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Führen mit Zielvereinbarung
Klaus-Helmut Schmidt, Uwe Kleinbeck
Verlag Hogrefe Verlag GmbH & Co. KG, 2006
ISBN 9783840914911 , 99 Seiten
Format PDF, ePUB, OL
Kopierschutz Wasserzeichen
Die im Rahmen von Zielvereinbarungen verwendeten Leistungsmaße können also auch beim Aufbau dieser Systeme und Verfahren sinnvoll genutzt werden. Mit der Nutzung dieser Möglichkeit wäre ein weiterer, für die Praxis konsequenzenreicher Vorteil verbunden: Der Bezug auf ein und dieselben Maße würde gewährleisten, dass alle praktizierten Ansätze eine konsistente und widerspruchsfreie Botschaft darüber vermitteln, was aus Sicht der Organisation als bedeutsamer Leistungsbeitrag gilt (s. auch Abschnitt 2.4.1). In der Praxis fällt diese Botschaft häufig genug widersprüchlich aus, z. B. dann, wenn das in einem Unternehmen installierte Entgeltsystem an anderen Leistungskriterien orientiert ist als die etablierten Systeme der Leistungsbeurteilung (vgl. Schmidt & Kleinbeck, 1997). Schließlich lassen sich vollständige und beeinflussbare Leistungsmaße auch bei der Wirkungsabschätzung anderer betrieblicher Interventionen nutzen. Sie bieten die Möglichkeit, Arbeitsgestaltungsmaßnahmen in ihren Wirkungen ebenso zu bewerten wie Trainingsund Qualifizierungsprogramme oder Maßnahmen der Organisationsentwicklung.
2 Theoretische Grundlagen und Modelle
Das, was man aus der psychologischen Forschung über Ziele, ihre leistungsförderlichen Merkmale und die Randbedingungen ihrer Wirkungen weiß, geht im Wesentlichen auf ein Modell zurück, das als Zielsetzungsmodell („goal setting“) weit über die wissenschaftliche Fachöffentlichkeit hinaus bekannt geworden ist und die Theorie und Praxis des Managements von Humanressourcen nachhaltig beeinflusst hat (Locke & Latham, 1990a,b; Latham & Locke, 1991). Die Führungstechnik des „Management by Objectives“ spiegelt diesen Einfluss beispielhaft wider. Wie der Name des Modells schon zum Ausdruck bringt, besteht sein zentraler Analysegegenstand nicht in Leistungswirkungen von vereinbarten Zielen, sondern in den Wirkungen fremd gesetzter, das heißt vorgegebener Ziele auf die Leistung. Diese Konzentration auf vorgegebene Ziele stellt nun keineswegs eine Empfehlung dieser Art der Zielbestimmung für die Führungspraxis dar; sie hat vielmehr ausschließlich methodische Gründe, die zudem leicht nachvollziehbar sein dürften. Denn nur vorgegebene Ziele lassen sich experimentell kontrollieren, in bestimmten Merkmalen variieren und in ihren Leistungswirkungen mit einiger Genauigkeit analysieren. Der „Erfolg“ dieses Vorgehens ist natürlich an die Voraussetzung geknüpft, dass die Personen die vorgegebenen Ziele auch akzeptieren, als persönliche Ziele übernehmen und zu erreichen versuchen. Hierauf wird noch näher einzugehen sein (s. Abschnitt 2.2.2). Nach heutigem Kenntnisstand kann jedoch davon ausgegangen werden, dass die auf der Grundlage dieses Vorgehens gewonnenen Einsichten über Zielwirkungen auch auf Situationen selbst gesetzter und vereinbarter Ziele übertragbar sind (s. Locke & Latham, 2002). Dies sollte bei der Lektüre der folgenden Textpassagen immer „mitgedacht“ werden.
