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Dr. Stefan Frank 2213 - Der Fremde, der ihr Hoffnung schenkte

Stefan Frank

 

Verlag Verlagsgruppe Lübbe GmbH & Co. KG, 2013

ISBN 9783838749815 , 64 Seiten

Format ePUB

Kopierschutz Wasserzeichen

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1,99 EUR

Für Firmen: Nutzung über Internet und Intranet (ab 2 Exemplaren) freigegeben

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Martha Giesecke segelte mit einer Kuchenplatte in den Armen auf die Teeküche der Praxis zu – und blieb im Türrahmen stehen.

„Du meine Güte“, stieß sie verdutzt hervor.

„Grüß Sie, Schwester Martha. Habe ich Sie erschreckt?“, fragte Dr. Frank.

„Das kann man wohl sagen, Chef. Normalerweise bin ick morgens doch die Erste hier.“ Besorgt warf die grauhaarige Arzthelferin einen Blick auf die runde Uhr, die über der Tür hing. „Geht meine Uhr etwa nach?“

„Keine Sorge, Sie sind nicht zu spät dran. Ich war heute einfach früher wach als sonst.“

„Warum denn?“ Schwester Martha deponierte den Kuchen auf der Arbeitsplatte.

„Um fünf Uhr hat das Telefon geklingelt, und nach dem Gespräch fand ich, ich könne ebenso gut aufbleiben.“

„War es wenigstens ein Notfall?“, erkundigte sich Martha Giesecke misstrauisch. Sie reagierte empfindlich, wenn man ihren Chef ohne triftigen Grund in seiner wohlverdienten Ruhe störte.

„Für den Anrufer schon. Tee?“

„Gern, aber Sie brauchen gar nicht abzulenken, Chef. Wer war’s?“

Dr. Frank holte zwei Tassen aus dem Hängeschrank und zog die Teekanne zu sich heran.

„Sie wissen, wie sehr ich Sie schätze, Schwester Martha. Aber der Anrufer hat mich ausdrücklich gebeten, seinen Namen für mich zu behalten.“

„Ick werd nicht mehr!“ Martha Giesecke stemmte beide Hände in die Seiten. „Reißt Sie erst aus dem Schlaf und versteckt sich dann hinter der ärztlichen Schweigepflicht.“

„Wer wenig von Medizin versteht, weiß oft nicht genau, was ein Notfall ist und was nicht.“ Stefan Frank schob seiner Mitarbeiterin eine dampfende Tasse hin.

„Danke. Also, ick finde, wenn man sich als Otto Normalverbraucher mitten in der Nacht schlecht fühlt, soll man ins Krankenhaus fahren. Da ist rund um die Uhr jemand wach. Anders als in dieser Praxis.“

„Seien Sie nicht zu streng, Schwester Martha. Zugegeben, ich wäre nicht böse gewesen, wenn ich ein Stündchen länger hätte schlafen können. Aber es ist ja nicht so, als ob ich die halbe Nacht aufgeblieben wäre. Das verkrafte ich schon. Es ist mir lieber, meine Patienten rufen mich einmal zu oft an als einmal zu wenig.“

„Schon recht, Chef, aber es gibt leider Leute, die Ihre Nachsicht schamlos ausnutzen.“

„Wer nutzt wen schamlos aus?“, fragte Marie-Luise Flanitzer, die eben in die Praxis gekommen war und die letzten Worte gehört hatte.

Martha Giesecke brachte ihre jüngere Kollegin schnell auf den neuesten Stand.

„Wenn der Anrufer wollte, dass Sie seinen Namen nicht nennen, Chef, dann bin ick bestimmt schon mal mit ihm aneinandergeraten“, schloss sie. „Es war doch ein Mann, oder?“

„Kein Kommentar“, wehrte Dr. Frank schmunzelnd ab.

