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Zeter und Mordio! - Vergewaltigung in Recht und Literatur

Gesa Dane

 

Verlag Wallstein Verlag, 2013

ISBN 9783835320680 , 312 Seiten

Format PDF, OL

Kopierschutz frei

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25,99 EUR


 

VI. Notzucht in der Literatur des 17. Jahrhunderts: Zwischen Ehr- und Keuschheitsverlust (S. 168-169)

1. Einleitung


Die Carolina, das Gesetzbuch des Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nation, deutet die Notzucht als Ehrenraub. Die Frage, ob die Ehre der Frau wiederherstellbar ist, läßt sie offen. Aus dieser Leerstelle heraus entwickelt die Literatur ihre Konflikte und Problemzusammenhänge. Weil die weibliche Ehre immer mit der geschlechtlichen Integrität identifiziert wird und der Verlust dieser Ehre sich ehrverletzend auf den Geschlechtsvormund auswirkt, kann es nie nur ein einziges Opfer geben. Um die Tatfolgen in der Literatur angemessen beschreiben und untersuchen zu können, muß deshalb von einem aufgefächerten Opferbegriff ausgegangen werden, der zwischen dem unmittelbaren und dem mittelbaren Opfer unterscheidet.

Die Frau, der das Verbrechen widerfährt, ist das unmittelbare Opfer, ihre Familie dagegen ist das mittelbare Opfer. Ein solchermaßen differenzierter Opferbegriff, wie er implizit in der strafrechtlichen Deutung des Ehrenraubs existiert, korrespondiert mit der Anlage der Konflikte, die in der Literatur des 17. Jahrhunderts in besonderer Weise Ehrkonflikte sind. Mit dem Stichwort ›Ehrenraub‹ wird ein komplexer psycho-sozialer Vorgang bezeichnet, der das unmittelbare und das mittelbare Opfer in unterschiedlicher Weise trifft, auch davon weiß die Literatur. Die Frage nach der Wiederherstellbarkeit der Ehre zielt darauf, unter welchen Voraussetzungen diese Verletzungen behoben werden können.

Die Barockforschung hat seit den 60er Jahren des vergangenen Jahrhunderts herausgearbeitet, daß die Literatur des 17. Jahrhunderts menschliche Schicksale nur präsentiert, insofern diese exemplarischen Charakter haben und mit didaktischen Wirkungsabsichten verbunden werden können. Die Funktion von literarischen Exempeln besteht gemäß der rhetorischen Tradition darin, Affekte zu erregen, zu unterhalten, zu erfreuen und zu erbauen. Zugleich sollen abstrakte Normen oder allgemeine Lehren vermittelt werden, indem diese anschaulich an Einzelfällen aufgezeigt werden.

Die Literatur stellt exemplarische Verhaltensweisen dar, positive Beispiele zum Nacheifern, aber auch – um der Abschreckung willen – Negativbeispiele. Nicht zufällig sind einige der bedeutendsten Autoren der Epoche Juristen gewesen, so Andreas Gryphius, Johann Christian Hallmann und Daniel Casper von Lohenstein. Hans Jacob Christoffel von Grimmelshausen war als Schultheiß von Renchen mit Rechtsfragen ebenfalls vertraut. Juristische Argumentationsmuster, Begriffe und Diskursformen durchdringen die Texte dieser Autoren. Das gilt auch für die Art, wie Notzuchtsverbrechen thematisiert werden.