürlich sind Sie noch Jungfrau.«

Ich zog die Augenbrauen zusammen, unsicher, ob ich jetzt gekränkt sein sollte oder nicht. »Natürlich? Was soll das heißen? Was ist eigentlich los?«

Sie nahm sofort wieder Haltung an und schob sich das (ständig herunterrutschende) Drahtgestell auf der bebrillten Nase nach oben. »Keine Zeit für Erklärungen. Wir müssen gehen.« Sie packte mich am Arm, aber ich widersetzte mich und blieb, wo ich war.

»Ma’am, es ist drei Uhr morgens!« Und nur damit sie den Ernst der Situation verstand, fügte ich noch hinzu: »An einem Schultag.«

»Das ist unwichtig.« Sie drehte sich zu dem Mädchen am Empfang um und rief durch den Raum: »Ich nehme Sydney Melrose mit. Mrs Weathers kann sich morgen mit mir über die Sperrstunde streiten.«

Die Mitarbeiterin wirkte verblüfft, aber es war nur eine College­schülerin, die dafür engagiert worden war, über Nacht dort zu sitzen. Sie war der Respekt einflößenden Ms Terwilliger mit ihrer hochgewachsenen Gestalt und dem vogelähnlichen Gesicht nicht gewachsen. Die eigentliche Autorität, die die Mädchen in meinem Wohnheim hielt, war der Sicherheitsposten draußen, aber der nickte nur freundlich, als Ms Terwilliger mich vorbeischleifte. Ich fragte mich, wie viele Mädchen sie wohl schon auf diese Weise mitten in der Nacht verschleppt hatte.

»Ich bin noch im Schlafanzug«, erklärte ich ihr. Es war allerdings der letzte Protest, den ich erheben konnte, als wir ihr Auto erreichten, das auf der Feuerwehrzufahrt parkte. Sie fuhr einen roten VW-Käfer, der an den Seiten mit Blumen bemalt war. Irgendwie überraschte mich das überhaupt nicht.

»Ihnen passiert nichts«, sagte sie und fischte ihre Autoschlüssel aus einer großen Samthandtasche.

Die Wüstennacht ringsum war kühl und still. Hohe Palmen bildeten dunkle, spinnenartige Formen, die sich vor dem Himmel abzeichneten. Dahinter leuchteten ein Vollmond und ein paar Sterne. Ich schlang die Arme um mich und berührte den weichen Stoff meines Mikrofleece-Morgenmantels. Darunter trug ich einen gestreiften Schlafanzug und dazu flauschige, beigefarbene Pantoffeln. Diese Kombination war in meinem gemütlichen Wohnheimzimmer zwar durchaus tragbar, für eine Nacht in Palm Springs jedoch nicht gerade praktisch. Andererseits war Ausgehen im Schlafanzug nirgendwo wirklich praktisch.

Sie schloss den Wagen auf, ich stieg vorsichtig ein und suchte mir zwischen leeren Papierkaffeebechern und alten Ausgaben von Utne Reader ein freies Plätzchen. Meine Ordnungsliebe wand sich bei dieser Art von Chaos, aber das war im Augenblick noch meine geringste Sorge.

»Ms Terwilliger«, sagte ich, sobald wir durch die Vorstadtstraßen fuhren. »Was ist los?« Jetzt, da wir nicht mehr im Wohnheim waren, hoffte ich, dass sie vernünftig reden würde. Ich hatte ihren »Auf-Leben-und-Tod«-Kommentar keineswegs vergessen und wurde allmählich nervös.

Sie hielt den Blick auf die Straße vor uns gerichtet, während Sorgenfalten ihr kantiges Gesicht zeichneten. »Sie müssen einen Zauber weben.«

Ich erstarrte, während ich ihre Worte verdaute. Vor nicht allzu langer Zeit hätte diese Ankündigung bei mir zu Protest und Ekelanfällen geführt. Nicht dass ich mich jetzt besonders wohl dabei fühlte. Magie ließ mich immer noch ausflippen. Ms Terwilliger unterrichtete tagsüber an meiner privaten Highschool, Amberwood Prep, und war nachts eine Hexe. Sie sagte, dass auch ich eine natürliche Neigung zur Magie besäße, und sie hatte es trotz heftiger Gegenwehr geschafft, mir einige Zauber beizubringen. Ich hatte sogar gute Gründe, alles Geheimnisvolle zu meiden. Abgesehen von der angeborenen Vorstellung, dass Magie falsch war, wollte ich einfach nicht in noch mehr übernatürliche Angelegenheiten verstrickt werden, als unbedingt nötig war. Schließlich verbrachte ich meine Tage bereits als Mitglied einer Geheimgesellschaft, die Vampire vor der Welt der Menschen verbarg. Damit – und mit den Schulaufgaben – war ich völlig ausgelastet.