„War einen Versuch wert.“ Schwester Martha seufzte. „Na, ick komm schon noch drauf.“

„Dann wird sich derjenige aber warm anziehen müssen“, meinte Marie-Luise. „Habe ich eigentlich noch etwas verpasst? Geburtstag hat heute doch keiner von uns, und trotzdem steht hier ein Kuchen.“

„Ick habe einen Geburtstagskuchen für meine Nachbarin gebacken. Da dachte ick mir, wir könnten im Doktorhaus ooch was Süßes gebrauchen. Als Nervennahrung. Und wie dieser dreiste Anruf in aller Herrgottsfrühe zeigt, lag ick damit richtig.“

„Der Kuchen duftet herrlich.“ Marie-Luise schnupperte. „Apfel?“

„Jawoll. Larissas Lieblingssorte. Kriegt sie jedes Jahr von mir.“

„Das ist wirklich nett von Ihnen“, sagte Dr. Frank anerkennend. „Marie-Luise und ich freuen uns ja immer über ein Stück von Ihrem Apfelkuchen, und Larissa weiß Ihre Aufmerksamkeit bestimmt auch zu schätzen.“

„Ist nur eine Kleinigkeit“, wiegelte Schwester Martha ab.

„Mag sein. Aber ich finde es bemerkenswert, wie Sie sich seit dem Unfalltod von Larissas und Sinas Eltern um die Schwestern kümmern.“

„Nun ist aber jut, Chef“, brummte Martha Giesecke verlegen. „Jeder von uns tut doch was, um den beiden das Leben zu erleichtern. Sie zum Beispiel helfen Larissa bei der Steuererklärung, Marie-Luise bringt Kirschmarmelade vorbei, und ick backe halt Kuchen.“

„Woher wissen Sie denn von der Marmelade?“, fragte Marie-Luise verblüfft.

„Das Glas steht bei den Thieles im Küchenregal, und ick habe deine Handschrift auf dem Etikett erkannt. Ick halte eben Augen und Ohren offen. Sina war ja noch minderjährig, als ihre Eltern den Autounfall hatten. Auf einmal standen die beiden Mädels alleine da. Seitdem fühle ick mich verpflichtet, ab und zu nach dem Rechten zu gucken. So, Marie-Luise, jetzt aber an die Arbeit, sonst heißt es noch, im Doktorhaus würde der Schlendrian Einzug halten.“

Schwester Martha marschierte mit ihrer Teetasse zum Empfangsbereich. Dr. Frank schenkte seiner jüngeren Sprechstundenhilfe ebenfalls eine Tasse ein, bevor er in sein Sprechzimmer ging.

Marie-Luise folgte ihrer Kollegin und schaltete den Computer ein.

„Frau Busch ist heute die Erste“, murmelte sie, nachdem sie den Patientenkalender aufgerufen hatte.

„Wunderbar.“ Schwester Martha blätterte in einem Aktenordner. „Dann kann ick ihr gleich erzählen, dass ihre Minka unseren Vorgarten zum Katzenklo erkoren hat und ick das überhaupt nicht lustig finde.“

„Wir hatten im Frühjahr dasselbe Problem. Als mein Mann Frau Busch darauf ansprach, war sie sehr abweisend. Sie hat steif und fest behauptet, ihre Minka könne es nicht sein, obwohl wir die Katze oft genug beobachtet hatten.“

„Ick weiß, sie lässt nichts auf ihre Minka kommen. Deswegen habe ick auch Fotos gemacht. Auf frischer Tat ertappt, sozusagen.“

Die Tür zur Praxis wurde geöffnet. Schwester Martha reckte das Kinn vor, bereit zu einer Auseinandersetzung mit Frau Busch, die ihre Katze nach Strich und Faden verwöhnte. Doch statt der älteren Dame erschien ein Herr.

„Grüß Gott, die Damen.“ Der korpulente Mann humpelte näher.

