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Borderline-Störung. Wie mir die dialektisch-behaviorale Therapie geholfen hat
Christoph Kröger, Christine Unckel
Verlag Hogrefe Verlag GmbH & Co. KG, 2006
ISBN 9783840920219 , 178 Seiten
Format PDF
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2 Theorien zur Erklärung der Borderline-Störung (S. 26-27)
Christine Unckel & Christoph Kröger
Zurzeit gibt es kein „bewiesenes“ Modell, das alle Voraussetzungen und Umstände erfasst, die die Entstehung der Borderline-Störung erklären könnten. Die bislang aufgestellten Hypothesen kommen aus der tiefenpsychologischen und aus der verhaltenstherapeutisch-biologischen Schule. Beide Ansätze werden kurz dargestellt und erklärt.
2.1 Die traditionelle tiefenpsychologische oder psychoanalytische Theorie
Der traditionelle psychoanalytische Ansatz geht davon aus, dass Patienten mit Borderline-Störungen an einer so genannten „Frühen Störung“ leiden. Das heißt, Psychoanalytiker gehen davon aus, dass viele aktuelle Borderline-typischen Denkweisen eigentlich entwicklungspsychologisch früheren Lebensabschnitten zuzuordnen sind. Belastungen im zwischenmenschlichen Bereich, häufi g mit der Mutter oder einer anderen wichtigen Bezugsperson, hätten demnach dazu geführt, dass die psychische Reifungsentwicklung nur teilweise vollzogen wurde. Im Erwachsenenalter werden die Probleme deutlich. Unter Belastung (das kann Stress sein im Beruf, Auseinandersetzungen mit Freunden oder einfach Kontrollverlust) funktionieren die „erwachseneren“, das heißt „reiferen“ Anteile bei der Borderline-Patientin nicht mehr, und der Betroffenen bleibt nichts anderes übrig, als sich durch die Aktivierung frühkindlicher Denkmechanismen (zum Beispiel der strikten Trennung von „Gut“ und „Böse“) vor dem vollständigen Zusammenbruch zu schützen. Die Folge ist eine intensive Abhängigkeit von äußeren Bezugspersonen, die abwechselnd geliebt und gehasst werden. Dies kommt daher, dass nach psychoanalytischer Auffassung die betroffenen Patienten einen wichtigen Entwicklungsschritt, der sich im Alter zwischen zwei und drei Jahren hätte abspielen sollen, nicht vollzogen haben: zu lernen, dass geliebte Bezugspersonen auch nicht vollkommen, das heißt ausschließlich gut sind oder immer zur Verfügung stehen, sondern dass diese auch unangenehme und negative Eigenschaften haben. Die Psychoanalyse nimmt nun an, dass diese fehlende Integration so genannter guter oder böser Anteile zu massiven inneren Spannungen führt, die von den Betroffenen nicht ausgehalten werden. Um diese Spannungszustände zu bewältigen, versucht die Betroffene wechselnd die guten oder bösen Anteile nach außen zu lagern (zu projizieren). Damit wird die innere psychische Spannung etwas reduziert, es entsteht jedoch eine massive Abhängigkeit von anderen Personen.
Diese Theorie basiert auf klinischen Beobachtungen und der Annahme, dass Phänomene im Erwachsenenalter fast immer auf unbewältigten Prozessen der Vergangenheit basieren. Die Konsequenz aus dieser Theorie für die psychotherapeutische Behandlung besteht darin, dass angestrebt wird, eine intensive therapeutische Beziehung herzustellen, um im Rahmen dieser Beziehung „Nachreifungsprozesse“ zu gewährleisten.