2.1 Grundannahmen des Zielsetzungsmodells
Das Modell basiert auf einer ebenso einfachen, wie allgemeinen Annahme: Handlungen von Menschen sind gewöhnlich zielgerichtet; das heißt, sie stehen im Dienste der Erreichung bestimmter Ziele als angestrebte Resultate dieser Handlungen. Diese Zielgerichtetheit von Handlungen bedeutet im Umkehrschluss, dass Ziele auf das Handeln der Personen zurückwirken, es so organisieren und steuern, dass die Ziele auch erreicht werden. Dies sollte auch für Ziele gelten, die sich auf Leistungen bzw. Leistungsergebnisse beziehen. Welche Leistungen erbracht werden, sollte demnach davon abhängen, welche Leistungsziele angestrebt und im Handeln realisiert werden.
Ziele im Allgemeinen und Leistungsziele im Besonderen können ganz verschiedenartige Sachverhalte beinhalten; sie können alles das zum Inhalt haben, was Menschen innerhalb und außerhalb ihrer Arbeitsrolle zu erreichen anstreben. Ungeachtet dieser inhaltlichen Vielfalt und Heterogenität weisen Ziele zumindest aber zwei Merkmale auf, die ihnen gemeinsam sind und in denen sie sich graduell unterscheiden. Das erste Merkmal betrifft die Spezifität von Zielen, das zweite die Zielschwierigkeit. Ziele können einerseits recht vage oder sehr spezifisch und konkret sein. So kann man etwa bei der Erledigung einer bestimmten Aufgabe das vage und unspezifische Ziel verfolgen, „sein Bestes zu geben“ (was immer dies bedeuten mag). Bei derselben Aufgabe könnte das Ziel aber auch darin bestehen, ein konkretes, spezifisches Leistungsergebnis zu erreichen, das in Maß und Zahl ausgedrückt werden kann. Ziele können sich andererseits in der Schwierigkeit ihres Erreichens unterscheiden. Die Ziele können so bemessen sein, dass sie mehr oder weniger hohe und anspruchsvolle Anforderungen an die Leistungsvoraussetzungen der Personen stellen; hohe anspruchsvolle Anforderungen sind schwerer zu erfüllen als niedrige, weniger anspruchsvolle Anforderungen.
Aus der Verknüpfung dieser Zielmerkmale mit der handlungsdeterminierenden Funktion von Zielen leiten sich die beiden Grundannahmen des Zielsetzungsmodells ab, die folgende Zusammenhänge erwarten lassen:
1. Die Vorgabe (bzw. das Verfolgen) spezifischer und schwer zu erreichender Leistungsziele sollte sich in höheren oder besseren Leistungen 12 niederschlagen als die Vorgabe (bzw. das Verfolgen) vager, unspezifischer oder keiner Ziele.
2. Die Vorgabe schwer zu erreichender spezifischer Ziele sollte zu höheren oder besseren Leistungen führen als die Vorgabe leicht zu erreichender spezifischer Ziele.
In den Untersuchungen zur Überprüfung dieser beiden Grundannahmen erfolgt die experimentelle Variation der Zielschwierigkeit gewöhnlich durch die gestaffelte Vorgabe objektiv leichter oder schwer zu erreichender spezifischer Leistungsziele. Dabei haben die Personen unter allen Zielschwierigkeitsbedingungen jeweils dieselbe Aufgabe zu bearbeiten. Ausgehend von den individuellen Leistungen in einigen vorgeschalteten Bearbeitungsdurchgängen ohne Zielvorgaben werden die Personen dann aufgefordert, ihre Leistungen um einen bestimmten Betrag zu verbessern, dem eine individuelle Leistungssteigerung von beispielsweise 10 %, 15 % oder 20 % entspricht. Zur Variation der Zielspezifität werden dagegen inhaltlich vage Ziele vorgegeben, etwa in Form der Anweisung „Bearbeiten Sie die Aufgabe so gut wie möglich“, deren Wirkungen mit der Vorgabe sehr spezifischer Ziele verglichen werden. Die Ziele schließen in der Regel auch Festlegungen darüber ein, innerhalb welcher Zeitperioden sie zu erreichen sind.