Nichtsdestotrotz hatte mich ihre magische Ausbildung in jüngster Zeit aus so mancher gefährlichen Lage befreit, und ich tat Magie längst nicht mehr so vorschnell ab. Daher war ihr Vorschlag, dass ich Magie wirken solle, nicht einmal das Merkwürdigste, was hier vor sich ging.

»Warum brauchen Sie mich dazu?«, fragte ich. Es waren nur wenige Autos unterwegs, aber hin und wieder warfen ihre Scheinwerfer im Vorbeifahren ein geisterhaftes Licht auf uns. »Sie sind doch eine Million Mal mächtiger als ich. Ich kann nur einen Bruchteil dessen zaubern, zu was Sie in der Lage sind.«

»Macht ist die eine Sache«, gab sie zu. »Aber hier sind andere Einschränkungen und Faktoren am Werk. Ich kann diesen speziellen Zauber nicht weben.«

Ich verschränkte die Arme vor der Brust und ließ mich in dem Sitz zurückfallen. Wenn ich mich weiter auf die praktischen Aspekte konzentrierte, konnte ich meine wachsende Besorgnis ignorieren. »Und es hätte nicht bis morgen früh warten können?«

»Nein«, sagte sie ernst. »Hätte es nicht.«

Etwas an ihrem Tonfall jagte mir kalte Schauer über den Rücken, und ich verstummte während der Weiterfahrt. Wir fuhren aus der Stadt und den Vororten in die Wildnis der echten Wüste. Je weiter wir uns von der Zivilisation entfernten, umso dunkler wurde es. Sobald wir die Autobahn verlassen hatten, waren keine Straßenlaternen oder Häuser mehr zu sehen. Stachlige Wüstensträucher bildeten dunkle Gestalten am Straßenrand, die mich an geduckte, sprungbereite Tiere erinnerten. Hier draußen ist niemand, dachte ich. Und in der Amberwood weiß auch keiner, dass du hier bist.

Ich rutschte unbehaglich hin und her, als ich mich an ihre Jungfrauen-Frage erinnerte. Wurde ich hier als Opfer in einem unheiligen Ritual gebraucht? Ich wünschte, ich hätte daran gedacht, mein Handy mitzunehmen – nicht dass ich meiner Organisation, den Alchemisten, hätte mitteilen können, dass ich so viel Zeit mit einer Benutzerin von Magie verbrachte. Und nicht nur irgendeiner Benutzerin von Magie, sondern einer, die mir beibrachte, selbst zu einer solchen zu werden. Besser das Risiko eingehen, geopfert zu werden, als sich dem Zorn der Alchemisten zu stellen.

Zwanzig Minuten später hielt Ms Terwilliger endlich am Rand einer staubigen, einspurigen Straße an, die ein direkter Weg ins Nirgendwo zu sein schien. Sie stieg aus und bedeutete mir, das Gleiche zu tun. Es war kälter als in der Amberwood. Ich schaute in den Nachthimmel hinauf, und mir stockte der Atem. Ohne die Lichter der Stadt strahlten die Sterne jetzt mit aller Macht. Ich konnte die Milchstraße sehen und dazu ein Dutzend Sternbilder, die dem bloßen Auge normalerweise verborgen waren.

»Die Sterne können Sie später noch bewundern«, sagte sie knapp. »Wir müssen uns beeilen, bevor der Mond zu weit über den Himmel zieht.«

Ein Mondlichtritual, eine kahle Wüste, Jungfrauenopfer … wo war ich da nur dummerweise wieder reingeraten? Ich ärgerte mich immer über die Art, wie mich Ms Terwilliger zur Magie drängte, aber ich hatte nie gedacht, dass sie eine Bedrohung darstellte. Jetzt machte ich mir Vorwürfe, dass ich so naiv gewesen war.

Sie warf sich eine Reisetasche über die Schulter und machte sich auf den Weg. Das Gelände hier war mit Felsen und kümmerlicher Vegetation bedeckt. Obwohl nur der Mond die Landschaft beleuchtete, schritt sie entschlossen aus, als wisse sie genau, wo sie hinging. Ich folgte ihr pflichtschuldigst, merkte aber sofort, dass meine Flauschpantoffeln nicht gerade für den steinigen Boden gedacht waren.

»Da«, sagte sie, als wir an eine kleine freie Stelle kamen. Behutsam setzte sie die Reisetasche ab und kniete sich hin, um darin zu stöbern. »Hier könnte es gehen.«

Die Wüste, die tagsüber so unbarmherzig heiß war, wurde nachts erbärmlich kalt. Ich band mir den Morgenmantel fester zu und machte einen vollendeten Knoten. Ich fand diese Art von Detail und Routine beruhigend.

Ms Terwilliger förderte einen großen, ovalen Spiegel mit einem gewellten Silberrahmen zutage. Sie legte ihn in die Mitte des Platzes, blickte zum Himmel und verschob den Spiegel dann ein wenig. »Kommen Sie her, Miss...