„Grüß Gott, Herr Simbach.“ Rasch warf Schwester Martha einen Blick auf den Computerbildschirm. „Sie stehen gar nicht auf unserem Terminplan. Oder habe ick Tomaten auf den Augen?“

„An Ihrer Sehkraft liegt es nicht“, versicherte der Patient beflissen. „Es ist so, dass ich – neulich – Gelegenheit hatte, mit Dr. Frank zu sprechen. Und er meinte, ich solle heute vorbeikommen.“

Martha Gieseckes Augen verengten sich.

„Dieses ‚neulich‘ war nicht zufällig heute früh?“, fragte sie hellhörig.

Heute?“, wiederholte Theo Simbach gedehnt.

„Jawoll. Zu nachtschlafender Zeit, um genau zu sein.“

„Also … ‚nachtschlafende Zeit‘ würde ich es nicht nennen. Außerdem hatte ich extreme Schmerzen, viel stärker als die im Ellenbogen letzte Woche, sonst hätte ich mit meinem Anruf noch gewartet. Andererseits sollte ich ja ohnehin in diesen Tagen vorbeikommen, wegen des Befundes von meinem letzten Termin.“

„Richtig, gestern ist die Post vom Labor gekommen, und heute hätte ick Sie angerufen, um einen Termin zu vereinbaren. – Wie es bei uns üblich ist“, ergänzte Schwester Martha betont deutlich. „Das hat Herr Dr. Frank Ihnen beim letzten Mal sicher erzählt.“

Theo Simbach schwoll der Kamm. Was bildete sich die Berliner Arzthelferin ein, ihn zu maßregeln?

„Ich hatte nicht den Eindruck, als wäre Dr. Frank verärgert wegen meines Anrufs“, rechtfertigte er sich. „Am Telefon war er sehr verständnisvoll.“

„Verständnisvoll sind wir alle hier im Doktorhaus. Nehmen Sie zum Beispiel mich. Wenn ick starke Schmerzen hätte und die Praxen wären geschlossen, würde ick schnurstracks in eine Klinik fahren. Oder mich vom Krankenwagen hinfahren lassen, wenn ick mich nicht ans Steuer setzen könnte. Meinen Hausarzt würde ick jedenfalls nicht aus dem Schlaf reißen.“

Theo Simbach räusperte sich.

„Nun sind Sie ja quasi vom Fach, Frau Giesecke. Eine erfahrene Arzthelferin wie Sie kann zweifellos einschätzen, wie dringend ärztliche Hilfe geboten ist. Laien wie ich hingegen verhalten sich im Eifer des Gefechts vielleicht manchmal weniger klug.“

„Da will ick Ihnen nicht widersprechen“, meinte Schwester Martha zuckersüß. „Beim nächsten Mal machen Sie es bestimmt ebenso wie icke. Übrigens hat Herr Dr. Frank nicht gesagt, mit wem er heute früh telefoniert hat. Ick wollte wissen, was er so früh in der Praxis macht, er erwähnte einen Anruf, und der Rest war schlichtes Kombinieren meinerseits. Nicht dass Sie denken, er hätte Sie verpfiffen. Dafür ist er viel zu taktvoll.“

Der Patient nickte verlegen.

„Ich geh dann mal ins Wartezimmer“, sagte er und floh, so rasch sein schmerzendes Bein es zuließ.

***

Fünf Minuten später betrachtete Dr. Frank das rechte Bein von Theo Simbach.

„Ihr Knie ist geschwollen und gerötet“, stellte er fest.

„Und weh tut es! Ich neige nicht zum Jammern, das wissen Sie, aber diese Schmerzen sind wirklich arg. Viel stärker als die am Ellenbogen, wegen denen ich letzte Woche hier war.“

Vorsichtig legte Stefan Frank eine Handfläche auf die Haut.

„Überwärmt ist das Knie auch“, stellte er fest. „Passt genau ins Bild.“

„Welches Bild?“, fragte Theo Simbach alarmiert.

„Letzte Woche habe ich Ihnen doch Blut abgenommen, um den Beschwerden an Ihrem Ellenbogen auf den Grund zu gehen. Das Ergebnis liegt jetzt vor: Sie haben...